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Ministerial-Erlass vom 19. Januar 1900

imag0012[1]Heute beginnen in NRW die Sommerferien und ich möchte mich für ein paar Wochen von dieser Stelle verabschieden. Mein „Halbtagsjob“ macht eine Pause – da darf der Halbtagsblog auch eine machen. Weiter geht es hier am 30.8.

Zum  Schluss noch ein Fillet-Stück deutscher Pädagogik: Ein Auszug aus dem “Strafverzeichnis gemäß dem Ministerial-Erlass vom 19. Januar 1900, Verfügung der Königlichen Regierung zu Arnsberg vom 29.Januar 1900.”

Wundersame Dinge kann man da lesen – zum Beispiel, dass eine Schülerin wegen Faulheit gezüchtigt wurde. Mit Stockschlägen. Jungen wurden übrigens auf den Allerwertesten, Mädchen auf den Rücken geschlagen. Die Begründungen lesen sich heute amüsant, aber nicht völlig abwegig.

  • “Unaufmerksamkeit in der Rechenstunde” (an dieser Stelle eine Fermi-Aufgabe: Ich unterrichte zweiundzwanzig Schüler je vier Stunden Mathematik pro Woche und über den Daumen gepeilt könnte ich in jeder Stunde mindestens zehn Schüler durch gezielte Fragen der “Unaufmerksamkeit” überführen. Wenn jede Züchtigung 4 Minuten in Anspruch nähme – wie viele Stunden im Jahr wäre ich nur mit Züchtigen beschäftigt? Wie viele Stunden kommen bei allen Lehrern einer Schule zusammen? Lohnt sich da ein Zivi, der speziell für diese Aufgabe angestellt wird?)
  • “Weil sie zum dritten Mal das Gedicht nicht gelernt hatte” (Heute gibts dafür Striche – die kann man ja als kleine Stöcke bezeichnen Smile)
  • “Wegen fortgesetzter Faulheit” (oha… )
  • “Trotz ihrer Dummheit kamen sie ohne etwas gelernt zu haben in die Schule” (heute sind wir dankbar, wenn die Schüler überhaupt kommen)
  • “Weil sie unsittliche Handlungen begangen hatten oder aber begehen wollten” (in Zeiten von “unsittlichen Handlungen” auf Handys immer noch ein brandaktuelles Thema Winking smile)

Deutlich wird vor allem: Die Lehrer in den Anfängen des zwanzigsten Jahrhunderts hatten mit den gleichen Problemen zu kämpfen, wie wir heute: Diebstahl, ungebührliches Betragen, Körperverletzung.

Spannend finde ich insbesondere, dass Eltern heute schon mit dem Anwalt drohen, wenn man ihren Lieblingen das Handy im Unterricht abnimmt. Oder dass “Nacharbeiten in der 7. Stunde” als unmenschliche Strafe bezeichnet wird. Die Empfindlichkeiten haben sich da doch verändert.

All jenen, die uns Lehrern einen leichten Job unterstellen, sei dieses Strafverzeichnis also wärmstens ans Herz gelegt – wohlgemerkt mit dem dezenten Hinweis, dass wir heute nicht mehr züchtigen.
Ich verabschiede mich an dieser Stelle in meinen wohlverdienten Urlaub – gewiß werde ich die Zeit finden, ein paar schöne, lange Stöcke zu schnitzen. Winking smile

3 Gedanken zu „Ministerial-Erlass vom 19. Januar 1900“

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