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Gestern erhielt ich eine E-Mail einer Redakteurin des TV-Senders ARTE (für die Leser unter 22: Das ist der Sender noch hinter RTL Passion und Sat.1 emotions): Für das Europamagazin Yourope wolle man einen Beitrag über “junge Lehrer in Europa” drehen. Ob ich nicht… JAAAAAA! Wen muss ich dafür umlegen?

IMAG0473-1So weit, so großartig.
Heute wussten natürlich alle Schüler schon Bescheid. “Was? Sie kommen ins Fernsehen?! Wooow!” Facebook hat auch etwas cooles. Wirklich. Auf die berechtigte Frage eines Schülers, warum denn ausgerechnet ich ausgewählt worden sei, fiel mir nichts Rechtes ein.

Ja, warum eigentlich?
Entspreche ich in irgendeiner Form dem durchschnittlichen Typ Lehrer?
Mein Halbtagsjob entpuppt sich zunehmen im wahrsten Sinne des Wortes als Halbtags-Job. Ich habe immer noch kein Jackett mit Flicken auf den Ärmeln. Und – bei aller Bescheidenheit – ich kenne mehr als vier lustige Sprüche. Mein Referendariat liegt gerade ein halbes Jahr zurück und war auch nicht – wie angekündigt – “die Hölle auf Erden”. Auch die Zeit nach dem Referendariat jetzt ist nicht “die anstrengendste Zeit überhaupt!” Überhaupt ist alles irgendwie nicht so, wie man es mir erzählt (und wie ich es geglaubt) habe. Es ist mehr… cool. Seit Monaten darf ich mich im Unterricht nach Herzenslust austoben. Ich darf bei verrückten Projekten mit dem DFB zusammenarbeiten, erscheine in SPIEGEL, FOCUS und der Süddeutschen Zeitung und habe Gelegenheit, die Homepage der Schule neu umzubauen. Irgendwie fliegen mir solche aufregenden Dinge zu.

Warum also ich?
Die Frage stellt mir heute auch Frau Tellmann. Sie erstickt fast am Kaffee vor Lachen, als ich stolz um Anerkennung heische. “Duuuu?!”, prustet sie. “Warum DU denn?”
Ich strahle sie an. “Weil ich geil bin!”
Daraufhin bricht sie in schallendes Gelächter aus. “Dein Selbstbild hätte ich gerne mal einen Tag. Das muss schön sein…”
Beleidigt wende ich mich ab. Wenn ARTE mich zu den Dreharbeiten wie Heidi Klums Topmodels Kandidaten nach Los Angeles einlädt, bekommt sie jedenfalls keine Karte.

Im Laufe des Tages wurden dann weitere Details geklärt. ARTE will ein Kamerateam vorbeischicken um mich sowohl zu Hause als auch in der Schule zu filmen. Dafür braucht es die Erlaubnis der Schulleitung (erledigt) und der Eltern. Heißt – ich darf mir eine Klasse aussuchen, die in der Dokumentation ‘Schule spielt’. Und nun wirds kniffelig – denn auch dieses Jahr habe ich eigentlich nur Lieblingsklassen.
Meine eigene 5 zum Beispiel. Gerade was meine beiden Zwillinge und das Thema Inklusion angeht, sicher eine hochspannende Klasse.  Aber halt eine 5. Die sind noch… Kinder. “Herr Klinge, meine Seite ist vollgeschrieben, darf ich auf der nächsten Seite weiterschreiben?” “Herr Klinge, der Stefan hat mich gehauen, der macht das schon die ganze Zeit..”
Dann ist da meine 6. Ein Haufen wahnsinnig begabter, wahnsinnig begeisterter und wahnsinnig chaotischer Jungs und Mädchen. Die habe ich seit einem Jahr und entsprechend kennen die mich. Sie kennen meine Arbeitsweise, mich, meinen Unterricht. Die haben letztes Jahr wie blöde gearbeitet und hätten es durchaus verdient, in so ein Projekt reinzuschnuppern. Aber Chaoten sind es schon manchmal.
Außerdem meine DFB-8. Mit denen ist Unterricht wie Kaffeekränzchen. Gegen sie spricht eigentlich nur, dass sie schon diese verrückte DFB-Geschichte mitmachen durften. Und dann habe ich noch zwei Physikkurse – aber Physik möchte ich lieber nicht zeigen. Da ist die Gefahr, peinliche fachliche Fehler zu begehen einfach zu groß. Nachher erhält ARTE tausend empörte Leserbriefe, weil ich statt ‘Masse’ ‘Gewicht’ gesagt habe oder so. Und die Bildzeitung titelt am nächsten Morgen einmal mehr: “Deutschlands dämlichster Lehrer!” Das geschieht in Mathematik nicht so schnell.

Außerdem suche ich noch nach Ideen, wie die Schüler möglichst viel Nutzen aus so einer Geschichte ziehen können. Bei allem Spaß für mich, will ich vor allem jener Klasse einen besonderen Einblick bieten. Aber was? Vielleicht habt ihr ja Ideen?

Auf jeden Fall freue ich mich. Das wird sicher… großartig! Smiley mit geöffnetem Mund

Übrigens – von RTL wurde ich auch mal angefragt. Ob ich nicht Lust hätte, mich interviewen zu lassen. Mehr aus morbider Neugierde, als aus echtem Interesse fragte ich zurück, was denn das Thema sei. “Ja”, schrieb man mir, “es ginge um das Verhalten von Lehrern, wenn sich Schülerinnen in sie verliebten.”
Da bin ich dann schier an meinem Kaffee erstickt. Also wie selbstverliebt dämlich muss man als Lehrer sein, um in so einem Beitrag mitzuwirken? Ich schrieb höflich zurück, dass sich in meinem Lehrerleben meines Wissens nach noch keine Schülerin in mich verliebt hätte, wohl aber schon Schüler. Aber das sei ja leider nicht Thema.
Dann kam lange Zeit nichts. 😉

7 Gedanken zu „ARTE“

  1. Pingback: Mama, ich bin im Computer! » Kreide fressen

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