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Ich versuche all meinen Schülern immer und immer wieder klarzumachen, dass man Mathematik oder Physik nicht lernen kann, indem man mir zuschaut. Vorne erklären, Aufgaben gemeinsam besprechen – all das sind Dinge, die sich meine Schüler oft wünschen, die ich ihnen aber meist verwehre. Mathematik ist eben wie dieses Bild.
Und tatsächlich haben das viele verstanden. Neulich habe ich meine Klasse 8 dreißig Minuten an einer (leichten) Aufgabe rätseln lassen, bis ich sie schließlich an der Tafel besprechen wollte. “NEEIINN!”, brüllten sofort eine Handvoll. “Herr, Klinge, lassen Sie uns in Ruhe!”

Ein Blick auf die Uhr und in andere gequälte Gesichter reichte mir. “Sorry, aber in fünf Minuten spätestens müssen wir das hier lösen.”

Als die 5 Minuten dann um waren, protestierte ein gutes Viertel der Klasse. Ob sie nicht auf dem Flur alleine weiterrechnen könnten. Also ließ ich sie hinaus und besprach mit dem Rest die Lösung.

Was mich wirklich freut ist die Tatsache, dass diese Schüler sowohl den Ehrgeiz hatten, Aufgaben allein zu lösen, als auch verstanden haben, dass alles Vorrechnen nichts nützt. Ein Traum. Ein absoluter Traum – denn de fakto bin ich für diesen Teil der Klasse überflüssig. Und genau das ist mein höchstes Ziel: Ich möchte überflüssig werden, meine Schüler sollen alleine zurecht kommen. Tatsächlich sollte sich mein Engagement noch rächen – aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Statt dessen habe ich mich den ganzen Tag über die Eigenständigkeit meiner Schüler  gefreut, bis Frau Tellmann mich ansprach, die jenen Schülern auf dem Gang begegnet war. “Ich wusste ja schon immer, dass dein Unterricht schlecht ist, aber wenn die Schüler jetzt schon freiwillig auf dem Gang arbeiten, weil sie dich nicht mehr ertragen, dann müssen wir uns was überlegen.”

16 Gedanken zu „Schulanekdoten.“

  1. Cool! Das hätte ich auch gerne. Aber viele meiner Schüler sitzen wie beim Fernsehen vor mir und erwarten Berieselung! Unterstützt wird das dann von Kollegen, die in einer Tour alles mögliche kopieren: Lösungen, Checklisten vor Prüfungen, Stoffzusammenfassungen,…
    Ist dein Umfeld nicht auch so? Wie hast du erreicht? Einfach ausgesessen? Und wie gehst du mit dem eventuellen Lehrplan-Nicht-Durchkommen-Problem um?

    1. Weiß nicht, wie das bei Kollegen so ist – aber die Schüler müssen sich einfach dran gewöhnen, dass ich so bin. 😉
      Dadurch, dass ich so viel mit Lerntheken arbeite, komme ich eigentlich immer sehr zügig durch den Stoff – kein Wunder: Die Schüleraktivität ist ja auch extrem hoch. Da kann ich es mir durchaus leisten, mal zwei, drei Stunden zu solchen Rätselstunden zu machen. 🙂

  2. Ach, menno … wieder dieses Bild !!!
    Habe es damals schon nicht kapiert und schaue heuer immer noch dusselig drein.
    Ich bin kein Mathelehrer und von Physik ganz zu schweigen ;). Das zur Entschuldigung.
    Lerntheken finde ich toll, bin aber selbst noch nicht dazu gekommen, welche zu erstellen.
    LG
    PS: Wird das Gehalt voll gezahlt, wenn ein Viertel der Schüler flüchten geht und die Lösung nicht hören will??? :O

  3. Auweia.
    Hi-hi-hi.
    Da muss man doch gar nicht Mathe können!
    So, und nun sehe ich nie wieder das graue Durcheinander.
    Manchmal hat man aber auch ein Brett vor dem Kopp … bzw. vor den Augen.
    Danke für die Hilfe.
    Ich brauch‘ eindeutig Ferien … damals und heute erst recht.

  4. „Ein Traum. Ein absoluter Traum – denn de fakto bin ich für diesen Teil der Klasse überflüssig.“

    Da will ich mit meinem Deutschkurs hin. Und ich muss sie zum Halbjahr abgeben – mir blutet das Herz…
    Aber ich bin überzeugt, dass DAS der richtige Weg ist. Handwerkszeug hinlegen, die „SuS“ bedienen sich gierig, und man steht nur noch im Hintergrund und ist als letzte Instanz da.
    So sollte es laufen.
    Schön 🙂

  5. Das gefällt mir 🙂

    Oft vermisse ich bei den Schülern diesen Drang, etwas allein herauszubekommen; die Lust trotz zeitweisem Frust, allein dieses verflixte „Rätsel“ zu lösen und dann das glückliche, stolze Gesicht, wenn es denn geklappt hat. Aber manchmal erlebe ich solches noch und das macht mich dann auch froh. – Lehrer, die sich selbst zumindest zeitweise überflüssig machen, finde ich prima!

  6. Naja, das schlimme ist, wenn man daran gehindert wird was Selbstständig heraus zu bekommen, weil 90% der Klasse es nicht versuchen möchte. Oder wenn man Ignoriert wird, weil man es geschafft hat. Ich hatte in meiner Hauptschulzeit öfters das Problem, dass ich die Lösung hatte, und der Lehrer mich nicht dann nahm, da andere es auch heraus bekommen sollten. Eigentlich löblich, aber die Anderen haben es gar nicht versucht. Die haben nur darauf gewartet das ihnen die Lösung vorgekaut wird.

    1. Diese Art Schüler gibt es leider zu Hauf. Ich sag dann immer: „Nur selber denken, macht intelligent.“ Das ist zwar ein wenig übertrieben, was das nur bedingt was mit Intelligenz zu tun hat, aber die Idee kommt rüber.

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