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Gespräch mit einem “Opfer” digitalen Unterrichts.

Vor einigen Wochen veröffentlichte ich an dieser Stelle ein Gespräch mit Felix Kayser, einem Befürworter digitaler Klassenzimmer. Auch wenn ich mit ihm in vielen Dingen nicht übereinstimme (und eher ein Gegner von technischem Schnick-Schnack im Unterricht bin), war es für mich durchaus spannend, mir seine Sicht der Dinge anzuhören.
Ende letzter Woche nun hatte ich die Gelegenheit, mich mit einem ehemaligen Schüler einer sog. "Laptopklasse" zu unterhalten. Dies war für mich vor allem deshalb spannend, weil jener Schüler aus seiner Erfahrung heraus einen besonderen Einblick in solche Projektklassen hat. Wiederum habe ich die Erlaubnis, das Gespräch hier zu veröffentlichen.

 

Ich: Robert, vor kurzem habe ich mich an gleicher Stelle mit jemandem unterhalten, der solche Laptopsysteme verkauft…

Robert (grinst): Ja…

Jan: Nicht begeistert?

Robert: Nee… Eher nicht.

Jan: Kannst du mir ein bisschen was zum Rahmen eures Projektes erzählen?

Robert: Unsere Laptopklasse war genau genommen nur ein Kurs, der Mathematik-Informatik Kurs an meiner Schule. Das Projekt wurde als zweijähriger Modellversuch präsentiert – die Notebooks sollten eigentlich in jedem Kurs ganz intensiv genutzt werden. Es waren haufenweise Lernprogramme vorinstalliert und wurde ganz groß angekündigt.

Jan: Habt ihr die Computer selber gekauft oder sind die von der Schule gestellt worden?

Robert: Die haben wir selbst gekauft.

Jan: In welchen Fächern habt ihr letztlich mit den Rechnern gearbeitet?

Robert: Am Ende haben wir sie eigentlich nur in Englisch und Informatik gebraucht – ansonsten gar nicht. Von den installierten 20 Programmen haben wir vielleicht 4 genutzt.

Jan: Also nur während der zwei Jahre und nur in zwei Kursen. Wie war das da?

Robert: Also, in Informatik ist es natürlich sinnvoll, dass jeder seinen eigenen Rechner hat, aber das hätte man in einem Computerraum auch machen können. Und in Englisch… (zögert) Wenn wir zwischendurch mal ernsthaft dabei waren, haben wir schon was gelernt, aber… eigentlich haben wir nur hinten gesessen und CounterStrike gezockt.

Jan: Ja, das kenne ich von meiner eigenen Schulzeit. Wir haben damals DukeNukem im Multiplayer gespielt. Aber, wurden die Rechner nicht mit Schutzprogrammen ausgestattet?

Robert: Nein. Man hat gesagt, wenn wir schon 650 Euro für neue Notebooks ausgeben, dann sollten wir die auch zu Hause nutzen dürfen. Also hatten wir alle Freiheiten. Und nach zwei Wochen wussten wir auch, wie man den Proxyserver der Schule umgeht, so dass wir dann wirklich alles machen konnten.

Jan: Hui, ich frage lieber nicht weiter nach… ;-)  Gab es weitere Schwierigkeiten, die man als Außenstehender nicht direkt sieht?

Robert: Nun, zunächst einmal der große Aufwand: Unser Klassenraum musste komplett mit Steckdosen versehen werden, was ziemlich teuer und letztendlich auch ein Grund war, warum das Projekt nicht weitergeführt wurde. Für die ganze Schule wäre das zu teuer geworden. Dann gab es, wie in den Physikräumen so einen Not-Ausschalter und es kam immer wieder mal vor, dass den jemand drückte. Dann fehlte dem Lehrer der Schlüssel, um den Strom wieder einzuschalten und bis dieser Schlüssel organisiert war, gingen die ersten Notebooks wieder aus.

Jan: Oh.

Robert: Unsere Tafel wurde durch ein Whiteboard ersetzt, für das man spezielle Marker brauchte. Einige Lehrer wollten die nicht kaufen und haben dann de fakto zwei Jahre lang die Tafel gar nicht genutzt.

Jan: Also keine Empfehlung?

Robert: Also.. es hat schon Spaß gemacht. Aber wenn ich ehrlich bin – nein. Ich würde es nicht nochmal machen.

Jan: Vielen Dank für das Gespräch.

6 Gedanken zu „Gespräch mit einem “Opfer” digitalen Unterrichts.“

  1. Üben mit Lernprogrammen kann zur Abwechslung ganz nett sein – irgendwann wird es langweilig und kann sicher kein Grund darstellen um Laptops zu kaufen. Mathematische Programme sollten in der Oberstufe zum Unterricht gehören, finde ich. Graphisch umgesetzt kann einiges klar werden. Aber auch hier ist es möglicherweise übertrieben, Notebooks in die Schule zu schleppen.

    Aber!!!

    Wenn man (und) frau nicht für die Schule sondern für das Leben lernt, dann muss der Umgang mit PC und Internet Thema sein. Irgendwo muss einem ja gezeigt werden, was man im Facebook machen kann und welche Konsequenzen es hat. Einen Brief oder eine Bewerbung von Hand zu schreiben ist einfach nicht mehr zeitgemäß (außer Liebesbriefen natürlich). Der Umgang mit Grafikprogrammen, die Möglichkeiten einer Bildbearbeitung gehört meiner Meinung nach zwingend in einen zeitgemäßen Kunstunterricht. Und fast jeder sucht Informationen zuerst im Internet und erst dann in einer Bibliothek. Es ist fast unverantwortlich, wenn Schule da nicht zeigt, wie das geht, was kopieren bedeutet, wie seriös Internetquellen sind, wie man die Informationen filtert und ob man Bilder kopieren darf.

    Das was Robert da beschreibt, sind Lehrer/innen die selber noch nicht wissen, wie das geht. Das ist bedauerlich.

    Schöne Grüße – ich lese den Blog immer sehr gerne.

    1. Kein Widerspruch.
      Was du beschreibst, sind aber Projekte. Das mache ich z.T. schon mit meinen 5ern. Mal ein paar Stunden im PC-Raum forschen und Referate vorbereiten, googlen lernen etc.
      Das ist aber weit davon entfernt, mit dem Notebook im Raum zu sitzen.
      Und gerade für die Mathematik in der Unter- und Mittelstufe braucht es mMn nicht viel mehr als Stift, Papier und Taschenrechner. 🙂

      1. Wobei es auch richtig schöne (auch freie) Geometrie-Software (ich will jetzt keine Schleichwerbung machen 🙂 ) gibt, die durch ihre Dynamik die Eigenschaften von geometrischen Konstruktionen gut darstellen können. Dinge die mit Papier und Bleistift nicht möglich sind ;-). Denn hier können z.B. einzelne Punkte verzogen werden (z.B. eine Ecke eines Quadrates), wobei dann Eigenschaften wie z.B. Parallelität und Orthogonalität vorhanden bleiben.
        Derartiges finde ich allein für das Verständnis besonders wichtig, denn wenn man selber sich das angesehen hat und gemerkt hat, was konstant bleibt, dann ist es auch leichter das zu verstehen.
        Lieben Gruß
        L.

  2. Arbeit bleibt Arbeit, auch mit einem Laptop.

    Ein Hindernis ist sicher, dass nicht alle Lehrer wissen, was man mit dem Ding anfangen kann, und dann fehlt der Mehrwert. Englisch und Informatik – als Fächer, die sich mit Kommunikation und Information beschäftigen – sind da viel geeigneter als Mathe, trotz Geogebra. Und Lernprogramme… ich halte nicht viel von Lernprogrammen. Der Computer ist ein Gestaltungs- und Kommunikationswerkzeug.

  3. Pingback: Fuuuuußball! (Und anderes.) - ...ein Halbtagsblog...

  4. Hm, ich stehe dem trotz (oder gerade wegen?) täglicher Arbeit am Rechner als Informatiker auch recht kritisch gegenüber.
    Klar lassen sich viele Dinge super mit eigenem Laptop behandeln. Aber ich spreche aus eigener Erfahrung, wenn ich sage, dass die Ablenkungsgefahr gerade dann deutlich höher ist als beispielsweise an den Schrottkisten im Rechnerraum.
    Für Geometrieprogramme und erste Programmiererfahrungen im Informatikunterricht reichen die völlig aus – während das 650€-Notebook nicht nur auf den Geldbeuteln lastet, sondern aktiv zur Unkonzentriertheit beiträgt.

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