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…In seinen Tagen kam Pul, der König von Assur, in das Land…

…zog Tiglat-Pileser, der König von Assur, heran… und verschleppte ihre Bewohner…

…zog Salmanassar, der König von Assur, gegen Samaria und belagerte es…

aus 2. Könige 15 und 18

Angegriffen.

Verschleppt.

Belagert.

Die Assyrer waren niederträchtig. Schreckliche, gewalttätige, aggressive Leute, die das Leben für die Israeliten zur Hölle gemacht haben. Jahr um Jahr um Jahr.

Nicht, dass wir heute wesentlich weiter entwickelt wären. Anfang des Jahres erklärte die CSU recht deutlich, welches Bild sie von den Rumänen habe. In Dafur metzeln sich verschiedene Volksstämme gegenseitig nieder. In Nigeria töten sich radikale Christen und fanatische Muslime gegenseitig. Eine elende Zeit, ohne Hoffnung auf Besserung.

Zu solch einer Zeit entstand die Geschichte um einen Mann namens Jona. Jona war ein Israelit. Und in dieser Geschichte trägt Gott Jona auf, eine Botschaft in die große Stadt Ninive zu bringen.

Ninive aber war in Assyrien.

Assyrien? Unser schlimmster Feind? Die verhassten Ungläubigen, die das Leben für unser Volk immer und immer und immer wieder zur Hölle machen? Gott will, dass ich in das Zentrum des Wahnsinns und des Bösen laufe und ihnen eine gute Botschaft überbringe? Im Ernst?

Jonah will nichts davon und so rennt er zum nächsten Hafen, springt auf ein Schiff und segelt in die entgegengesetzte Richtung.

Natürlich tut er das.

Ich würde auch in ein Boot springen.

Als ob man zur Zeit des Dritten Reichs einen Juden bitten würde, nach Berlin zu reisen und dort auf dem Marktplatz zu verkünden, was Gott einem im Schlaf mitgeteilt hat. Als würde Gott mich bitten, heute nach Afghanistan zu reisen um den Taliban zu erzählen, sie sollen sich bitteschön ändern.

Ich würde in ein Boot springen.

Wie geht also die biblische Geschichte weiter? Jona steigt ins Boot und gerät in einen Sturm. Es gibt eine Diskussion an Bord in deren Verlauf Jonas Ungehorsam als Ursache für den Sturm ausgemacht wird, er wird über Bord geworfen, er wird von einem Fisch verschluckt, im Magen des Fisches beginnt er zu beten, der Fisch spuckt ihn aus, Jonah geht nach Ninive und die Niniviten sind traumhaft empfänglich für seine Botschaft und schließlich endet die Geschichte damit, dass Jona so deprimiert ist, dass er sich umbringen will.

(Eine Randnotiz: Zuweilen wird der weitere Verlauf der Geschichte heutzutage mit der Intention erzählt: „Siehst du, dass passiert, wenn man Gottes Wort missachtet und davor flieht!“ Aber denken wir uns in die antiken Zuhörer: Sie haben die Assyrer aus tiefstem Herzen gehasst, wie die Hutu viele Jahre die Tutsi. Hätten sie sich auf den Ungehorsam konzentriert oder nicht insgeheim gedacht: „Verdammt, ich wäre auch in ein Boot gesprungen!“)

Wenn man sich diese Geschichte im Detail anguckt, ist sie wirklich urkomisch und steckt voller Humor. Wir kommen später auf den „von einem Fisch verschluckt“ -Teil zurück und bleiben zunächst bei der Skurrilität der Geschichte.

Man sollte annehmen, dass eine jüdische Geschichte über Israel und die Assyrer sich auf relativ eindeutige Kategorien von Gut und Böse, Richtig und Falsch, rechtschaffen und niederträchtig einlässt.

Aber der eine Israelit in dieser Geschichte (derjenige, der eigentlich Gott treu folgen sollte) rennt vor Gott davon. Das Wort, dass hier steht, ist „fliehen„. Jona flieht. Er landet auf einem Schiff voller Heiden, die jedoch beten.

Und während sie beten, um den Sturm zu überleben, betet Jona nicht. Er schläft.

Die heidnischen Matrosen versuchen, durch allerlei Fragen und Gedanken herauszufinden, warum der Sturm sie bestraft um schließlich herauszufinden, dass Jona das Problem ist – etwas, das Jona die ganze Zeit schon bewusst war.

Und dann, als er endlich nach Ninive kommt, nachdem er Gott wieder und wieder entgegen getreten ist, zeigen sich die fürchterlichen, brutalen, niederträchtigen Assyrier offen für die Botschaft Gottes. So offen, dass ihr König anordnet

…Menschen und Tiere sollen Trauertücher tragen…

Trauertücher trug man, wenn man bitterlich zu Gott emporweinte, wenn man sich seiner Sünden bewusst war und die Barmherzigkeit Gottes anrief. Der König rief alle zur Buße auf – inklusive der Tiere.

(Tiere sollen Buße tun? Was..? Ein ziemlich skurriles Detail, um es einmal vorsichtig auszudrücken – und einer der vielen Hinweise dafür, dass es dem Autor um einen größeren Punkt in der Geschichte geht. Aber wir kommen dazu..)

(Ein weiterer Punkt zu diesem Punkt: Wenn man die Bibel liest, sollte man die besonders merkwürdigen Verse dick markieren! Tiere, die Trauertücher tragen sind merkwürdig! Solche Textstellen muss man unbedingt wahrnehmen, weil sie normalerweise aus einem bestimmten Grund da stehen.)

Wir ordnen unser Leben normalerweise in zwei Kategorien ein: Da gibt es die guten Menschen und die Achse des Bösen, man kann das Richtige tun oder das Falsche und es gibt Leute, denen man helfen muss und solche, die helfen.

Aber in dieser Geschichte werden alle diese Schubladen durcheinandergeworfen. Der vermeintlich gerechte Israelit ist trotzig und faul und verhält sich wie ein kleines Kind, während die vermeintlich bösen und gottlosen Heiden empfänglich und offen für die Botschaft Gottes sind.

Und dann, am Ende, nachdem Jona sieht, wie sich die Niniviten verändert haben und er die Möglichkeit hatte, von seiner Bitterkeit abzulassen, ist er so deprimiert, dass er sterben will. Er sagt zu Gott:

Ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und groß an Güte3, und einer, der sich das Unheil gereuen lässt.

Und fügt dann hinzu:

Nun, Herr, nimm meine Seele von mir! Es ist besser, dass ich sterbe, als dass ich lebe.

Was für eine merkwürdige Geschichte.

Eine Geschichte, in der keiner der Charaktere das tut, was man von ihm erwartet. Das wirft die Fragen auf

Warum hat diese Geschichte überlebt?

Warum fanden die Menschen diese Geschichte wichtig und erzählenswert?

Was sagt uns diese Geschichte darüber, wie sie sich selbst sahen und welches Gottesbild sie vertraten?

Mehrere Antworten.

Zunächst einmal: Natürlich handelt diese Geschichte von einem Mann, aber in Wirklichkeit geht es um eine Nation. Jona will nicht nach Ninive, weil die Assyrer die Israeliten über Jahre hinweg misshandelt haben. Die Geschichte wirft die Frage auf

Kann Jona den Assyrern vergeben?

Aber in Wirklichkeit lautet die Frage

Kann Israel den Assyrern vergeben?

Jona ist, am Schluss der Geschichte, wütend. Wütend, dass Gott zu den Assyrern so nett war, statt die Stadt dem Erdboden gleichzumachen.

Und natürlich kennen wir dieses Gefühl auch: An vielen Stellen unseres Lebens werden wir selbst eine Menge Wut und Rachedurst mit uns rumschleppen. Erst recht, wenn das Objekt unserer Wut auch noch Segen und Glück erfährt. (Wer wünscht sich nicht, dass die besch….*$% Berater von Robert Lewandowski in München genauso viel Ärger und Stunk machen, wie in Dortmund? Das wäre doch die gerechte Strafe für diesen fiesen Verein! Ja! Ich bin voll des Rachedurstes…)

Und das führt uns zu einem großen Thema der Bibel: Der Geschichte zufolge, die sich bis zu Jona zugetragen hat, sahen die Israeliten ihre Bestimmung darin (Genesis 12, um genau zu sein), ein Licht für die Welt zu sein. Der Welt Gottes Liebe näherzubringen.

Eine Bestimmung, die sie nicht gelebt haben.

Die Frage, die in der Jona-Erzählung versteckt liegt, lautet also:

Kannst du deinem schlimmsten Feind vergeben und kannst du Gottes Liebe so leben, dass er durch dich wirken kann?

Das ist eine Frage an Jona weil es eine Frage für Israel ist.

Und aus diesem Grund endet das Buch auch nicht mit einem Abschluss oder mit einem Urteil oder dem, was Jona als nächstes tat.

Das Buch endet (!) mit einer Frage. Einer Frage von Gott an Jona:

Sollte ich nicht betrübt sein wegen der großen Stadt Ninive?

Eine Frage an den Jona-Charakter der Geschichte – aber eine noch deutlichere Frage an die Zuhörer. Zuhörer, von denen wir annehmen können, dass sie viele, sehr viele persönliche Gründe haben, mit

Nein!

zu antworten.

Okay.

Was ist also mit dem Teil über den Fisch?

Nächstes Mal.

Dank geht an Rob Bell.

Ein Gedanke zu „#3: Fisch“

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