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Lehrerblogs sind tot. Nein. Doch. Nein! (Diskussionsbeitrag)

Herr Larbig schreibt einen ausführlichen (und lesenswerten) Artikel darüber, dass Lehrerblogs letztlich belanglos, weil unbekannt sind. Bei 800.000 Lehrern in Deutschland gibt es etwa 100 aktive Lehrerblogs. Fragt man im Kollegium, ob irgendwer irgendwelche Lehrerblogs kennt, erntet man nur Achselzucken.

Das Lehrerblog, laut Larbig, ist nicht nur tot – es hat auch nie gelebt.
Das ist ein bisschen ein trauriges Urteil über mein Seite und es schmeckt zunächst bitter. Nicht nur Herr Larbig, auch andere propagieren ein Abwandern der Diskussion und der Inhalte auf soziale Netzwerke. Kürzere Inhalte, größere Bereitschaft des Kommentierens.

Ich halte dies für einen Trugschluss.

Hinter der Anklage, die Blogs seien tot – weil irrelevant – steckt eigentlich die Frage nach der Zahl der Leser.

Dazu ein Beispiel. Und dann noch eins.

Die Facebook-Seite meiner Schule hat etwa so viele ‘Fans’, wie ich dort ‘Freunde’ habe.
Zum großen Teil also aktive oder ehemalige Schüler, eine Handvoll Lehrer und zwei Hände voll Eltern.
Als Administrator der Seite habe ich die Möglichkeit, zu sehen, von wie vielen unserer Fans bestimmte Beiträge gelesen worden sind. Als mein Freund Nils neulich mit flüssigem Stickstoff vorbeikam haben das etwa 1300 Leute betrachtet.

Nicht viel.

Aber vielleicht genau die Leute, die es interessiert.
Ich glaube, dass nicht nur mit der Verlagerung etwaiger Inhalte in soziale Netzwerke niemandem geholfen ist, sondern überdies, dass grundsätzlich kein Interesse an diesen Inhalten über das hier dargestellte Maß hinausgeht.

Larbig schreibt:

Ich lese Blogs, weil ich auf den von mir gelesenen Blogs für mich spannende Inhalte finde, die in der Regel von für mich spannenden Persönlichkeiten stammen, von denen einige dann auch noch Lehrer oder Lehrerin sind.

Nun – wie groß kann das Interesse denn  werden?
Die Zahl der Seitenaufrufe auf dieser imageHomepage schwanken zwischen 1100 und 1500 pro Tag. Das ist – real betrachtet – eine unvorstellbar große Zahl von Menschen, die sich hierher verirren. Aber ich bezweifle, dass ich diese Zahl jemals signifikant steigern werde – einfach weil es kein größeres Interesse für die publizierten Inhalte, geschweige denn für mich hier gibt.

Dabei ist es egal, ob ich auf Twitter oder Facebook oder Instagram schreibe – die Zahl der Interessenten wird sich (wie bei einem Briefmarkensammelverein) nicht wirklich erhöhen. (Ich betreue die Homepage eines kleinen Heimatvereins – bis zum heutigen Tag haben sich gerade 57 Besucher auf die Seite verirrt. Und viel mehr werden es auch nie.) Schulentwicklung, neue Methoden, Probleme der Inklusion – all das sind Dinge, die in Wirklichkeit kaum jemanden soweit interessieren, dass er dafür im Internet nach Seiten googeln würde.

Herr Larbig schreibt dann:

Die Fortentwicklung des „Lehrerblogs“ ist der „vernetzte Lehrer“, in dessen Netzwerk das Blog ein Baustein unter vielen sein kann, der aber nicht unbedingt ein solches führen muss. Solche „vernetzten Lehrer“ sind regional, überregional und gegebenenfalls sogar überkontinental vernetzt.

Letzte Woche erhielt ich die Anfrage eines Studienkollegs, bei einem Fortbildungs-Seminar einen Workshop zu gestalten. Aufmerksam wurden die Organisatoren auf mich durch die teilnehmenden Lehrer. Diese haben auf meinem Blog u.a. von meinem OneNote-Projekt gelesen und wollen dazu mehr erfahren.

Ein Blog ist die – wie mir scheint – sinnvollste Variante, Ideen dauerhaft zu publizieren.

Also.

Blogs sind m.E. weder tot noch nicht tot – sondern in ihrer jeweiligen Sparte relevant und genauso von Bedeutung, wie die Kolumne vom Kaiser in der SportBild: Nett zu lesen und hin und wieder interessant für Fußballfans – und dabei völlig irrelevant für alle anderen.
Dass nun 799.000 Lehrer meinen Blog nicht kennen spielt da eigentlich keine Rolle. Wer sucht, der wird mich finden.

Und euch.

27 Gedanken zu „Lehrerblogs sind tot. Nein. Doch. Nein! (Diskussionsbeitrag)“

  1. Ich finde deinen Blog super!
    Hab mir schon oft Ideen geklaut bzw. Anregungen geholt.
    Deine Ausdrucksweise und die Themenauswahl – echt gelungen!
    Bitte mach noch lange weiter!

  2. Wer dich gefunden hat, bleibt dir auch treu (gilt zumindest für mein Umfeld)! Das ist viel Wert!
    Du lieferst tolle Ideen und Beiträge, die ich nicht missen möchte!

    Anmerken möchte ich nur, dass bevor ich deine Seite auf Facebook gefunden habe, ich manchmal nicht regelmäßig geguckt habe und viele Beiträge verpasst habe – dies ist seit dem,durch eine „Erinnerung bzw Benachrichtigung“, nun seltener und positiv zu bemerken! (Die App lieferte das auch, hatte aber auf Android ständig Darstellungsfehler -> nicht mehr genutzt)

    LG, Andreas (Lehramtstudent)

  3. Also auch wenn ich nicht wirklich zu deiner Zielgruppe gehöre mit meinen 24 Jahren, kinderlos und auch keine verwandten im Schulämter so finde ich den Blog doch sehr interessant zu lesen. Den Schulalltag welchem ich damals als ätzend empfand aus einer andern Perspektive zu sehen. Ich bin vor einiger Zeit durch die CT auf den Blog aufmerksam geworden und lese seit dem regelmäßig mit. Bitte mach weiter 🙂

  4. Dein Blog ist klasse und macht mir als Mutter dreier Schüler immer wieder Hoffnung, dass es doch noch Lehrer gibt, die ihren Beruf als Berufung sehen und neben der unglaublich anstrengenden Arbeit auch Spaß daran haben.
    Wenn etwas tödlich ist, dann sind es Menschen wie Herr Larbig.
    Weiter so lieber Jan-Martin
    Sonnige Grüße
    Suse

  5. Lieber Herr Klinge,

    auch ich lese „nur so“ – dafür aber regelmäßig – Ihren Blog. Ich bin kein Lehrer, habe aber zwei Kinder (davon eins noch im schulpflichtigen Alter), war über Jahre sehr engagiertes Elternteil an der Grundschule meiner Kinder. Leider fehlten bei uns so engagierte Lehrkräfte wie Sie.

    Wenn ich mich mal wieder so richtig über die Schule meines Sohnes (ein Gymnasium in Berlin) geärgert habe, lese ich mit Freude Ihren Blog (auch die älteren Einträge – z.T. immer wieder). Und glaube wieder daran, dass der Lehrer-Beruf Berufung ist. Dieser sind Sie ganz offenbar gefolgt.

    So kann ich zumindest konstatieren: Der Lehrer-Blog ist NICHT tot – und wird hoffentlich auch noch lange leben!

    Ihnen alles erdenklich Gute und bitte, bitte: schreiben Sie weiter!

    Es grüßt Sie herzlich
    Dirk aus Berlin

  6. Da hat der Herr Klinge etwas ganz wichtiges angemerkt: Jede Art von Publikation ist immer nur für die Menschen relevant, die durch Lebenssituation, Hobbys, Interessen und dergleichen eine Art von Identifikation aufbauen. Und das ist auch gut so. Lehrer schreiben Blogs für Lehrer, Eltern und Schüler – nicht für NBA-Fans, Cosplayer und Brustvergrößerungsinteressierte. Eingeschränkte Zielgruppe heißt immer eingeschränkte Besucherzahlen. Und ich für meinen Teil lese hier ganz gerne, weil ich es eben tatsächlich ein Lehrerblog ist und kein Boudelvardblättchen, kein Gassenhauer und keine Seite für Cosplayer oder Golfspieler. Der Lehrerblog erfüllt seinen Zweck, wenn die Zielgruppe erreicht wird – nicht mehr und nicht weniger. Meine eigene Seite ist für eine noch kleinere Zielgruppe gedacht: Leute, die in meinem Unterricht sitzen oder sich für dessen Inhalte interessieren, dürfen da stöbern. Ich präzisiere: Ich unterrichte in einer nicht-staatlichen Einrichtung für Jugendliche und Erwachsene sogenannte Orchideenfächer in Abendkursen und Einzelveranstaltungen, und das auch noch in einer Stadt mit nur knapp 100.000 Einwohnern. Meine Besucherzahlen liegen während laufender Kurse bei durchschnittlich zwanzig am Tag (Hausaufgaben abholen, zusätzliche Übungen angucken, Links abgreifen, wichtige Nachrichten lesen), in den Semesterferien bei zehn im Monat. Völlig okay, denn die Leute, die es etwas angeht, erreiche ich. Blog zweckentfremdet? Ich denke nicht, denn das, was der Blog leistet, kriegen alle Lernplattformen online und offline nicht hin. Perfekt. Tot? Na, hin und wieder. Über Weihnachten beispielsweise. Als gute Christin glaube ich an die Wiederauferstehung, die in diesem Fall nichts mit Ostern, sondern mit dem jeweiligen Kursbeginn zu tun hat. 🙂

    Also, Herr Klinge und Kollegen: Weiter so! Das ist schon ganz ordentlich, was hier geleistet wird.

  7. Seitenaufrufe „Views“ sagen nichts über die tatsächliche Anzahl an Besuchern, sondern nur etwas über die Anzahl der abgerufenen Seiten. Wenn dich also ein Bot von einer Suchmaschine besucht, bekommst allein dadurch einen satten Peak.
    Interessant sind die „unique visits“, weil die zumindest anhand der aufzurufenden IP ziemlich genau die Anzahl der Besucher wiedergeben.

    Ansonsten würde ich Torstens Aussagen noch dahingehend toppen, dass die gesamte vernetzte Lehrercommunity in Deutschland belanglos ist – wenn man auf die nackten Zahlen schaut. Wenn man das will …

    1. Das stimmt natürlich.
      Intern kann ich die „unique visits“ betrachten, die natürlich geringer ausfallen, aber mit dem RSS-Abonnenten und der App komme ich wieder auf die gleiche (am Ende bedeutungslose) Zahl. Ich wollte auch keine detaillierte Rechnung aufstellen, sondern brauchte einfach irgendwelche Zahlen um zu sagen: „Ja, bedeutungslos. Na und?!“

  8. Frau Henner frauhenner.blogspot.com

    Ach ja, Belanglosigkeiten… Glaubt hier einer tatsächlich, Lehrerblogs würden die Welt verändern? Fühle ich mich wichtiger, weil meinen Seite täglich angeblich fünfzig, zweihundert oder eintausend Leute besuchen? Wann ist man denn raus aus der Belanglosigkeit?

    Auf deinen Blog, Jan-Martin, bin ich durch eine Zeitschrift gestoßen und seit her bereichert er meinen Alltag. Nach und nach kamen ein paar andere Blogs hinzu. Mal lese ich, um mich zu amüsieren, mal, um mich zu trösten, mal um neue Ideen zu bekommen, mal, um zu erfahren, wie anderswo in Deutschland unterrichtet wird. Mehr erwarte ich gar nicht. Aber genau damit erfüllen die Blogs doch ihren Zweck.
    Mein eigener Blog hat zwar steigende Besucherzahlen, ist aber noch nicht auf deinem Niveau. Bin ich deswegen belanglos? Nö, für meine Umwelt nicht. In der realen Welt. Belanglos für Deutschland – jau! Belanglos im Netz – höchstwahrscheinlich.
    Und trotzdem fühle ich mich glücklich. Oder vielleicht auch deswegen?
    viele Grüße aus der Provinz von Frau Henner

    1. Ich stimme dir absolut zu. 🙂
      Ich hatte meine Zahlen auch mehr als plakatives Beispiel genannt – verglichen mit anderen Lehrer-Blogs (Fr. Freitag etc.) sind die immer noch winzig und bedeutungslos.

      Ich würde auch schreiben, wenn es niemand läse – einfach weil es mir Spaß macht zu schreiben.

  9. Hallo Herr Klinge,
    ich mache dieses Jahr Abitur und lese Ihren Blog seit etwa 1,5 Jahren. Ich bin damals darauf gestoßen, als ich mich über das Lehramtsstudium Mathe informieren wollte und weiß noch, dass es der erste Lehrerblog war, den ich gelesen habe. Danach sind aber noch weitere gefolgt.
    Meiner Meinung nach ist das „Problem“ nicht die Unbekanntheit von Lehrerblogs, sondern dass viele mit Blogs allgemein nicht viel anfangen können, bzw. sich nicht mit dem Thema Blog außeinander setzen. Damit beziehe ich mich auf alle Arten von „privaten“ Blogs, also Beautyblogs, Modeblogs, Kochbogs und was es noch alles gibt.
    Viele meiner Freunde haben zwar schon von Blogs gehört, aber kaum jemand hat einen Blog abboniert oder liest ihn regelmäßig.
    Bei mir ist es so, dass das Lesen von Blogs seit ca. 3 Jahren fest zu meinem Internetbesuch gehört und ich freue mich immer, wenn neue Beiträge veröffentlicht haben. Ich hab gerade nachgeshenen, momentan befinden sich 34 Blogs in meiner Leseliste, die mehr oder weniger regelmäßig Beiträge veröffenltichen und von diesen hab ich die wenigsten bewusst im Internet gesucht oder die URL eingegeben. In der Blogwelt läuft meiner Meinung nach viel über „Mund-zu-Mund-Propaganda“: Wenn einem ein Blig gefällt, scrollt man über die Seite und klickt dann auf den ein oder anderen Blog, der in der Sidebar verlinkt ist und so sammelt sich dann einer nach dem anderen an.
    Was ich damit sagen möchte: Wer Blogs liest, der stoßt vermutlich auch früher oder später beim stöbern auf einen Lehrerblog und ich wage mal zu behaupten, dass kaum jemand nur einen einzigen Blog regelmäßig liest. Das Problem ist, dass es zu wenige Menschen gibt, die überhaupt Blogs aktiv lesen und kommentieren.
    Der Kommentar ist jetzt leider etwas länger geworden, als ich wollte, aber ich konnte es nicht kürzer zusammenfassen…
    Liebe Grüße, Annka

  10. Zum Thema „belanglos?“: Das ist keine Frage der (großen) Zahlen. Am Sonntag haben 10 Millionen einen Tatort gesehen. Das sind irgendwie ziemlich viele. Was nichts an seiner Belanglosigkeit ändert. Umgekehrt ist eine gute Idee, die fünf bis zehn Leute lesen und in ihre Gedanken integrieren, ein Potenzial das sich multipliziert hat. Worum es also geht ist, inspirierende Gedanken zu teilen (und auffindbar zu machen). Ein schöner „Beleg“: http://www.ted.com/talks/drew_dudley_everyday_leadership

      1. Frau Henner frauhenner.blogspot.com

        Habe ich gleich getan – und bin nur durch den Blog darauf gestoßen 😉 – haben wir nicht einen schönen Beruf, dass wir von berufswegen Lollipop-Momente schaffen dürfen?

  11. Mag jetzt altmodisch klingen, aber für mich ist ein Blog eine Art internet-basiertes Buch, in dem ich gerne stöbere, nachlese oder mich einfach an der Tatsache erfreuen, dass es mir in manchen der z.B. in diesem Blog geschilderten Situationen nicht alleine so ergangen ist.
    Twitter und facebook sind an dieser Stelle sehr viel schnelllebiger. und die Nachrichten dort werden durch das ständige Angebot von neuen Posts für mich eher in die Abteilung „belanglos“ verfrachtet. Vieles ist schnell geschrieben und verschwindet genauso schnell wieder in der Versenkung. Kann man besonders schön in einer Medienpädagogikgruppe sehen, in der regelmäßig sehr ähnliche Fragen auftauchen, aber sich anscheinend niemand die Mühe macht nach äteren Beiträgen zu suchen… – nachhaltiges Schreiben und nachhaltiger Informationsaustausch sieht für mich da anders aus.
    Man kann die Bau-Erfahrungen mit den Mikroskopen weder in einen kurzen Post noch in eine 140-Zeichen-Nachricht pressen. Aber man kann es ggf. schaffen, sie über diese weiteren Kommunikationswege an noch mehr Leute zu verteilen.

  12. Pingback: Übersichten! | abcund123

  13. Teilweise nutze ich einen Blog auch um mein eigenes Wissen zu organisieren und gar nicht, damit viele andere das lesen können. Das ist halt ein Bonus.

    Will also auch noch mal dem Halbtagsblog den Bauch streicheln – ich lese hier sehr gerne und finde es inspirierend. Ansonsten hätte ich dich ja auch gar nicht vorschlagen können für den Workshop des Studienkollegs >=).

  14. Pingback: Politik & Ukraine & Blogs & Pressefreiheit & … - ...ein Halbtagsblog...

  15. Sehe ich genau wie du und kann man so auf wirklich jedes „Thema“ übertragen.

    Egal welchen Kanal ich wähle, für Fußball wird es immer mehr Interessierte, Anhänger, Follower (oder wie auch immer man sie nennen möchte) geben als für Ultimate Frisbee oder Synchronschwimmen, was diese Sportarten und entsprechende Blogs, Webseiten oder Facebook Fanpages aber nicht zu irrelevanten oder unwichtigen Web-Inhalten macht. Und wenn man sich doch mal mit einem Thema intensiv beschäftigen möchte, dann ist man dankbar für eben jene Webseiten (z.B. deinen Blog), die einen Einblick geben.

    Und bei allen Vorteilen, die Facebook vielleicht hat, ein „eigener“ Blog hat halt seinen eigenen „Charme“.

    In diesem Sinne: „Weiter so!“

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