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Väter müssen antreiben. Oder?

Screenshot_2013-11-24-16-29-56_1Jeden morgen, wenn ich unter der Dusche stehe, schleicht sich meine Tochter nach unten und deckt den Tisch. Oft versteckt sie sich dann unten und ich tue so, als wäre sie nachts abgehauen und ich suchte sie verzweifelt. Zuweilen schimpfe ich auch lautstark über mein faules Kind, dass sich nicht wecken lässt und gar nicht reagiert und bin dann ganz überrascht, wenn sie fertig angezogen in der Küche steht. Manchmal legt sie sich auch wieder ins Bett und erklärt mit großen Augen “Papa, ich wollte den Tisch decken, aber irgend jemand Geheimnisvolles hat das schon gemacht!”

Wir zwei haben diese Bindung zueinander, wie man sie hin und wieder in Büchern liest Filmen sieht. Ein Geschenk.

Im November letzten Jahres wurden Die Olchis in einem Puppentheater in Siegen aufgeführt. Ich dachte, dass sei eine großartige Überraschung für meine Tochter und malte mir insgeheim aus, wie es wohl wäre, Carolina mit verbundenen Augen ins Theater zu bringen. Als ich ihr erzählte, wir hätten einen Ausflug vor, aber ich würde nicht verraten, wohin es ginge, entgegnete sie sofort: “Wow! Und verbindet ihr mir dann die Augen, damit ich nicht weiß, wohin es geht?”

Es ist wunderbar.

Später dann war Elternsprechtag. Und neben allem Guten war ihre Lehrerin gegenüber meiner Frau sehr besorgt. Vor der letzten Mathematikarbeit sei Carolina zu ihr gekommen und hätte gesagt, sie bräuchte unbedingt eine gute Note, damit ihre Papa stolz auf sie sei. Und überhaupt, ihr Papa hätte ihr gesagt, sie solle endlich vom 1m-Brett springen, aber sie traue sich nicht. Ein Beispiel reiht sich an das nächste.

Bei der Lehrerin gingen sogleich die Alarmglocken an. Innerlich hat sie sich vielleicht schon ausgemalt, wie ich mein Kind leistungsorientiert erziehe und liebe.

Und also sprach der HERR, der dich erschaffen hat: Wenn du mit einer Zensur, schlechter als 2 nach Hause kommst, wirst du deine Stube nimmermehr verlassen, als bist du ordentliche Leistungen bringst und du wirst keine Spur der Liebe erhalten von deinem HERRN.

Tatsächlich will ich gar nicht verhehlen, dass die Leistung in der Schule bei uns einen hohen Stellenwert genießt. Aber sollte das nicht so sein? Frau Henner warf in ihrem Blog zuletzt immer wieder die Frage auf, wie viel wir Eltern die Kinder zu ihrem Glück zwingen sollen. Müssen wir Väter nicht auch ein bisschen Antreiber sein? Herausforderer?

Ich bin da sehr um Ausgleich bemüht: Zwar ist Samstags unser “Lesetag” in der Familie, an dem geschrieben und gelesen werden muss – dafür ist aber jeder Freitag auch “Kinotag” mit Popcorn und Film und so. Vieles an “Leistung” versuche ich spielerisch oder in Form von Ritualen zu vermitteln.

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15 Gedanken zu „Väter müssen antreiben. Oder?“

  1. klares JA! Ich finde, Eltern dürfen und sollen ihre Kinder antreiben und das Kind ermutigen, auch Neues auszuprobieren.

    Das „wie“ ist ja die Frage – und dann ist ja auch die Frage, wie die Lehrerin den Satz „eine gute Note, damit ihre Papa stolz auf sie sei“ aufgefasst und interpretiert hat. Vielleicht liegt es an ihrer Geschichte, dass sie den Satz so negativ aufgefasst hat. Jedes Feedback ist schließlich auch eine Selbstaussage…

  2. Solange deine Tochter „nur“ von dir und deinem/eurem Ehrgeiz erzählt und keine Zeichen von Druck oder Überforderung zeigt, würde ich mir keinen Stress machen und versuchen, die Äußerungen der Lehrerin unter „interessiert sich für mein Kind“ verbuchen. Klar nagt es wohl an einem, wenn man das Gefühl hat unter „Eislaufmutti“ einsortiert zu werden, aber wenn sie klug genug ist, wird die Lehrerin ihr Urteil nach einiger Zeit wieder korrigieren. Ich persönlich finde es toll, dass du (auch noch als Prominenz) auch so persönliche Dinge postest.

  3. Lieber Jan-Martin,

    Ich wünschte mir als Lehrer (Hauptschule in Luxemburg) dass mehr Eltern sich so für ihre Kinder interessieren würden und die Kinder herausfordern würden. Natürlich sollte man es nicht übertreiben, aber ich denke mal, dass man mit gesundem Menschenverstand da wohl sehr weit kommt.

    Ich sage weiter so!

  4. Vielleicht begehst du wirklich einen Fehler. Natürlich nicht in der Form, wie die Lehrerin deiner Tochter meint, aber einen anderen.

    Überleg mal:
    Du sagst zu deiner Tochter, dass es dir wichtig sei, dass sie gute Noten schreibt. Bei deiner Tochter bleibt, weil sie dich liebt, hängen: Ich muss gute Noten schreiben, dann mache ich Papa eine Freude. Sie wird also in Zukunft alles daran setzen, dass sie gute Noten schreibt.
    Aber die Noten selbst sind dir als Lehrer doch relativ egal. Du weißt schließlich, dass jedes halbwegs pfiffige Kind, das sich mit dem Stoff beschäftigt, Hausaufgaben macht und lernt, problemlos 2 oder besser steht.
    Eigentlich möchtest du doch, dass deine Tochter lernt, dass es Spaß macht, sich mit einer Sache zu beschäftigen, dass sie merkt, wie man durch Üben besser wird, dass Fehler zu machen zwingend notwendig ist, dass sie nicht aufgeben darf, dass sie Verantwortung für sich übernehmen muss, …
    Der Rest kommt dann von selber.

    Wenn es also der Weg ist, der wichtig ist, sollte es auch der Weg sein, den man positiv verstärken sollte: nicht die Note (oder noch viel schlimmer: ihre Klugheit) loben sondern die Tatsache, dass sie sich voll reingekniet, gelernt und sich vorbereitet hat.
    -> „growth mindset“ ist das Stichwort

    1. Ich ahne, worauf du hinaus willst.
      Ich stimme dem Ansatz aber nur bedingt zu – denn das Ergebnis gerät dabei leicht aus dem Fokus: Wichtig ist nunmal, was hinten raus kommt. Ob ich mich nun zwei Minuten hinsetze (weil ich besonders begabt bin) oder zwei Stunden (weil es mir schwer fällt): Am Ende zählt das Ergebnis und man muss auch lernen, sich entsprechend einzusetzen.
      (das klingt jetzt drakonischer, als es in Wirklichkeit ist)

      1. Ja, am Ende zählt das Ergebnis.
        Aber das ist niemals die Note sondern eine glückliche und zufriedene Tochter. Ob sie das mit dem Job erreicht, den sie mit einer 1,0 haben kann wage ich dringend zu bezweifeln.
        Ich halte zumindest eine 2,5 und eine erfüllte Jugend für unendlich sinnvoller.

  5. Wie Dinge vermittelt werden, scheint mir ausschlaggebend. Ein Kind sollte nicht das Gefühl haben, dass es nur wegen einer Leistung geliebt wird, aber wenn es merkt, dass Eltern auf eine vollbrachte Leistung stolz sind, zeigt das dem Kind auch das Interesse, das die anderen ihm entgegenbringen. Und das kann anspornen. Nicht nur der Leistung wegen.
    Bei Dingen, die Lucy schwer fallen (Mathe) lobe ich schon das Bemühen, aber bei Dingen, die Lucy leicht fallen (der Rest) lobe ich ein Ergebnis nur, wenn sie tatsächlich eine Leistung erbracht hat. Inzwischen kann Lucy ihre eigene Leistung und die anderer Kinder recht gut einschätzen und findet es selbst albern, wenn die Mutter einer Freundin alles, was da Kind tut, mit „Super!“ kommentiert. Die Freundin hingegen hält sich immer noch für den Nabel der Welt, obwohl sie inzwischen zehn Jahre alt ist. Das wird ein hartes Erwachen.

  6. Es gibt einen uralten Grundsatz darüber, wie mit anderen Menschen umzugehen ist. Es ist völlig egal ob es sich um einen Nachbarn, den Partner oder das eigene Kind handelt: Behandle alle Menschen so, wie du auch behandelt werden willst.

    Diesen Gedanken, in verschiedenen Formulierungen, findet man überall auf der Welt. Und natürlich gibt es klare Lücken in dieser Argumentation. Aber als Basis ist das gar nicht übel. Wenn du dein eigener Vater wärst, fändest du gut wie du dich erziehst?

    Ich meine das nicht wertend. Man vergisst seine Eltern nicht – niemals. Du musst nicht dem Internet oder irgendwelchen Lehrern erklären wie und warum du deine Tochter erziehst, sondern deiner Tochter. Und wenn du das kannst, ohne beschämt weg zu schauen oder dich schlecht zu fühlen, dann gibt es keine grund dich schlecht zu fühlen.

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