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Lehrer-Evaluation

Heute abend stellte das ZDF in einer Dokumentation die Frage „Wie gut sind unsere Lehrer?„.

Über die Qualität solcher Dokumentationen kann man immer streiten. Ebenso darüber, ob man sich als Lehrer einen Gefallen tut, wenn man sich im Alltag filmen lässt. Eine 40-minütige Dokumentation kann einem einzigen Thema nicht gerecht werden – und das ZDF hat von Inklusion über Abitur bis zu Evaluation jedem Thema gefühlte 5 Minuten gewidmet.

Schwierig.

Einen Aspekt möchte ich gerne aufgreifen, weil er mich persönlich nervt: Evaluation.

Etwas spitz stellt der Sprecher die Frage in den Raum, ob Lehrer überhaupt jemals Rückmeldung über ihre Arbeit erhalten nur um gleich darauf klarzustellen: Nein. Nie.
Es fallen dann Begriffe wie „Einzelkämpfer“ und „Evaluation“ und sofort herrscht beim Zuschauer (und Twitter-Kommentator) Empörung, dass wir Lehrer uns gar nicht mehr rechtfertigen müssen.

Ein paar lose Gedanken dazu. Und danach ein paar persönliche.

Während des Referendariats wird man etwa ein Dutzend Mal von externen Prüfern evaluiert. In der Praxis sieht das so aus, dass diese Show-Stunden intensiv vorbereitet werden.
Es wird aber oft gezeigt, was der Prüfer sehen will und nicht, was man selbst für richtig hält. Das lässt sich beliebig wiederholen: Wenn der Chef kommt, zieht man die Krawatte an und benimmt sich. Egal in welchem Beruf.

Dazu kommt: Ein fremder Prüfer kennt die Kinder nicht – er weiß nicht, warum ich dem (Klassenclown) Jan-Heinrich pädagogisch in den Hintern trete aber die (ihrer toten Uroma nachtrauenden) Violetta heute mal still in der Ecke sitzen lasse.

Dazu kommt, dass alle paar Jahre die nächste methodische Sau durchs Dorf getrieben wird. Eine zeitlang war es Partnerarbeit. Dann Gruppenarbeit. Dann Lernzirkel. Der Prüfer hat womöglich nichts für meine übrig und bewertet meinen Unterricht (= mich!) durch seine persönliche Brille. Man vergleiche einmal (nur methodisch) Examensstunden von vor dreißig Jahren und heute.

„Der Prüfer muss unangemeldet kommen“ wird sofort jemand rufen. Man muss sich nur selbst fragen, wie man „Überraschungsbesuche des Chefs“ bei sich finden würde. Eine solche „wir suchen so lange, bis wir (schlechte?) Stunden attestieren können“-Aktion vergiftet jedes Arbeitsklima.

Ich persönlich genieße es, mich nicht ständig rechtfertigen zu müssen. Ich darf auch ausprobieren und spielen und Bären vom Dach werfen und Papierbrücken bauen und Mathe-Theater spielen.
Meine Motivation, mich zu verbessern, kommt aus mir selbst: Beschissene Stunden sind anstrengend und ätzend. Gute Stunden machen Spaß, es wird viel gelacht und gerne gelernt.

Dazu brauche ich niemanden, der hinten mit hochgezogener Augenbraue sitzt und in einem Formular ausfüllt, was ich an welcher Stelle getan habe.

 

8 Gedanken zu „Lehrer-Evaluation“

  1. Aber du bist mit deinen „schlechten Stunden“ hinterher weitgehend allein. Du bist mit den Dingen, die von außen durch das System auf die einregnen allein.

    Evaluation zielt auf vergleichbare Messungen ab und ist natürlich vollkommen wertlos, wenn weitere Phasen von Entwicklungsprozessen dann der Schule zugeschoben werden – der Dienstherr hat bewerten lassen, nun mach‘ mal, Schule! Mit dieser Brille und mit dieser Erfahrung sehen wir Lehrer die Evaluation.

    Im Praktikum sagte mir ein alter Lehrer: „Ich weiß jetzt nicht von diesem fachlichen Kram und ob das im Seminar jetzt eine gute Stunde geworden wäre, aber Maik, die Atmosphäre, die stimmt!“

    Ich vermisse den in fast jedem anderen pädagogische Kontext obligatorischen Supervisor im System Schule. Und wann der kommt, ist recht egal – diese Leute „sehen“ die Atmosphäre.

    Du hast deinen Glauben, deine Familie, dein Selbstwertgefühl. Du hältst dem Stand, weil du dir das Positive an deinem Beruf immer wieder suchen kannst, und weil du von sehr viel Sinn umgeben bist.

    Diese Persönlichkeitsstruktur ist ein Segen und ein Geschenk und keine Selbstverständlichkeit. Wer diese Stärke nicht hat, sucht sich Überlebensstrategien. Die sind in ihren Auswirkungen manchmal suboptimal. Wenn das in diesem Kontext mehr gesehen würde … Das Fachliche kann man lernen.

    1. Gute Lehrer dürfen auch mal schlechte Stunden halten und wenn es ein guter Chef ist, merkt er, wann etwas nur Schow ist, wann gute pädagogische Routine – jemand von außen kann schnell geblendet werden, auch weil sich Kinder anders verhalten, wenn jemand hinten drin sitzt. ABER natürlich brauchen auch wir eine Feedbackkultur – so wenig ich das Wort mag. Denn es gibt auch die schlechten Lehrer. Doch was nützt es, wenn der schlechte Lehrer das durch Evaluation bescheinigt bekommt und niemand ihm weiterhilft?! Er bleibt ja einfach so im System und wurschtelt weiter. Nach Evaluation schreien ist das eine, das ganze weiterführend zu durchdenken, das ist das andere!

      1. Und eben das „weiterführend durchdenken“ ist der Punkt, der mir fehlt.
        Als ähnlich sinnvoll empfinde ich die QA: Hunderte Arbeitsstunden werden Berichte getippt und Paper verfasst für eine Qualitätsanalyse, die letztlich keine Veränderung bringt. Vergeudete Zeit. Vergeudetes Geld.

  2. Mal eine kurze Zwischenfrage aus persönlichem Interesse und aktuellem Anlass: Was ist denn ein Mathe-Theater?? Ich suche gerade nach motivierenden, packenden Methoden, um mit meiner Fünfte in Mathe weiter zu kommen. Momentan sind die sehr demotiviert und launisch / faul. :/

      1. Vielen vielen Dank. Das werde ich mir morgen gleich mal genauer ansehen. Der erste Eindruck beim Überfliegen, ist sehr sehr positiv. 🙂 Glücklicherweise ist ja morgen Feiertag – da kann ich in Ruhe die nächste(n) (zwei) Wochen planen. 🙂

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