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Disziplinprobleme – Thesen und Rezepte aus dem Alltag

1. Erzählt mir nichts… je nach Schülerschaft kann es jeden treffen.

2. Die erste Minute in einer fremden Klasse ist entscheidend. Was man nicht tun soll: In die Masse reden und – weil einem keiner zuhört – seinen Namen an die Tafel schreiben.
Besser: Sich aufrecht vor die Klasse stellen und warten, bis einem alle zuhören und dann seinen Namen sagen. Was mich direkt zu Punkt 3 führt, der das oberste Gebot ist:

3. NIEMALS reden, wenn es in der Klasse laut ist bzw. wenn Schüler sprechen, auch wenn das bedeutet, dass ich u.U. lange warten muss oder immer wieder meinen Redefluss unterbrechen muss. Auch Schüler sollten an Wortbeiträgen gehindert werden, wenn die anderen nicht zuhören.

4. Wenn mir die Klasse nicht folgt, habe ich aus meiner Erfahrung zwei Möglichkeiten:
a) Sehr straffen Unterricht, der auf mich gerichtet ist, quasi Frontalunterricht, und die Schüler arbeiten lassen, bis denen die Köpfe, Hände und was weiß ich qualmen. Die Schüler dürfen keinen Freiraum haben zum Reden oder Unsinn machen. Es heißt Arbeit, Arbeit, Arbeit und null Freiraum.
b) Stationenarbeit, in der es einzig und allein darauf ankommt, was der Einzelne tut. Das bedeutet, dass die Schüler keine Möglichkeit bekommen zum Abschreiben oder Fuddeln.
In Extremform bedeutet das, dass jeder Schüler eine Stationenmappe hat, die beim Lehrer bleibt. In jeder Stunde werden die Arbeitsergebnisse eingesammelt und am Ende der Reihe bekommt der Schüler die Rückmeldung für seine Leistung durch eine Note.

4. Wenn Schüler vor mir keinen Respekt haben, nicht arbeiten und nicht auf mich hören, geht Gruppenarbeit gar nicht. GA funktioniert nur, wenn sich die Schüler an die Regeln und Anweisungen des Lehrers halten.

5. Je wichtiger das Fach und je mehr Stunden der Lehrer in der Klasse hat, desto ernster nehmen die Schüler den Lehrer.

6. Nebenstunden am Nachmittag sind immer schwierig, es sei denn man ist Dompteur und kein Lehrer.

7. Männer, die groß und breit sind, haben tendenziell weniger Probleme als zierliche, hübsche, junge Frauen. Ausnahmen bestätigen hier unbedingt die Regel.

8. Referendare haben tendenziell mehr Probleme mit der Disziplin als festangestellte Lehrer.

9. Wenn man die Namen der Kinder nicht kennt ist ohnehin alles verloren. Also: Sofort die Namen lernen – unbedingt!

10. Nur geplanter und gut strukturierter Unterricht funktioniert. Je schlechter meine Planung, desto schlechter folgen die Kinder. Das merkt man aber auch sofort.

11. Es schadet gar nichts Quatsch zu machen, wenn die Beziehung stimmt und alle eingesehen haben, dass ich der Leitwolf im meinem Unterricht bin.

 

18 Gedanken zu „Disziplinprobleme – Thesen und Rezepte aus dem Alltag“

  1. Deine Tips gefallen mir sehr gut! Ich habe fast alle schon oft eingesetzt / beherzigt und kann deine Meinung nur bestätigen.

    Ich würde noch hinzusetzen:
    12. Wenn 1 oder 2 Schüler permanent den Unterricht stören, hilft es auch mal wenn man eine grosse Show macht, und vollkommen übertrieben seinem Ärger Luft macht. Dazu muss man aber schon ein guter Schauspieler sein, die Schüler dürfen das nicht durchschauen. Danach hat man generell längere Zeit diszipliniertere Schüler. Das funktioniert deshalb aber auch nur ein paar Mal pro Jahrgang 😉

  2. und … finde ich gaaanz wichtig …
    Man sollte sich vorher überlegen, ob man eine Konsequenz, die man angesagt hat, auch wirklich durchziehen kann. Sonst ist man nicht glaubwürdig.
    LG Sächsin

  3. Ihr Armen,

    wenn ich lese, dass hier Disziplin, Leitwolf oder auch Angst oder Opfer steht, dann zeigt das m.E. ein viel grundlegenderes Problem. Eines, dass sich nicht mit 11 Grundregeln lösen lässt.
    Denn geht es wirklich darum, als Lehrer der Dompteur zu sein, Kindern keinen Freiraum zum Reden zu geben und nur Arbeit, Arbeit, Arbeit in den Vordergrund zu stellen?
    Ich finde: NEIN.

    Aus Wikipedia:
    Dompteur (entlehnt vom frz. dompter „zähmen“), auch Tierbändiger genannt, ist ein Beruf, der auf die Abrichtung von Tieren zum Zwecke der öffentlichen Schaustellung spezialisiert ist. Die Zurschaustellung ist dabei ein Teil des Berufes. Im Unterschied zu Dresseuren arbeiten Dompteure bevorzugt mit Raubtieren. Der Beruf gilt als gefährlich, da Größe, Wildheit und Unberechenbarkeit oft über die Auswahl der abzurichtenden Tiere entscheiden. Besonders Löwen, Tiger und Bären, aber auch Elefanten, werden traditionell mit dem Bild des Dompteurs verbunden.

    Wenn im späteren Leben (nach der Schule) jemand kein Respekt vor mir hat (der zweite Punkt 4), dann ist Autorität nur eine Möglichkeit, mir Respekt zu verschaffen und nicht die beste und nachhaltigste, da gibt es historische Beweise en masse.

    Bei allem Stress, allen schlechten Tagen, fiesen Klassen, Lehrer sein sollte nichts mit Abrichten zu tun haben, sondern mit Begeisterung (Hulk und Spiderman) oder auch mit „Glück, ein kleiner Teil des Lebens von jungen Menschen zu sein“.

    Das wünsche ich Euch.

    1. Verzeihung.. aber zunächst einmal geht es darum, 30 pubertierende Kinder, die 8 Stunden am Tag in einem kleinen Raum sitzen, davon abzuhalten, über sich herzufallen.
      Von außen kann man immer prima vom „Geist der Freiheit“ sprechen…

      1. Oups…da habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen…? Denn anders kann ich mir dieses reflexartige Totschlagargument „Du kannst da gar nicht mitreden, Du bist ja gar kein Lehrer“ nicht erklären…? Mir ist sehr an einer Diskussion gelegen, aber konstruktiv sollte sie schon sein.
        Als Schüler, Lehrer-Sohn, Lehrer-Ehemann, ehemaliger Vorstand einer Schule, Vater von vier schulpflichtigen Kindern bin ich vor allem eines: ein Teil dieser Gesellschaft.
        Ich vertraue meine Kinder den Lehrern an – allein das berechtigt mich auch zu kritischen Worten.
        Vielleicht ist nur die Innensicht auch ein eingeschränkter Blickwinkel? Zumal in anderen Teilen dieses Blogs auch andere, ermutigende Töne zu hören sind…

        1. Kein „wunder Punkt“, aber eine Sache der Erfahrung.
          Sowohl Frau Tellmann als auch ich würden hier ja nicht mit Klarnamen schreiben, wenn wir nicht unglaublichen Spaß am Beruf hätten und den haben wir u.a., weil im Unterricht grundsätzlich Disziplin herrscht. Ich bin ein großer Anhänger offener, freier Lernmethoden und ermutige meine Schüler immer wieder dazu, dass was ich sage und tue zu hinterfragen. Ich mache Exkursionen mit meinen Glasknochen-Zwillingen und veranstalte Mädchen-Jungs-Tage. Aber all diese Dinge funktionieren nur, weil bei mir Disziplin, Disziplin, Disziplin herrscht (soweit das bei einem chaotischen Haufen Siebtklässler möglich ist).
          Das diese Disziplin nichts mit Strafen und Angst zu tun hat, sondern durch Fachwissen, strukturierten Unterricht erzeugt wird etc. sollte aus diesem Artikel (und dem ganzen Blog) deutlich hervorgehen.
          Leider erlebt man es in der Schule immer wieder anders. Schüler haben nicht per se Lust auf Physik. Oder Religion in der 8. Stunde. Und da ist ein Leitfaden mal ganz hilfreich.

          Das Sie „Disziplin“ als etwas Schlechtes darstellen, ist ein Ausspruch, den kein Lehrer je tätigen würde. Und besonders kein guter Lehrer.

          1. sehr wahr. ohne disziplin geht nichts, nicht mal, wenn man alleine unterwegs ist und nicht auf 30+ andere menschen im kleinen raum rücksicht nehmen muss. ohne disziplin gibt’s keinen beruflichen erfolg, keine funktionierende beziehung, keine dauerhafte freundschaft, keine kunst, keine sportliche leistung, kein gar nichts. disziplin ist was ausgesprochen gutes, solange sie nicht missbraucht wird.

    2. Oh weh, da haben Sie mich aber völlig missverstanden. Also: Es geht nicht um ein „wer ist hier der Stärkere?“ oder „na euch werd ich´s zeigen“, es geht hier darum, dass manche LehrerInnen – und das sind oft Berufsanfänger – sich gar nicht durchsetzen können. Deswegen auch Regeln bei „Disziplinproblemen“, und die haben einige, was nichts damit zu tun hat, dass das schlechte LehrerInnen sind. Es geht hier einfach um ein paar Basics…um Verhaltensweisen, die man tun oder lassen sollte. Ich kann Ihnen versichern, dass weder in meinem noch in Jans Unterricht ein unangenehmner Ton herrscht oder ein Drill.
      Wenn Ihnen folgsame, interessierte SchülerInnen als Selbstverständlichkeit erscheinen, dann würde ich Ihnen mal empfehlen um 14.00 in eine Politikstunde/ Gesellschaftslehrestunde in eine 8. Klasse zu gehen. Das kann echt echt schwierig sein, die müden Kinder nach der Mittagspause (und eben manchmal auch vor der Mittagspause) zu etwas intellektuell Sinnvollem zu bewegen. Und das geht nicht von selbst, weil ich so eine prima Persönlichkeit bin und aus mir raus Autorität ausstrahle. Das wird einem nur in „Club der toten Dichter“ so verkauft. Das hat eher damit zu tun, dass die Kinder und ich eine Beziehung zueinander haben, und sie mir glauben, dass ich es gut mit ihnen meine und sie als junge Persönlichkeiten respektiere, fördere und mag.
      Vor der Erziehung kommt die Beziehung, und in der Beziehung Lehrer-Schüler bin ich das Alphatier, denn ich weiß, wo es langgeht. Die SchülerInnen müssen mir, in dem was ich als Inhalt und Methode vorgebe, folgen – und passiert in der Regel mit Spaß und gegenseitiger Wertschätzung.

  4. Einspruch…
    Die Dinge wie Exkursionen oder Action-Filme, die Du beschreibst funktionieren, nicht nur weil Disziplin herrscht (ehrlich gesagt gefällt mir dieses Verb da nicht ganz), sondern, weil:
    – Du Interesse weckst,
    – authentisch bist,
    – die Kinder Ernst nimmst,
    – den Kindern Wertschätzung entgegen bringst und ihnen zeigst, so wie sie sind, sind sie OK
    – Du Grenzen ziehst

    Alles Verhaltensweisen, die das Fundament einer guten Beziehung bilden und die im späteren Berufsleben so rar werden. Mit diesem Blumenstrauß in der Hand, wird auch gutes Arbeiten in der Klasse gelingen. UND das wird dann auch diszipliniert ablaufen. So wird ein Schuh daraus und nicht anders herum.

    Kinder haben von Geburt an ein unbändiges Interesse am Lernen. Dieses zu erhalten bzw. zu wecken sehe ich als wichtige Aufgabe von Schule und Lehrern. Dass das möglich ist, zeigen Beiträge hier im Blog und auch etliche andere Erfahrungsberichte.
    Es ist schon beeindruckend zu sehen, wie sich 30 Schülerinnen und Schüler in einer Montessori-Klasse gleichzeitig hoch konzentriert ihrer Arbeit widmen. Auch da könnte man von Disziplin sprechen, aber die entsteht (herrscht) nicht durch Autorität, sondern durch die oben beschriebene Haltung von Lehrern und Schülern.

    1. Ja, ich weiß was Sie meinen. Aber das ist soooo schwer im 45/90-Minuten Rhythmus und mit den Lehrplänen und um halb drei Nachmittags und mit Kindern in der Pubertät.

    2. Nicht Lehererin aber echt genervte Mutter

      Aber was, wenn Kinder ganz und gar nich ok sind? Sexistisch, unverschämt und brutal? Und davon nicht nur einer in der Klasse sind, sonder fünf und der rest Mitläufer? Manchmal habe ich den Eindruck, dass LehrerInnen nicht nur Dompteure sein müssen, sondern FeldwebelInnen, die ohne überzeugendes Drohszenario ihren Unterrichte nicht halten könnten. Und das nicht, weil sie unfähig sind, sondern menschlich.

    3. Dann lade ich mal ein zu mir an meine Brennpunktschule, in der die Schüler weder lernen wollen, noch Interesse an irgendetwas haben außer sich selbst. Man kann doch Montessori-Kinder (mit den dazugehörigen engagierten Elternhäusern) nicht als Beispiel anführen. Sehr an der Realität vorbei… Ich schließe mich dem Blogger an – es gibt Klassen, da geht nur benotete Stationsarbeit als Einzelarbeit und eventuell straffer Frontalunterricht. Diese Kinder (und oft auch die Eltern!) halten nichts von Schule und sitzen dort nur ihre Zeit ab.

  5. Pingback: Machtspiele – (Lehreralbtraum II) - ...ein Halbtagsblog...

  6. Vielen Dank für die Übersicht! Als angehende Referendarin sauge ich momentan alle Tipps auf und habe auf deinem Blog schon echt viel tolles für mich finden können! Danke dafür!

    Kannst du mir eventuell ein paar Literaturtipps geben? So in Richtung Diszipliprobleme, Classroom-Management,…? Bzw. generell Büchertipps für angehende Lehrer?

    Das wär toll!

    Viele Grüße!

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