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Wann ist gut gut genug?

Mit Erstaunen stelle ich fest, wie viele Leute den Text über die 12 Wochen Ferien im Jahr lesen. Hm. Da habe ich einen wunden Punkt getroffen (und stelle wieder fest, dass ich an dieser Stelle auch sehr dünnhäutig bin). Allzu oft wird uns Lehrern vorgeworfen, wir seien faul (man denke nur an das Schröder-Zitat) oder schlecht organisiert und  sollten „mal in der freien Wirtschaft arbeiten“, ja dann wüssten wir was wirkliche Arbeit ist. Ich wette, dass jeder von uns solche Sprüche kennt und alle Reaktionen schon ausprobiert hat: eine humorvolle Antwort, ignorieren, einen ernste Antwort oder – um es mit den Ärzten zu sagen – immer mitten in die Fresse rein.

Ich glaube, dass einer der Vorzüge am Beruf des Lehrers die unfassbar große Freiheit ist. In der Regel kontrolliert mich keiner mehr, wenn ich mich erst mal durch das Referendariat gequält habe. Deswegen liegt es im Ermessen jedes Einzelnen, wann gut auch wirklich gut genug ist. Und da liegt meiner Meinung nach nach beiden Seiten die Gefahr: Die extrem bequemen Lehrer gehen 5 Minuten nach dem Klingeln in den Unterricht, um dann früher wieder Schluss zu machen. Oder aber die extrem engagierten Lehrer, die für jede Stunde die Klasse neu dekorieren, rosa Kopien mit Glitzer bestreuen und laminieren, um sie dann in Herzform auszuschneiden. Und irgendwo dazwischen liegt die goldene Mitte.

Ich kann mich ganz wunderbar verzetteln – und dabei verliere ich dann jede Menge Zeit; Zeit, die mir an anderen Ecken wieder fehlt. Ich mache das mal an einem Beispiel deutlich. In der Oberstufe steht in Geschichte einiges zum Thema „Deutschland nach 45“ am Lehrplan. Und weil ich gerne Geschichte unterrichte, ist das mein Verzettelfach Nr. 1. Nehmen wir mal den Aspekt der „Entnazifizierung“. Das, was mir einfällt (Nürnberger Prozesse, Eichmann-Prozess, Hannah Arendt, Frankfurter Prozese, „Im Labyrinth des Schweigens“, Josef Neckermann, „Das Amt“, Franz Nüßlein, Hanns-Martin Schleyer, die RAF usw.), muss ich strukturieren und daraus eine extrem kurze Sequenz basteln. Aber alles ist so interessant und beim Lesen, Nachschlagen, Suchen und Ansehen gehen im schlimmsten Fall Stunden ins Land. So kann man das, glaube ich, mit allem machen. Grundschullehrer können da ein Lied von singen, weil – zumindest meine Freundinnen-  extremen Wert auf ganzheitliches Lernen und Methodenvielfalt legen. Da geht immer noch was – nur schlafen und sich ausruhen, das geht dann nicht mehr.

4 Gedanken zu „Wann ist gut gut genug?“

  1. „In der Regel kontrolliert mich keiner mehr, wenn ich mich erst mal durch das Referendariat gequält habe.“

    Sicherlich haben wir nun nicht mehr so oft einen mit hintendrin sitzen, der unseren Unterricht auseinandernimmt.
    Aber eine Rückmeldung bekomme ich immmer … sofort … hautnah … unverblümt … von den Schülern. 😉
    Bin ich nicht gut vorbereitet, merken das meine Schüler und nutzen das schamlos aus.
    Andersherum merke ich es auch sofort, wenn die Schüler mit Begeisterung bei der Sache sind und ich sie in die Pause scheuchen muss, weil sie selber nicht mitbekommen, dass schon Schluss ist.
    LG Sächsin

  2. Mein Konter auf „Ihr habt es gut, so viele Ferien“:
    „Warum bist/wirst du nicht selber Lehrer?“
    Bis jetzt haben 99,9 % daraufhin zurückgerudert 🙂

  3. Den Kommentar von U. Tanger hab ich auch schon oft genutzt (und bin immer gut damit gefahrten….)
    Ich glaube, dass mit dem eigenen Anspruch an sich, dass ist der kritische Punkt. Viele engagierte Lehrer nehmen die eigene Gesundheit, das eigenen Wohlbefinden oft nicht als eine der Aufgaben wahr die sie (ihrer beruflichen Freiheit sei dank) auch noch bewältigen/organisieren müssen. Soll heißen, wenn ich so gestreßt bin, mich oft verzettele und zu lange am Schreibtisch sitze, dann ist der Anspruch, den ich an meine Arbeit stelle vielleicht zu hoch und sollte hinter die Fürsorge für meine eigene Gesundheit zurücktreten können. Im Sinne eines eigenen „Gesundheitsmanagements“ muss auch mal Schluss sein mit einer Arbeit, bzw. es müssen auch Pausen und Ferien eingeplant werden.

    Ein Zitat einer Bloggerin aus der Grundschule: „Nichts bringt uns auf unserem Weg so sehr voran wie eine Pause!“

  4. Bevor ich Lehrer wurde habe ich 4 Jahre in der „freien Wirtschaft“ gearbeitet, von 8 bis 17 Uhr. Und es gab auch nur 3 Wochen Urlaub plus einige Feiertage im Jahr. Das wars dann aber auch. Ich musste weder im Urlaub noch nach Feierabend etwas machen. Das war dann echte Freizeit. Kein Vergleich mit meiner Zeit als Lehrer, wo nur 4 Wochen in den Sommerferien wirkliche Entlastung vom Unterricht brachten. Der Rest war vor- oder nachbereiten des Unterrichts und in den anderen Ferien Korrekturen.

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