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Machtspiele – (Lehreralbtraum II)

Wir sprachen zuletzt über eine blöde Situation: Eine Schülerin weigerte sich standhaft, eine Anweisung zu befolgen. Die Situation war weniger ein “ich traue mich nicht”, als vielmehr ein “versuchen Sie doch mal, mich zu zwingen…!”

Ein Machtspiel.

Kollegin Henner beschreibt in den Kommentaren eine ähnliche Situation: Als Praktikantin musste sie sich mit einem Schüler auseinandersetzen, der zumindest ahnte, dass sie ihm nichts konnte. Dort fehlte nicht viel zu einer echten Rangelei. Ich behaupte, dass so etwas vor allem Praktikanten, Referendaren oder jungen Lehrern (und auch öfter Frauen als Männern) widerfährt.
Während Eva neulich über Disziplinprobleme schrieb und darüber, wie man solche Situationen von vorneherein verhindert – geht es heute um.. Kind –> Brunnen:
Heike kommt nicht an die Tafel. Kevin verlässt den Raum nicht. Tine liest ihre Hausaufgaben nicht vor. Und das alles mit einer “Sie können mir gar nichts”-Haltung.

Wie weiter?

Als Lehrer steckt man richtig in der Klemme. Lässt man sich vom Schüler vorführen, werden die anderen sich daran ein Beispiel nehmen: Aus welchem Grund soll Rasmus seine Hausaufgaben vorlesen, wenn Tine es auch nicht muss? Im schlimmsten Fall stellt die ganze Klasse die Arbeit ein.
Ich kann aber als Lehrer auch nicht – nur um meinen Willen durchzusetzen – so explodieren, dass ich (ohne Rücksicht auf Verluste) alles und jeden zusammenstauche, der mir vor die Flinte kommt. Kinder merken so etwas. Sie merken, wie man jemanden auf 180 bringt und es wird nicht lange dauern, bis ich – mit roten Kopf und pulsierender Zornesader – Stunde um Stunde mit Provokationen ringe. Bin ich persönlich angegriffen, beleidigt oder wütend, fange womöglich an zu schreien, dann wird der betreffende Schüler erst recht nicht Folge leisten. Er sieht sich bestätigt.

Der einzig sinnvolle Weg scheint mir, sofort die Spannung aus der Situation zu nehmen. Insbesondere: emotionslos bleiben.

Als meine Schülerin sich partout weigerte, an die Tafel zu kommen oder auch nur einen Finger zu krümmen, habe ich damals mit den Schultern gezuckt. “Okay”, sagte ich (mit beiläufigem, fast gelangweiltem Unterton) und habe überdeutlich das Notenbüchlein aufgeschlagen, “du weißt, dass das eine Arbeitsverweigerung ist und damit eine 6?”. Die Schülerin nickte. Dies sei ihr klar.
Ich trug die Note ein. Damit war die Sache erledigt. Der nächste kam dran.

Mit diesem Vorgehen habe ich (eher intuitiv) mehrere wichtige Aspekte erfüllt:

Meine Handlung war transparent. Der Zusammenhang zwischen “Vergehen” und “Konsequenz” ist unmittelbar ersichtlich.
Das Vorgehen war berechenbar. Das Eintragen der “6” war kein willkürlicher Akt sondern eine einfache Einhaltung der Schulregeln. Für jeden Schüler würde genau das gleiche gelten. Das hat nichts mit einer persönlichen Fehde zu tun.
Ich habe emotionslos gehandelt. Zorn und Wut – womöglich Schadenfreude über die Strafe? – haben in solchen Situationen nichts zu suchen.
Die Konsequenz war sinnvoll und rückstandslos. Nach dem Verhängen der “Strafe” war die Sache gegessen und wurde nicht mehr erwähnt. Ich habe keine persönliche Kränkung mit in die nächsten Stunden genommen.

Situationen, in denen Schüler “den Aufstand proben” kommen nur selten vor – im Idealfall verhindert der Alltag, dass es je dazu kommt. Aber wenn doch, dann halte ich die o.g. Punkte für entscheidend, um da mit Anstand wieder raus zu kommen. Nicht von ungefähr kommt, dass die meisten der Kommentare, die ähnliche Situationen beschrieben, die genannten Aspekte ebenso beachteten.

Mehr dazu auch beim Lehrerfreund.

(Nicht, dass wir uns missverstehen – ich habe auch jede Menge Situationen ziemlich dämlich gelöst – aber davon muss ich ja nicht erzählen.. :-D)

9 Gedanken zu „Machtspiele – (Lehreralbtraum II)“

  1. Diese Hilflosigkeit in solchen Situationen und die Gefahr sich persönlich angreifbar zu machen, indem man zu emotional wird, erinnere ich auch noch gut aus dem Ref.
    Ein Aha-Erlebnis hatte ich dann auf einer Konfliktmanagementfortbildung. Der Dozent schuf das Bild, dass der Schüler in dem Moment die Fernbedienung in der Hand hat und ich im schlechtesten Fall ferngesteuert reagiere. Also die Emotionen aus der Situation nehmen und verlässlich reagieren. Wenn es um Leistungen geht, die der Schüler nicht erbringen will, hilft die Notenkonsequenz gut. Wir haben an unserer Schule ein HA-Hilfe/Nachsitzangebot, also biete ich den Schülern, die in meiner Stunde nicht mitarbeiten wollen gelegentlich auch an, doch jetzt einfach weiterzuchillen und dann eben an dem besagten Nachmittag zu arbeiten. Sie haben die Wahl und treffen durch ihr Verhalten die Entscheidung.
    Bei Quertreibern in Bezug auf Sozialverhalten hilft manchmal auch sehr gut der Griff zur Klassenliste und dem Handy und dem Hinweis, dass der Schüler doch bitte jetzt seinen Eltern erklären soll, warum er den Unterricht stört und sich nicht an die Regeln hält. Bisher musste ich das nur einmal bis zum Ende durchziehen und auch da gab es dann ein postitives Ende. 🙂

  2. Du hast völlig Recht, sich nicht auf ein Machtspielchen einlassen, ist das Wirkungsvollste.
    Als Praktikantin allein einem Schüler gegenübergestellt, der sowieso bald von der Schule fliegen würde, ohne Straf- und Notenrecht konnte ich das nicht, ABER mit ein paar Jahren Erfahrung passiert mir das nicht mehr. Also an alle Einsteiger: Ja, man macht Fehler und man lernt daraus. Es gibt Situationen, da kann man nicht cool bleiben. Das lernt man mit der Zeit.

  3. Ich bin ein bisschen enttäuscht, der versprochene „Lehreralbtraum“ (den wir ja alle so oder so ähnlich schon mal erlebt haben) wurde von dir schon zu Beginn des Referendariats souverän gemeistert… Zwei Punkte sehe ich allerdings kritisch: Zum einen bin ich ein sehr emotionaler Mensch (merkt man vielleicht an manchen Kommentaren 🙂 ) und der Meinung, dass Emotionen auch hier hinein gehören, natürlich nicht Richtung Ausraster, sondern – in angemessener Weise – als Ausdruck von Menschlichkeit. Wenn ich unhöflich behandelt werde, kommuniziere ich das in unterschiedlicher Form, Ich würde keinem Schüler das Gefühl geben wollen „Mir doch egal, kriegste halt ne 6“. Darüber hinaus meinst du, dass hinter der Arbeitsverweigerung keine Unsicherheit der Schülerin stand, sondern Provokation. Ich finde diese Interpretation von dir schwierig (wenn auch aus emotionaler Sicht vollkommen verständlich 🙂 ). Natürlich hat das Mädel mit Schulterzucken auf die 6 reagiert, was sonst? Da kann dann aber auch schnell ein Damm in Richtung „ist eh alles egal“ brechen. Etwas viel und kritisch geschrieben, aber das ist mein altes Lehrerherz, das für deinen Blog schlägt!

    1. Nun, ich würde denken, eben weil ihn viele schon so (oder so ähnlich) erlebt haben, ist es ein (wiederkehrender) Albtraum. Die spektakulären Dinge findet man eher auf anonymen Lehrerblogs oder im Fernsehen. 😉
      Was die kritischen Punkte angeht: Damit gehe ich vollkommen konform.
      Ich bin selbst ein überaus emotionaler Mensch (sonst würde ich ja nicht so bloggen, wie ich es tue) und schimpfe auch manches mal bitterböse emotional (um jetzt beim Negativen zu bleiben). Aber, und darum geht es mir hier, nicht in solch aufgeheizten Situationen, wenn es um Schüler geht, die vor der Klasse beweisen wollen, dass sie der König sind. Hier halte ich einen kühlen Kopf für unbedingt angebracht.
      Der zweite Punkt ist natürlich nur situationsbedingt zu interpretieren. Im Vordergrund meiner Reaktion stand nicht, wie egal mir ihre Leistung ist, sondern, dass ich mich nicht weiter auf dieses Spielchen einlasse.
      Oft hilft es (zum Beispiel, wenn man Schüler anraunzt, die schon wieder zu spät sind), genau diese Schüler im späteren Unterricht positiv dranzunehmen – um zu signalisieren „Hey, das vorhin war nicht in Ordnung, aber jetzt schauen wir wieder nach vorne.“ Das habe ich auch damals bei der Schülerin so gemacht, genau um diesem „ist eh alles egal“ vorzubeugen. 🙂

  4. Hätte ich mir denken können, dass deine pädagogische Arbeit bei der 6 nicht beendet gewesen ist… 🙂 (Sorry übrigens, am Rechner habe ich einen anderen Namen als über Handy, fällt mir jetzt erst auf)

  5. Ein überaus kluger Vorschlag! Ich würde glatt genau die selbe Schiene mit meinen Schülern fahren, wenn diese sich überhaupt für eine (schlechte) Note interessieren würden. Meine Arbeit verrichte ich an einer Gesamtschule im sozialen Brennpunkt (und zwar so einer, wie ich es nie für möglich gehalten hätte) und diese Kinder machen sich rein gar nichts aus einer 6. – Auch nicht ihre Eltern. Einige wenige kümmern sich natürlich schon um das Fortkommen Richtung Quali nach der Klasse 10, aber das sind nicht die Störer, Rebellen, Kriminellen.
    Meine Erfahrung: Wenn die Kinder weder die Note fürchten (bzw. keinerlei Ehrgeiz haben, an einer deutschen Schule erfolgreich zu sein), noch die Peinlichkeit vor den Peers, steht man dumm da.
    – Im Übrigen haben wir auf der persönlichen Ebene größtenteils ein gutes Verhältnis. Ich werde als „hart aber fair“ bezeichnet und manche erklären mich zu ihrer Lieblingslehrerin (auch: „Sie sind der Babo!“). Dies alles bewirkt dennoch keinen Respekt im Unterricht, bzw. eine gute Arbeitsatmosphäre.
    Kollegen…Man merkt wohl: Ich bin verzweifelt. 😀 Entschuldigt.

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