Zum Inhalt springen

Elternbrechtag

Habe ich das neulich richtig gelesen? Jan schrieb ungefähr: „Elternsprechtage sind ja immer ganz nett.“ Nein, sind sie nicht. Das heißt jetzt nicht, dass ich sie schlecht finde, denn gut sind sie eigentlich schon, aber nett?

Bei uns läuft vormittags Unterricht bis 13.10 Uhr und dann Elternsprechtag von 14 bis 19 Uhr. Die Heizung wird um 15 Uhr abgestellt. Gespräche sollten im 10-Minutentakt stattfinden und solchermaßen werden auch die Termine vergeben. Also reicht die Zeit für 30 Gespräche, und ich hatte auch schon Sprechtage mit 30 Gesprächen, wenn ich eine neue Klasse 5 hatte. Am Ende wusste ich nicht mehr, wo ich mein Auto geparkt hatte und wie ich heiße.

Ich muss Eltern in 10 Minuten sagen, wie sich ihr Kind in der Schule macht, was es für ein Mensch ist und welche Probleme/ Perspektiven sich für das Kind eröffnen. Und eins muss man immer im Kopf haben: Kinder sind für ihre Eltern absolut existentiell, und wenn man irgendwas kritisiert, muss man das mit der gebotenen Vorsicht tun.

Es gibt, glaube ich, mehrere Gesprächstypen, von denen hier drei von mir skizziert werden.

Fall 1 : Murat wurde erkennbar erzogen oder ist sowieso ein netter Mensch. Zudem ist er fröhlich, leicht zu motivieren und findet sich in der Klasse gut zurecht. Die Noten sind ordentlich. Wir sind in 5 Minuten fertig.

Fall 2 : Vicky ist für nichts verantwortlich. Noten sind die Lehrer schuld, die Mitschüler mobben das Kind und sie selbst muss sich um nichts kümmern. Das Handy braucht sie, falls auf dem Weg nach Hause etwas passiert und natürlich spielt sie nie damit im Unterricht. Dass ich das Kind deswegen ermahnen musste, ist unwahr. Das Gespräch dauert 15 Minuten, bis beide Parteien auseinander gehen und sich gegenseitig für Idioten halten.

Fall 3 : Michaels Noten sind schlecht und er benimmt sich wie eine offene Hose. Die ganze Familienstruktur liegt im Argen. Je mehr die Eltern erzählen, desto schlechter wird mir und desto mehr wundere ich mich, dass das Kind immer noch zur Schule kommt. Meine Ratschläge werden dankend angenommen oder verworfen, auf jeden Fall frage ich mich, was mich dazu qualifiziert, etwas zu sagen, außer meine mittlerweile ordentliche Erfahrung. Solche Gespräche dauern lange und müssten noch länger dauern. Ich bin dann immer froh, dass wir eine sehr gute Schulsozialarbeiterin haben, auf die ich schließlich verweisen kann.

So oder so: Wenn ich dann um kurz nach sieben aus der Schule gehe, ist mir eiskalt und ich fühle mich völlig ausgewrungen. Ich schaffe es an einem Elternsprechtagabend noch zum Fastfoodmann, um mit einer Wärmflasche und einem Stuppi Erzquell Pils vor den Ferneseher zu fallen. Wenn ich Glück habe, läuft ein Wissenschaftsmagazin wie „Die Geißens“.

Schon klar Jan, Elternsprechtag sind immer ganz nett.

10 Gedanken zu „Elternbrechtag“

  1. Wow … 30 Gespräche ist Horror. Würde ich nicht machen. Wir müssen Gesprächsprotokolle anfertigen, da wüsste ich ja hinterher nicht, was ich mit wem besprochen habe.
    Bei uns gibt es einen 20 Minutentakt. Und der reicht manchmal nicht aus. Zum Elternsprechtag habe ich die Eltern gehört, die sich angemeldet haben. Die, mit denen ich dringend reden muss, lade ich mir an so einem Tag nicht ein. Das würde den Zeitrahmen sprengen.
    In meiner Referendariatszeit gab es den Sprechtag am ersten Montag in jedem Monat von 17 bis 20 Uhr. Da merkte man, wenn der Monat zu Ende ging, dass die Schüler „lieber“ wurden. 😉
    LG Sächsin

  2. 1. Man darf sich nicht so wichtig nehmen.
    Ob ich den Eltern irgendwas „hilfreiches“ sage oder ob in China … es spielt absolut keine Rolle.

    2. Daraus folgt: Bringe ausschließlich positives zum Ausdruck. Murat hat das zwar heute schon 5 mal gehört aber Michael wird dich ab sofort lieben (inkl. der Eltern) und sich, angespornt durch das ungerechtfertigte Lob, ab sofort in deinem Unterricht besonders anstrengen.

    Wenn man seine Rolle in dem Schweinesystem erst mal verstanden hat, ist es plötzlich kinderleicht.

  3. Ich weiß nicht warum, aber ich mag Elternabende. Und das, obwohl ich mit D/E eigentlich immer zu denen gehöre, die abends dann noch das Licht ausmachen, wenn alle anderen schon weg sind.

    Warum ich sie mag? Weil ich es unheimlich spannend finde, die Eltern zu den Kindern kennenzulernen.
    Und, weil man privat unheimlich viel Kohle ausgeben müsste, um in drei Stunden so viel Unterhaltung, Spaß und Drama geboten zu bekommen. Und ganz nebenbei sammelt man jedes Mal wieder Erfahrungen in anderen Berufsbereichen: Anwalt, Ringkämpfer, Eheberater und Psychologe? Kein Problem, falls das mit dem Lehramt eines Tages mal nix mehr sein sollte 😉

  4. 10 Minuten, was ein Luxus. 🙂 Bei uns an der Schule wird gerade evaluiert, ob wir die 6-Minuten-Termine (41 Gespräche) beim letzten Elternsprechtag angenehmer fanden als die 5-Minuten-Termine (49 Gespräche) der Vorjahre. 😉

  5. Und dann gibt es Leute wie meine Mutter! Bei uns gab es keine Terminvergaben, da die meisten Eltern sich sowie so nicht blicken ließen. So ist meine Mutter zu einem Lehrer hin gegangen, und hat erst mal mit ihm Small-Talk gemacht, bevor sie gefragt hat, wie ich mich so benehmen würde. Der Lehrer zuckte mit den Schultern, und sagte ihr Lachend, dass er mich gar nicht Unterrichtet.
    (und das passierte öfters, Obwohl ich ihr nach dem 1. Mal eine Liste mit all den unterrichtenden Lehrern gemacht habe) Naja, die letzten 2 Jahre meiner Hauptschulzeit ging ich alleine zum Elternsprechtag. (Außer einmal, weil meine Mutter den Schulhund kennen lernen wollte ^^) (Anekdote zum Schluss: Bei meiner Mutter werden alle Hunde, egal ob groß oder Klein zum Schoßhund. Was passierte also? Unser Schulhund, ein richtiges Schwergewicht, sah meine Mutter, und setzte sich sofort auf ihren Schoß)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert