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#33: Paulus und das Ende der Welt

IMAG0286Es gibt da diesen Jünger namens Paulus, der einen großen Teil des Neuen Testaments verfasst hat. Ein faszinierender Mensch. Ununterbrochen reist er durch die antike Welt, lebt zwischen Juden und Griechen und Römern und findet immer wieder neue, frische Wege über die Auferstehung Jesu zu sprechen. Eine Menge Leute wollen ihn umbringen, er wird zusammengeschlagen, erleidet Schiffbruch und hungert und hört doch nie auf über das neue Leben zu sprechen. Den achten Tag.

In seinen frühen Schriften erzählt er davon, wie Jesus uns

errettet am Tag des Jüngsten Gerichts
(Thessalonicher 1, 1)

und

von der finsteren Zeit erlöst.
(Galater 1,1)

Er schreibt

Wir, die beim Kommen des Herrn noch am Leben sind…
(Thessalonicher 1, 4)

und berichtet über sich selbst und andere.

Auffällig ist dabei, dass Paulus davon überzeugt war, Jesus Wiederkunft selbst zu erleben.

Er ist dabei nicht der einzige Autor des Neuen Testaments mit dieser Erwartung. Hebräer beginnt mit dn Worten:

Doch jetzt, in dieser letzten Zeit…

Petrus beginnt seinen ersten Brief mit Dingen,

die in diesen letzten Tagen offenbar wurden

Und Johannes schreibt

die Wiederkehr des Herrn ist nah.

Warum glauben Paulus und die anderen das?

Paulus lebte in der Überzeugung, dass Gott an einem Punkt in der Zukunft alles in der Welt heilen würde. Alles würde richtig gestellt, das Böse würde enden, Jesus würde wiederkehren und alles wäre gut. Die Propheten vor Paulus sprachen von diesem Tag, Jesus sprach von diesem Tag und die anderen Autoren des Neuen Testaments sprachen davon.

Der Tag des Herrn.

Und Paulus war der Überzeugung, zumindest zunächst, dass dieser Tag bald anstand. Das Ende ist nah.

Warum ist das interessant?

Weil Paulus diesen Tag nicht erlebte.

Und…?

Nach einer Weile sah Paulus das kommen. Es schien noch eine Weile zu dauern und womöglich würde er sogar sterben, ohne Jesus Wiederkehr zu erleben. Seine Briefe spiegeln diese Entwicklung wieder.

Im Epheserbrief schreibt er über Einheit und Reife und Beziehungen.

Im Kolosserbrief schreibt er, man solle alles, was man tue, mit ganzem Herzen machen.

Und im 2 Korinther 10 sagt er einem Freund, dass

wenn ihr erst einmal im Glauben fest und stark geworden seid, hoffen wir sogar, unsere Missionsarbeit noch weiter ausdehnen zu können. Denn wir wollen auch den Menschen die rettende Botschaft bringen, die jenseits eurer Grenzen leben.

Er macht Pläne.

Er spricht über Orte, die er noch aufsuchen möchte. Er schreibt darüber, wie Gemeinden organisiert sein sollten. Er redet nicht wie jemand, der glaubt, morgen stünde das Ende der Welt bevor.

Warum ist das so wichtig?

Zuweilen begegnet mir ein Blickwinkel der Bibel, als hätte sich der Himmel aufgetan und die Wahrheit wäre in den Schreiber hineingeflossen. Als habe er nur aufblicken, artig danken und dann zum Stift greifen müssen.

Wenn wir die Briefe von Paulus betrachten, dann sehen wir jemanden, der die Geschichte von Jesus in ganz neue Gebiete trägt. Er sieht sich Herausforderungen gegenüber, die so noch kein Mensch zu bewältigen hatte: Er spricht zu Menschen, die so tief in der jüdischen Kultur stecken, dass sie sich nicht einmal vorstellen können, was Gott mit diesem Jesus gewollt haben mag während andere noch nie von Mose oder David oder der Torah oder Jahwe gehört haben. Einige wollen seinen Tod, weil er ein politischer und ökonomischer Störenfried ist, weitere halten ihn für einen Häretiker und wieder andere brechen sein Herz, weil Paulus sich ihnen hingibt und sie danach genauso handeln, wie eh und je.

Seine Briefe sind inspirierend und inspiriert, weil sie aus seiner Menschlichkeit entstehen und nicht darum herum. Sein Glaube wird von Angst und Sorge begleitet, mit all den Höhen und Tiefen, die auch wir erleben. An einem Punkt fragt er sogar, wozu er überhaupt weitermachen solle. Ob es nicht besser wäre, einfach zu sterben und endlich Ruhe zu haben. (In seinem Brief an die Philipper)

Nun – was hat das mit dem Leben im Jahr 2015 zu tun?

Mein Verständnis von Religion und Glaube hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Vor einigen Tagen begegnete mir folgende Aussage:

„Ich bin seit einundzwanzig Jahren Christ. Doch anstatt ein einundzwanzigjähriger Christ zu sein, war ich bis jetzt einundzwanzig Jahre lang ein einjähriger Christ!“

Ein erschreckendes Eingeständnis, oder nicht?

Schaut man sich die Ausprägungen verschiedener Kirchen und Religionen an, dann sind Fragen oft unerwünscht – aber wenn man welche stellen darf, dann haben diese Fragen oft einen leisen Unterton. Es schwingt eine Angst mit – die Angst, „es“ nicht richtig zu machen. Als ob die Vorstellung existiere, dass es da einen ganz schmalen Pfad gibt und wenn man den nicht findet und genau befolgt, dann ist man in Schwierigkeiten.

Klingt bekannt?

Ich sehe das heute ganz entspannt. In der Bibel lesen wir von Menschen die aufwachen, wachsen, sich entwickeln, neue Perspektiven entdecken, bessere Menschen werden. Wir lesen von Menschen auf einer Reise. Sie haben eine bestimmte Sicht, dann machen sie Erfahrungen und dann sehen sie es anders.

Paulus ging davon aus, Jesus Rückkehr noch mitzuerleben, nur um dann festzustellen, dass dies nicht geschah und wir wohl noch eine Weile allein bleiben würden. Was sich als wahr herausgestellt hat.

Wir sind immer noch hier. Wachsend und lernend. Auf einer langen Reise.

5 Gedanken zu „#33: Paulus und das Ende der Welt“

  1. Woher wissen sie, dass Paulus dir Rückkehr und das Gericht nicht erlebte? Sprach nicht auch Jesus vom baldigen Gericht über Jerusalem, weinte über die Stadt und sagte auf dem Weg zum Kreuz den Müttern Jerusalems, sie sollten keine Kinder bekommen, das Gericht würde bald kommen? Zeigte Jesus seinen Jüngern nicht den riesigen Tempel und sagte, dass dieser blad im Gericht zerstört würde?
    Der Tempel und Jerusalem wurden im Jahr 70 zerstört, ganz Israel verwüstet und die alte jüdische Religion ausgelöscht (= Tempelopfer usw.) In der Gehenna, der Müllhalde im sog. Höllental, brannten zigtausende Leichen im „ewigen Feue“ wie die Historiker berichten.

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