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Die nächste Katastrophe. London #5

Die nächste Katastrophe. London #5 1Nach unserem Aufenthalt am Buckingham Palace stellen wir mit zwei Polizisten ein amüsantes „unsere-Lehrer-werden-verhaftet“-Bild. Anschließend wandern wir durch London in Richtung Soho, Covent Garden.

In Kleingruppen dürfen die Schüler durch diesen Stadtviertel schlendern. Ich selbst merke, wie ich kognitiv abbaue. Der fehlende Schlaf und die Anstrengung der vielen gelaufenen Kilometer macht sich bemerkbar. Es ist, als würde man zugucken, wie das eigene Hirn einschläft. Auch die Schüler merken, dass aus mir ein Zombie geworden ist und nur mein starrer, toter Blick hält sie davon ab, Späßchen mit mir zu treiben.
Als wir am späten Nachmittag wieder zueinander finden, gibt es schlechte Neuigkeiten. Zwei weitere Schüler haben sich übergeben und sehen ganz erbärmlich aus. Konstantin winkt ab: „Herr Klinge, ich bin nicht krank. Ich habe schon auf der Busfahrt nur Chips und Cola und solchen Dreck in mich reingestopft, dazu die Sonne und die Anstrengung. Das wird schon wieder!“ Jonathan setzt sich neben ihn, der mit vollen Taschen aus dem M&M-Store kommt. „Willste? Ich habe pinke M&Ms!“ Konstantin greift beherzt zu. Oh man.

Wir nutzen den frühen Abend im RestUp-Hostel, um die Beine hochzulegen. Mein Schrittzähler zeigt mittlerweile 26.000 Schritte an – wir haben ordentlich Programm abgespult. Die Kinder sind genauso fertig wie wir und sitzen stöhnend vor dem Hostel. Hier und da werden Füße und Knie gerieben. „Womöglich lassen wir die Nachtwanderung zur TowerBridge ausfallen…?!“, flüstere ich hoffnungsvoll. Ganz leise, damit es keiner mitbekommt. Eigentlich habe ich nur mit mir selbst gesprochen.
Aber ein Sturm der Entrüstung trifft mich. “Herr Klinge, ich gehe auf jeden Fall!, stellt Jonathan klar und ungesagt (aber deutlich hörbar) bleibt im Raum stehen “…und wenn ich alleine gehe!” Andere stimmen zu. an Schlaf ist nicht zu denken. Adé, du schöne Welt.

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Abends um neun wandern etwa 30 von unserer Gesamtgruppe zur Tower Bridge. Gutgelaunt. Lachend. Vielleicht ein bisschen langsamer, als noch am Nachmittag. Im Dunkeln erstrahlt die Brücke ganz wunderbar und an der Strandpromenade wird Musik gespielt. Die Schülerinnen und Schüler sitzen am Ufer, unterhalten sich leise, kichern und staunen. Ein zauberhafter Abend, den wir alle genießen, aufsaugen, zelebrieren.

Spät falle ich endlich ins Bett. Also nicht ich, sondern nur Teile von mir. Ganz passe ich nämlich nicht hinein – dafür ist es zu klein. Letztlich schlafe ich auf dem Boden. Als, im Herzen katholisch gebliebener, Christ nehme ich es als Lektion in Sachen Demut. David Nathan erklingt und nach fünf oder sechs Sekunden bin ich eingeschlafen.

Als ich aufwache, blinkt mein Handy. “Herr Klinge, ich habe mich ausgeperrt.” Bing. Eine neue Nachricht. “Alles gut. Ein Mann ist hier, um mir zu helfen.” Bing. “Ich glaube, wir fahren gar nicht zum Schlüsseldienst, Herr Klinge.” Bing. “Herr Klinge..?! Vielleicht könnten Sie..!”

Keuchend werde ich wach. Mein Handy blinkt – aber ich ignoriere es.

Beim Frühstück unterhalte ich mich mit einem Rücksacktouristen aus Australien. Er berichtet in knappen Worten von seiner Weltreise und ich spüre eine gewisse Sehnsucht in mir. Aber nicht lang. Dann kommt Simon. “Herr Klinge, meinen Sie, ich kann heute eine kurze Hose anziehen? Normalerweise entscheidet meine Mama sowas.”

Einen Tag noch.

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