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Zukunft im Gefängnis. Oder anderswo.

IMG_20161029_005319Einmal mehr feiern wir Thanksgiving. Freunde aus Gemeinde und Kollegium sitzen mit uns am Tisch und feiern das Leben. Schon im letzten Jahr haben wir alle Gäste gebeten, einen kleinen Nachtisch mitzubringen. Nichts großes, nur ein paar Gläschen. Aber am Ende entsteht ein bunter Mix aus unterschiedlichen Desserts, eines fantastischer als das andere.

Heute den ganzen Tag unterwegs.
Vor einigen Wochen fragte mich eine liebe Kollegin, ob ich an ihrer Schule nicht einen Fortbildungstag mitgestalten wolle. Und weil meine Schulleitung mich dafür heute freistellte, durfte ich den Tag am Städtischen Gymnasium in Olpe verbringen, und den Kollegen etwas über OneNote, Document Sharing, Lerntheken und so erzählen.

In der Rückblende des Tages bin ich da aber sehr unsicher.
Ich erinnere, wie genervt Frau Henner über ihre Erfahrungen berichtet und daran, welche “verbesserungswürdigen” Fortbildungen ich schon erlebt habe. Wie ich, als Referent, es empfunden habe muss nicht zwingend deckungsgleich mit der Empfindung der Teilnehmer dort sein. Nachher renne ich umher und schrei(b)e, wie großartig und wunderbar es war – und die Anwesenden schütteln die Köpfe und denken “Bitte nicht nochmal!”. Von daher – hm. Ich hoffe, der ein oder andere hat etwas mitgenommen. Hier und da wurde ich gefragt, ob ich nicht Medienberater werden wolle. Wäre eine spannende Entwicklung mit einem anderen Inhaltsfeld, als meine Arbeit im Kompetenzteam – aber letztlich bin ich zu gerne Lehrer, um mich damit ernsthaft auseinander zu setzen.

Herausfordernd war die WhatsApp-Nachricht meiner Frau zwischendurch:

PLING!
“Die Polizei war gerade hier. Die suchen dich!”

Mehr nicht. Keine weiteren Informationen. Auf gezieltes Nachfragen finde ich heraus, dass meine Älteste die Tür geöffnet, meine Abwesenheit bestätigt und die Polizisten ohne weiteres weggeschickt habe.

Innerlich rumort es – ich kann mich kaum noch auf mein Seminar vorbereiten. Warum sollte die Polizei nach mir fahnden suchen? Von meinen ekelhaften Geschwistern ist keine Hilfe zu erwarten.

“Gibt ja einiges an Gründen, dich endlich hinter Schloss und Riegel zu stecken”

“Die Anzeige kommt von mir, Freundchen!”

…und weitere Kommentare lassen mein Handy im Minutentakt vibrieren. Alle möglichen Fantasien schießen mir durch den Kopf: Habe ich jemanden angefahren, und es nicht gemerkt? Habe ich womöglich eine gespaltene Persönlichkeit, die… Habe ich Verbrechen begangen, und kann mich nicht mehr daran erinnern? Was bin ich nur für ein Monster!!!1!

Mir wird klar, dass der neue Sebastian Fitzek-Roman vielleicht keine so gute Idee war (aus mehreren Gründen). Als ich nachmittags angerufen werde, klären sich die Dinge: Ich solle als Zeuge bitte eine Aussage machen:
Vor anderthalb Monaten bin ich in einen Auffahrunfall geraten, bei dem es zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen ist (Zeitungsartikel). Einer der seltenen Momente, in denen mir meine Körpergröße nicht zum Nachteil gereichte, als ich mich zwischen die Kontrahenten schob. Weil ich meinem eigenen Gedächtnis nicht besonders vertraue, habe ich damals schon einen Zeugenbericht geschrieben, den ich der Polizei heute aushändigte – damit war ich nach fünf Minuten auch schon wieder in Freiheit entlassen.

Ich beneide den Kollegen Rau um seine Arbeit in der Universität – Erwachsenenbildung ist etwas, was ich mir auch sehr gut vorstellen kann. Und tatsächlich hatte ich vergangene Woche die Chance, meine Zukunft in Richtung Universität zu gestalten. Zwei Tage habe ich darüber nachgedacht, die Fürs und Widers abgewogen und mich dann doch klar entschieden. Ich habe einfach zu viel Freude an meinem Beruf und auch zu abgefahrene und fantastische Kollegen, als das ich das komplett aufgeben wollte – das ist mir besonders nach Thanksgiving nochmal klar geworden. Aber in fünf Jahren… hm.

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