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Eine Facharbeit über die Spritzmuster einer Klospülung.

Aus Gründen wurden die Physikkurse in diesem Jahr mehrfach umstrukturiert. Das hatte zur Folge, dass im zweiten Halbjahr jeweils ein Teil der Schüler jedes Kurses jedes Thema (Mechanik, E-Lehre, Atomphysik) schon gehört hatte. Ich beriet mich mit einem Kollegen darüber. Ungern wollten wir einzelnen Schülern eine Wiederholung zumuten. Wir entschlossen uns, eine Projektarbeit mit den Schülern zu starten.

Die Schülerinnen und Schüler sollten sich in Kleingruppen ein spannendes Thema heraussuchen und es erforschen und bearbeiten. An einer Gesamtschule vereinen sich Haupt-, Real- und Gymnasialschüler in gemeinsamen Kursen, dazu Flüchtlingskinder, die nur gebrochen deutsch sprechen – eine richtige “Facharbeit” wie man sie aus der Oberstufe kennt, kann ich nicht erwarten. Um den Kindern die Arbeit zu erleichtern, haben wir eine Struktur vorgegeben:

  1. Titel & Inhalt
  2. Sachzusammenhang
    1. Worum geht es?
    2. Was ist das Ziel der Arbeit?
  3. Analyseteil 1
    1. Welche Fragen habe ich?
    2. Welche Physik benötige ich?
  4. Forschungsteil
    1. Erlernen & erklären der physikalischen Zusammenhänge

    2. Wie bin ich vorgegangen, um den physikalischen Sachverhalt zu verstehen?
    3. Welche Experimente habe ich durchgeführt, um den Sachverhalt zu klären.

  5. Analyseteil 2
    1. Analyse des Sachverhalts mit den erlernten physikalischen Mitteln
  6. Beurteilung
    1. Habe ich mein angestrebten Ziele erreicht?
    2. Welche Schwierigkeiten haben sich ergeben?

Auch einen Bewertungsbogen haben wir zu Beginn ausgeteilt, um eine Hilfe zu bieten.

Die freie Themenwahl ist ganz unterschiedlich ausgefallen, sie sollten die jeweiligen Schüler in erster Linie motivieren:

  • “Untersuchung der Veränderung der Radioaktivität einer Tomate nach der Bestrahlung mit einem radioaktiven Präparat.“
  • „Analyse verschiedener Lampentypen durch die Zerlegung ihres Lichts mit einem Prisma.“
  • „Untersuchung der Auftriebskraft von Heliumballons unter Berücksichtigung der Frage wie viele Heliumballons ein Auto heben können.“
  • „Untersuchung der Hygiene einer Toilettenspülung anhand des Spritzmusters von Tintentröpfchen beim Spülen.“
  • „Welche Kräfte wirken auf einen Tischtennisball und ist es möglich, einen Tischtennisball durch den Aufschlag zu zerstören?“
  • „Wie entsteht Strom in einem Kraftwerk?“
  • „Untersuchung der Kräfte einer auftreffenden Wasserbombe unter der Fragestellung: Würden riesige Regentropfen einen Igel verletzen?“
  • „Untersuchung der magnetischen Felder unter der Fragestellung: Ist der Bau eines Hoverboards möglich?“
  • „Untersuchung des Wirkungsgrades eines Elektromagneten unter der Fragestellung: Wie ändert sich der Wirkungsgrad bei verschiedenen Stromstärken/Spannungen?“
  • „Untersuchung der Verlustleistung einer Überlandleitung“
  • „Wie verändert sich die Physik des Fußballs, wenn man ihn mit Helium füllt?“
  • “Wie würde „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“ aussehen, wenn es kein Animationsfilm wäre?”
  • „Untersuchung der Auftriebskraft eines Tischtennisballs unter der Fragestellung: Kann man die Titanic heben, wenn man sie mit Tischtennisbällen vollpumpt?“
  • “Untersuchung der Kräfte beim vertikalen Wurf”
  • “Untersuchung der Auswirkungen von verschiedenen Feuerwerkskörpern auf Gegenstände und den menschlichen Körper.”
  • “Energieverbrauch verschiedener Sportübungen im Vergleich”
  • “Die Untersuchung verschiedener Lebensmittel auf ihre Tauglichkeit als Ökobatterie.”

Obwohl ich mich aus Lehrerperspektive natürlich bemühen werde, alle Arbeiten objektiv und gleichwertig zu beurteilen, gibt es doch einige Gruppen, deren Forschungsprozess ich besonders spannend fand. Die Untersuchung der radioaktiven Tomate war für die Schüler sehr aufregend: Verändert sie sich durch die Bestrahlung? Kann man die Bestrahlung überhaupt nachweisen?1 Viele Fragen und ein ganz intensiver Lernprozess in den vergangenen Wochen. 1Herausragend auch die Arbeit der Gruppe um die Spritzmuster unterschiedlicher Kloarten (Tiefspüler vs. Flachspüler). Detailliert wurde die Flugbahn einzelner Tröpfchen berechnet, dazu vielsagende Bilder erstellt. Themen, bei denen ich keine Vorstellung vom Ausgang habe, gefallen mir per se gut.

Kommende Woche folgt die Präsentationsphase. Nach der Abgabe der Arbeiten stellt jede Gruppe im Plenum ihre Arbeit vor – auch hier bin ich sehr gespannt auf das Gebotene.

Mit einem Auge schielen die Schüler schon in Richtung Sommerferien. Viele werden die Schule endgültig verlassen, einige in die Oberstufe gehen – ich rechne es allen hoch an, sich noch ernsthaft mit den Themen auseinanderzusetzen. Die Arbeitshaltung stimmt jedenfalls.

1: Nein & Nein – die Schulstrahler sind dafür viel zu schwach. Es passiert gar nichts. Die Gruppe beklagte sich hinterher bitterlich über den vermeintlichen Misserfolg ihres Experiments und verglich ihre Enttäuschung mit dem Augenblick, da man erkennt, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt. “Herr Klinge, gerade fühle ich mich nur leer und traurig.”

4 Gedanken zu „Eine Facharbeit über die Spritzmuster einer Klospülung.“

  1. Sooo interessant kann Physik sein. Beneidenswert Ihre Schüler! In meiner Schulzeit war überwiegend „Tafelphysik“ geboten. Experimente wurden sehr selten gemacht – von der Lehrperson. In sechs Jahren Physikunterricht habe ich genau einmal erlebt, daß wir ein Experiment selber in einer Kleingruppe durchführen durften, nämlich mit einer Federwaage.

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