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Das Lesen gehört (bedauerlicherweise?) zu den Dingen, die ich mangels Zeit aus meinem Leben verbannt habe. Las ich früher rund 30 Bücher pro Jahr, ist diese Zahl inzwischen auf weniger als fünf geschrumpft. Ich habe es vor zwei Wochen nochmal mit Dan Brown versucht, habe das Buch aber nach wenigen Dutzend Seiten abgebrochen. Ich tue das mittlerweile ohne schlechtes Gewissen – dafür ist mir meine Lebenszeit zu kostbar. Nachhaltig beeindruckt haben mich dieses Jahr die Biographie von Steve Jobs und Ralf Dobellis „Fragen an das Leben„, letzteres fordert einen längeren Blogartikel geradezu heraus. Aber Romane… hm.

Statt dessen gewinne ich gerade Lust auf Weiterbildung.
Obwohl meine zehnte Klasse durchaus nicht mit einem frommen Kirchenchor zu vergleichen ist, hält sich meine pädagogische Arbeit doch in Grenzen. Die Jungen und Mädchen sind bald Erwachsen und benötigen nur noch selten dezente Hinweise. Im Laufe der Jahre haben sich viele Rituale perfekt eingespielt. Die Schüler wissen genau, was ich will und wo meine Grenzen liegen.

In Gedanke gehe ich deshalb das neue Schuljahr an: Ich freue mich auf eine neue 5. Klasse. Wildes Gewusel, viel erziehen und begleiten und aufmuntern und trösten. Ich habe mich daher mit einem ganz interessanten Buch auseinandergesetzt: „Entspannungsmomente für Schülerinnen und Schüler“ von Saskia Baisch-Zimmer. Buchprojekte 1Angesprochen hat mich vor allem das Titelbild meditierender Schüler.
Genauso stelle ich mir meine künftige fünfte Klasse vor: Im Schneidersitz auf den Tischen, still versunken in den Moment des Daseins – dankbar für die Lehren, die sie aus meinem Munde erfahren dürfen.

Entgegen meiner verqueren Erwartungen ist das Buch richtig gut. Insbesondere weil es extrem praxisnah ist. Nach einer kurzen Einleitung werden verschiedene „Entspannungsbereiche“ (Atmen, Körperwahrnehmung etc.) vorgestellt und (für mich ganz wichtig) mit ganz konkreten Vorlesetexten gefüllt. Platt gesagt: Ich lerne als Lehrer nicht nur, dass bewusstes Atmen beruhigen kann und dass eine bestimmte Übung ganz cool wäre – Baisch-Zimmer gibt mir von Anleitungstexte über Fantasiereisen viele vorgefertigte Texte an die Hand, die ich vorlesen, variieren oder verwerfen kann. Jedes mal mit konkreter Anleitung und Zielsetzung.

Das gefällt, weil praxistauglich.

Ich weiß nicht, ob ich meine zehnte Klasse noch dazu bringen kann, in meinem Kurs zu meditieren – viele werden diese Begrüßungsrituale aber vielleicht noch aus dem Religionsunterricht kennen. In meiner künftigen 5. Klasse werde ich das jedoch garantiert ausprobieren.

Als ich vor zwei Wochen bei einer Kollegin im Fach Religion hospitierte, ist mir ein solches Ritual übrigens begegnet (und gab dadurch den Anstoß, mich damit zu beschäftigen). Ich habe es nun bis zu den Herbstferien geschafft, jede Woche wenigstens einmal bei den unterschiedlichsten Leuten hineinzuschnuppern. Gestern (am letzten Schultag vor den Ferien) dann bei zwei Kollegen im Fach „Darstellen und Gestalten“. Jede einzelne Hospitation war auf ihre Art spannend – aber das Erlebnis gestern hat mich nachhaltig bewegt: Bis gestern wusste ich über das Fach nämlich nur, dass es existiert. Erdkunde, Religion, Englisch, Deutsch und so weiter sind alles Fächer gewesen, die ich aus meinem eigenen Schülerleben noch dunkel erinnere. Ablauf, Intention und Methoden konnte ich auch als fachfremder Mathematiker erkennen – aber gestern saß ich völlig ahnungslos da. Und das führte zu einem weiteren Anstoß.

Ich habe mich im Nachhinein gefragt, wie ich eine Nachbesprechung all meiner hospitierten Stunden – und insbesondere dieser gestern – geführt hätte. Wie könnte man professionell über das Gesehene sprechen und Phasen- und Methodenwechsel identifizieren und auf ihre Tauglichkeit hin abklopfen.

Aber die Wahrheit ist: Ich habe keine Ahnung.

Ich kann natürlich die Aktivität der Schüler sehen und festhalten, wie der Lehrer agiert. Aber so richtig verstanden habe ich eigentlich nichts. Obwohl mein eigenes Referendariat gar nicht so lang her ist und ich auch seitdem bei genügend Nachbesprechungen anderer Lehramtsanwärter anwesend war, hätte ich inhaltlich überhaupt nichts Qualitatives zu sagen gehabt. Das war wie Fernsehgucken.

Das ist unbefriedigend.

Buchprojekte 2Aus dieser Unruhe heraus habe ich mir ein zweites Buch bestellt, das aber noch auf dem Weg zu mir ist: „Unterricht kompetenzorientiert nachbesprechen“ von Katja Köhler und Lorenz Weiß. Nicht, weil ich vorhabe, meine Kollegen (die mich freundlicherweise hospitieren lassen) im Anschluss mit einer Analyse oder meiner unqualifizierten Meinung zu belästigen und auch nicht, weil ich vorhätte, Fachleiter zu werden (das sind die Ausbilder für Referendare, die von Unterrichtsbesuch zu Unterrichtsbesuch reisen).
Nein, mir fehlt einfach genug Fachwissen, um Schulstunden besser verstehen zu können.
Wie viele Lehrer experimentiere und spiele auch ich in meinem Unterricht. Probiere und verwerfe. Manches klappt in der einen Klasse gut, in der nächsten gar nicht. Nach sechs Jahren Praxis fühle ich mich bereit, wieder mehr Theorie an mich heranzulassen. Ich suche nach gutem Unterricht und dafür ist vermutlich nötig, dass ich besser verstehe, was guten Unterricht ausmacht und dafür muss ich Unterricht im Nachhinein besprechen können.

Wenn alles klappt, findet das Meditieren neben den Kuscheltieren sicher auch seinen Platz bei mir.

6 Gedanken zu „Buchprojekte“

    1. Nein. Bin auch nicht so wahnsinnig begeistert von dem Buch. Es enthält für meinen Geschmack zu viele „pädagogische Trendbegriffe“. Vielleicht war meine Erwartung aber auch falsch.
      Für das Examen ist es aber nicht geeignet.

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