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Gute-Nacht-Geschichten

Ein weiteres Ritual unserer Familie ist die Gute-Nacht-Geschichte.

Aus rein egoistischen Gründen ist mir wichtig, dass keiner unserer familiären Bräuche unabdingbar ist.

Ich kann es nicht leiden, wenn Kinder wegen fehlender Kuscheltiere nicht schlafen können. Wenn sie anfangen zu heulen, nur weil es heute mal anders läuft. Oder, oder, oder.

Klar, Rituale sind wichtig! Aber ich möchte mich ihnen nicht unterordnen. Darum macht jedes Kuscheltier von Zeit zu Zeit mal eine Reise, so dass meine Tochter auch ohne einschlafen kann. Mal gibt es Gute-Nacht-Geschichten, aber nicht immer – so dass ich auch mal entspannt zum Besuch im Wohnzimmer zurückkehren kann.
Obwohl ich um die Bedeutung von festen Ritualen für Kinder weiß, tue ich mir schwer, die Geduld aufzubringen, ihnen gerecht zu werden. Denn, jede Gute-Nacht-Geschichte läuft gleich ab.

“Heute mal Schneewittchen!”

Ich seufze.

“Schooooon wieder?”

Carolina nickt, legt sich hin, deckt sich zu.

Und du musst lesen, bis ich eingeschlafen bin!”

Jeden Abend sagt sie das. “…bis ich eingeschlafen bin!”

Sie schließt die Augen, ich schmunzle und beginne.

“Es war einmal…”

Sofort schlägt meine Tochter die Decke zurück und springt auf. Sie kann die Spannung nicht ertragen und will unbedingt ins Buch gucken.

Zwei Sätze.

Mehr habe ich nie geschafft. Trotzdem legt sie sich jedes mal hin, deckt sich zu, schließt die Augen und verlangt von mir, so lange zu lesen, bis sie eingeschlafen ist. Jeden Abend.

Und dann, immer wieder, wird mir klar, dass ich es bin, der dieses Ritual liebt.

Ich liebe es, wenn sie vor Spannung nicht liegen bleiben kann.

Ich liebe es, wenn sie mich unterbricht um mir mit düsterer Stimme vorzumachen, wie der Spiegel spricht. Wenn sie mir erzählt, was als nächstes passiert.

“Neeeiiin! Das ist doch nur eine liebe alte Frau, die Schneewittchen einen Apfel schenken möchte!”

“Oh Papa! Das ist eine böse Hexe! Du wirst sehen, ich hab recht!”

Carolina, du bist noch ein kleines Baby und verstehst das noch nicht. Die Frau ist lieb!”

Mitleidiger Blick (den hat sie von ihrer Mutter geerbt).

“Wir werden sehen, wer recht hat, Papa.”

Jeden Abend das gleiche Spiel.

Ich liebe es.

6 Gedanken zu „Gute-Nacht-Geschichten“

  1. Ich weiß ja, dass du es nicht magst wenn ich dich lobe 🙂
    Aber, wenn ich die Chance hätte würde ich dich auch noch zum Vater des Monats wählen 🙂
    Du bist echt klasse ^^

  2. Pingback: Kuscheltier verschwunden. « …ein Halbtagsblog…

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