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Reisen mit Chinesen

Vor einigen Tagen wurde in den USA die “National Sex Study” der Universität Indiana in Bloomington veröffentlicht – mit teils überraschenden Ergebnissen: 80 Prozent der sexuell aktiven Männer zwischen 14 und 17 haben beim letzten Sex zum Kondom gegriffen. Oder: 40 Prozent der 17-jährigen Männer hatten im vergangenen Jahr mindestens einmal sexuellen Verkehr mit einer Frau.

Das Problem mit solchen Erhebungen ist, dass sie einfach nicht stimmen. Und dazu möchte ich eine kurze Geschichte1 erzählen (ja – das ist wieder eines dieser spannenden Soziologie-Experimente…):

Zwischen den Jahren 1930 und 1931 reiste der Soziologieprofessor Richard T. LaPiere in Begleitung seiner chinesischen Freunde zweimal quer durch die USA. Zehntausend Meilen, 66 Hotelbesuche und 184 Restaurantbesuche später konnten sie auf eine tolle Zeit zurückblicken: Nur ein einziges Mal wurden sie abgewiesen (“Nein, ich mag keine Japsen!”).
Ansonsten aber wurde die kleine Reisegruppe ausgesprochen höflich behandelt – die wenigsten Menschen auf dem Land hatten je Kontakt mit Asiaten gehabt (man mag sich erinnern: dreißig Jahre später sorgte die Rolle des Asiaten Sulu auf dem Raumschiff Enterprise immer noch für erregte Gemüter..). Doch die drei Reisenden stießen nicht etwa auf Ablehnung mit Mißtrauen, sondern auf besonders zuvorkommendes Verhalten.
Lapiere führte genau Buch über die Reise und die Begegnungen mit Empfangschefs, Gepäckträgern, KellnerInnen etc. Manchmal schickte er seine chinesischen Freunde auch alleine in ein Restaurant und kam erst später nach. Alles war… prima.

Wieder zu Hause angekommen rief LaPiere die Hotels an. Ob er mit seinen chinesischen Freunden ein Zimmer mieten dürfe, fragte er an. “Nein”, hieß es bestimmt am Ende der Leitung.
LaPiere rief in den anderen Hotels an. Und in den Restaurants. Bei 128 Anfragen wurde sein Ansinnen 127 mal abgelehnt. Er solle sich mit seinen chinesischen Freunden zum Teufel scheren. Vielleicht, mutmaste LaPiere, hatten sie selbst diese negative Einstellung verursacht? Er rief also auch jene Hotels und Restaurants an, in denen sie nie waren.

Mit gleichem Ergebnis.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist das nun ein sehr erstaunliches Ergebnis: Denn es weist nach, dass Menschen bei Umfragen womöglich nur angeben, wie sie sich verhalten wollen und nicht, wie sie es tatsächlich tun. Damit sind aber viele Umfragen und Auswertungen sinnlos. Auf die sensationellen Daten der Univeristät Indiane bezogen bedeutet dies, dass 80% der Männer zumindest auf dem Papier ein Kondom genutzt haben. Und das 40% der 17jährigen sich zumindest wünschen, mit einer Frau sexuellen Verkehr gehabt zu haben. Aber was wirklich war…
Stanley Milgram nahm sich dieses Problems an und entwickelte eine raffinierte Methode, um an brauchbare Daten heranzukommen – aber darüber schreibe ich ein anderes Mal Smiley

 

1 aus: Schneider, Reto; Das Buch der verrückten Experimente, S. 99ff

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Ein Gedanke zu „Reisen mit Chinesen“

  1. Hallo,

    es mag ja sein, dass Umfragen nicht genau die Realität widerspiegeln. Aber dein Vergleich hinkt.
    Es hängt ja wohl entscheidend von den Versuchsbedingungen ab, wie nahe das Ergebnis an der Realität liegt. Ob das Vorgehen von Soziologieprofessor Richard T. LaPiere wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, scheint mir zumindest fragwürdig.
    —-
    Gerade bei Minderjährigen (14-17 Jährigen Männern) hängt das Ergebnis doch davon ab, wer die Fragen stellt (Mann oder Frau, jung oder alt), wie die Fragen gestellt werden (schriftlich, mündlich, telefonisch), in welchem Umfeld (allein oder in Gruppen).
    Darüber hinaus ist es ja wohl ein Unterschied, ob ich jemanden Frage was er in Zukunft tun würde, oder was er in der Vergangenheit getan hat.
    Insofern scheinen die Prozentzahlen zwar etwas hoch, aber auch wieder nicht völlig aus der Luft gegriffen.
    Gruß,
    Winni.

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