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Kernfusion? Wat is dat denn?

Kernfusion? Wat is dat denn? 1Etwas leichtfertig schrieb ich gestern, ich sei – als Physiker – ein Anhänger der Kernfusion, was berechtigte Zwischenfragen – auch in den Kommentaren gestern – aufwarf.

“Kernfusion? Wat is dat denn?!”, frug meine Frau mich gestern (seit ich ihre Predigt kritisiert habe, nimmt sie meine Blogeinträge gnadenlos auseinander…). Mir lag eine rtfm-Antwort auf der Zunge – aber im Interesse meiner Ehe habe ich dann erstmal tief Luft geholt.

Kernspaltung ist das, was wir aktuell haben. Schwere Atome wie Uran oder Plutonium werden ‘gespalten’, dabei wird Energie frei. Damit macht man Strom. Übrig bleiben dann haufenweise “halbe Atome”, die strahlen weiter und sind gefährlich. Strontium, Cäsium, Jod. Viele giftige Stoffe, die noch tausende Jahre giftig bleiben.

Kernfusion funktionert anders. Dabei werden ganz leichte Atome genommen (Wasserstoff) und so stark erhitzt, dass sie zusammenschmelzen zu einem etwas schwereren Atom. Auch dabei wird Energie frei. Ungeheuer viel Energie sogar. Und übrig bleibt Helium, damit können wir uns dann lustige Mickey Mouse Stimmen machen. Wasser(-stoff) haben wir genug auf der Erde. Das passiert ununterbrochen in der Sonne (also: die Fusion, nicht, dass Physiklehrer MickeyMouse-Stimmen machen!)
Der Reiz der Kernfusion liegt nicht nur darin, dass es keinen radioaktiven Restmüll gibt, sondern auch darin, dass – platt gesagt – ein Swimming Pool voll Wasser ausreicht, um ganz Deutschland ein Jahr lang mit Strom zu versorgen.

Sicherheitsbedenken gibt es im Grunde keine, denn wenn so ein Kernfusionsreaktor mal kaputtgeht, wird es für die Reaktion zu kalt und die Fusion erlischt. Da entstehen keine schwarzen Löcher oder so. Versprochen.

Im Augenblick bauen verschiedene europäische Länder gemeinsam mit China, Indien, Japan, Russland, Südkorea und den USA gemeinsam einen Versuchsreaktor in Frankreich, den ITER. Gemeinsam deshalb, weil der sehr teuer ist.

Einige Hürden sind auf dem Weg zur Kernfusion noch zu nehmen: Zunächst einmal haben viele Menschen Angst, wenn sie mit Begriffen wie Kernfusion, Kernphysik, Atomkraft etc. konfrontiert werden. Mit Angst wird Politik und Stimmung gemacht – über viele Jahrhunderte hinweg hat die Wissenschaft gegen Skepsis und Angst der Menschen anzukämpfen. Außerdem kostet Forschung und Entwicklung Geld. Der Versuchsreaktor wird insgesamt wohl etwa 16 Milliarden Euro kosten. Wenn man weiß, dass das Budget der US-Streitkräfte im Jahr 636 Milliarden Dollar beträgt und wir in Deutschland mit 7,6 Milliarden Euro das wohl teuerste Pay-TV der Welt haben, dann kann man das besser einschätzen.

Kernfusion? Wat is dat denn? 2Und zuletzt: Es gibt eine Menge Leute, die ein hohes Interesse daran haben, dass die Kernfusion niemals realisiert wird. Man muss sich das mal klarmachen: Ein Fusionsreaktor würde bedeuten, dass wir unendlich viel Energie zur Verfügung hätten. Strom wäre praktisch kostenlos – und das ist sicher nicht im Sinne der Energiekonzerne heute. Und wenn man im Hinterkopf hat, dass auf jeden Bundestagsabgeordneten etwa sechs Lobbyisten kommen… Nunja.

Aber wenn wir es schaffen, einen Fusionsreaktor zu bauen, dann würde das den Sprung in ein neues Zeitalter der Menschheit bedeuten. Wenn ich praktisch beliebig viel Energie zur Verfügung habe, dann kann ich aus dem Meer Trinkwasser gewinnen. Produkte würden billiger. Wir könnten mehr produzieren bei geringeren Kosten und  würden vielleicht auch was den armen Menschen in Afrika geben (aber nur vielleicht!).
Wir leben in einer unfassbar spannenden Zeit und mir ist es sehr wichtig, dass wir – und besonders meine Schüler – mit offenen Augen durch die Welt gehen. Was geschieht wo? Warum geschieht das? Wie kommt es, dass Glühlampen nur 1000 Stunden halten, obwohl 100.000 Stunden möglich wären? Was ist Atomkraft? Was kann ich für diese Welt tun?

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6 Gedanken zu „Kernfusion? Wat is dat denn?“

  1. Hallo,

    schöne Einführung zur Kernfusion. Ich hätte da ein paar Anmerkungen:

    Wasserstoff (aus Wasser) ist nicht der einzige Rohstoff/Brennstoff, den man für Fusionsreaktoren braucht. Man braucht neben schwerem (Deuterium, H-2, selten, nur 1/1000 des Wasserstoffes ist schwer) noch überschweren Wasserstoff (Tritium, H-3), der ist radioaktiv mit einer Halbwertszeit von 12,33 Jahren natürlich praktisch nicht vorhanden ist. Diesen muß man erbrüten, und zwar mit der Reaktion: Li-6 + n —-> He-4 + H-3. He-4 ist das häufigere Heliumisotop, das fällt als „Abfall“ an (ein sehr harmloser, technisch höchst brauchbarer Stoff), und H-3 ist das erwünschte Tritium. Dafür braucht man Lithium-6, das ist das seltenere der beiden stabilen Lithiumisotope. Lithium selber ist auch wieder selten, und daher das begrenzende Element bei der Brennstoffliererung für die Kernfusion.

    Die Kernfusionsreaktion H-3 + H-2 -> He-4 + n liefert als Nebenprodukt Neutronen. Diese sind mit einer Halbwertszeit von ca. 10 Minuten radioaktiv (es wird einfacher Wasserstoff H-1 draus) und kommen als solche nicht aus der Anlage heraus, sind insoweit direkt nicht gefährlich. Zum Teil sind sie noch nutzbar, da sie das Tritium erbrüten. Allerdings läßt sich nicht verhindern, daß die Neutronen von Atomkernen des Reaktoraufbaus (Aluminium, Eisen, Kupfer, Kunststoffe mit Kohlenstoff, Sauerstoff, und vielen anderen Elementen) eingefangen werden. Dadurch werden die Atomkerne in andere Isotope verwandelt, einige davon sind radioaktiv. Diesen Vorgang nennt man Aktivierung. Die Folge davon ist, dass auch ein Fusionsreaktor spätestens bei der Demontage nach seiner Lebensdauer radioaktiven Abfall produziert, zwar nur einen minimalen Bruchteil dessen, was ein Kernspaltungs-Reaktor produziert, aber doch nicht nichts.

    Ich denke nicht, dass mangelnde Finanzierung durch die Politik das wesentliche Hemmnis zum Aufbau eines Fusionsreaktor ist, sondern die erheblichen zu lösenden technischen Probleme, auch wenn eine bessere Finanzierung sicher manches einfacher und schneller machen könnte.

  2. Ein interessantes Thema, doch ich würde mich freuen wenn ein aktueller Stand der Forschung auch publik gemacht würde. Ich glaube die USA besitzt zur Zeit das größte Forschungsprojekt dieser Art. Würde mich freuen mehr über dieses Thema zu hören.

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