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Vater-Sohn Dialoge 2

imageVor einiger Zeit sah ich mir mit meinem Bruder den Film “Rate mal, wer zum Essen kommt” aus dem Jahre 1967 an.

Darin geht es um eine junge weiße Amerikanerin, die ihren schwarzen Verlobten mit nach Hause bringt, was allerhand Probleme nach sich zieht. Gegen Ende des Films muss sich Sidney Poitier gegen den Rassismus seines Vaters erwehren und es kommt zu einem weiteren, brillianten Dialog zwischen einem Vater und seinem Sohn. (Eine klare Filmempfehlung an dieser Stelle!)

“All die Jahre hatten deine Mutter und ich immer genug Grund, stolz auf dich zu sein und jetzt machst du so etwas”, schimpft Roy Glenn in der Rolle des Vaters. “Es ist meine Entscheidung”, giftet Poitier zurück und erhitzt damit die Gemüter.

“Ich verbitte mir diesen Ton! Ich bin dein Vater. Nach allem, was ich für dich getan habe! Das weißt du so gut wie ich. Ja, du hast es geschafft, du bist jetzt ein großer Mann. Aber ich habe mir den Arsch aufgerissen um das Geld zusammenzukratzen damit du studieren kannst. Weißt du, wie weit ich in 30 Jahren meine Posttasche getragen habe? Über 100.000 Kilometer. Und abends habe ich noch bei anderen Leuten den Rasen gemäht damit du nicht in der Fabrik arbeiten musstest, sondern über deinen Büchern sitzen konntest.
Nie hat deine Mutter sich irgendwas gegönnt. Deinetwegen hat sie verzichtet. Nicht auf überflüssiges Zeug. Auf einen Wintermantel. Auf einen lausigen Wintermantel! Und jetzt tust du so, als ob dir das alles nichts bedeutet und brichst deiner Mutter das Herz?”

Wieder eine Pause. Wieder saß ich da – fühlte mich wie Theo Huxtable. Klein. Stimmt es denn nicht?, fragte ich mich. Schulde ich meinen Eltern nicht Dank und Respekt und Hingabe? Muss ich nicht zurückzahlen, was sie in mich investierten?

Weil ich ihr

Sohn

bin?

Aber dann antwortet Poitier.
”Jetzt will ich dir mal was sagen. Ich schulde dir… Gar nichts! Und wenn du deine Posttasche auch Millionen Kilometer weit geschleppt hättest, das warst du mir schuldig. Denn du hast mich in die Welt gesetzt. Und von diesem Augenblick an schuldetest du mir alles, was du für mich tun konntest. Genauso wie ich meinem Sohn, wenn ich jemals noch einen haben sollte.”

Brilliant.
Beides sind brilliant geschriebene Dialoge die mich tief getroffen haben. Vor allem deshalb, weil plausible Haltungen und Erklärungsansätze (Theos Wunsch nach Liebe ohne Leistung von seinem Vater und Glenns Wunsch nach Respekt von seinem Sohn) von drastischen, ebenso plausiblen Antworten niedergeschmettert wurden. Beide Male dachte ich nur…

Wow.
Es läßt mich über meine Erziehung nachdenken. Sowohl diejenige, die ich genossen habe, als auch jene, die ich nun ausübe. Bin ich meiner Tochter alles schuldig, was ich für sie tun kann? Bin ich, als Lehrer, meinen Schülern alles schuldig, was ich für sie tun kann? Weil sie meine Schüler sind? Oder muss/soll/kann ich sie einfach “so akzeptieren, wie sie sind?”

Fördern und Fordern. Oder nicht?

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