Nach den entsetzlichen menschenverachtenden Vorgängen an einer Ratekauer Schule, an der im Rahmen einer Projektwoche ein Kaninchen geschlachtet, gebraten und verzehrt wurde, habe ich eine Menge interessanter Gespräche führen dürfen.
Mit Eltern, die meiner Argumentation folgen konnten und mit solchen, die mich meine Einstellung aufs Schärfste verurteilen. Dabei ist ihre Haltung zu der Geschichte in Ratekau nur ein kleiner Aspekt eines, vom Fundament her, unterschiedlichen Verständnisses von Erziehung.
Dieser spezielle Aspekt dreht sich um die Frage, wie wir unsere Kinder mit Verlust konfrontieren, nicht wahr? Haben wir immer ein Ersatz-Kuscheltier parat, falls das Schäfchen mal bei Oma vergessen wird? Oder setzen wir Kinder dem Verlust von z.B. Haustieren oder Verwandten auch aus?
Wie immer, wenn ich mir solche Fragen stelle, muss meine Tochter für ein Experiment herhalten: Ihr absolutes Lieblingskuscheltier ist neulich “verschwunden” – ich habe es nämlich auf einen Schrank geworfen. Nach zwei, drei Stunden bemerkte Carolina den Verlust und begann zu suchen. Erfolglos.
Trauer beim zu-Bett-gehen. Meine Frau wirft mir böse Blicke zu. Ich hingegen freue mich: Lina ist nicht zickig, es gibt keine Tragödie epischen Ausmaßes oder eine schlaflose Nacht. Nur gesunde Trauer und gesundes Grübeln.
Am nächsten Tag sucht sie “Tiger” nochmal. Erfolglos. Aber auch andere Dinge beschäftigen sie und der Tiger gerät in Vergessenheit.
Am dritten Tag schließlich ist Tiger von seiner Reise heimgekehrt. Carolina freut sich und alles geht seinen gewohnten Gang.
An dieser Stelle erahne ich die ersten bösen Blicke (und es kann sich nur noch um Minuten handeln, bis meine Schwiegermutter anruft und mich “zum Gespräch” bittet.. ). Eine (ältere) Freundin von mir schüttelte ob dieser Geschichte erbost den Kopf. “Da bist du knallhart, oder?”, fragte sie mich. Und erzählte später, wie sie in den fünfziger Jahren im Alter von fünf losgeschickt wurde, um alleine die Kühe zu füttern.
Bevor nun in den Kommentaren das Geschimpfe über meine grausamen Erziehungsmethoden losgehen, lasst uns kurz überlegen, was genau geschehen ist:
Ein Kuscheltier ist für zwei Tage verschwunden.
Ein Kuscheltier ist für zwei Tage verschwunden.
Ein Kuscheltier.
Für zwei Tage.
Zwei.
Ich bin schon der Meinung, dass Kinder lernen sollten, mit Enttäuschung und Verlust umzugehen. Mit Frustration. Mit Rückschlägen. Rituale sind mir sehr, sehr wichtig. Kinder müssen sich auf bestimmte Begebenheiten verlassen können. Aber kein Ritual darf Selbstzweck werden. “Erst kommt die Wanze, dann die Wanzenordnung.” wie es in einem populären Theaterstück heißt.
Probierts doch mal aus!
Ich bin völlig deiner Meinung! Meine Kinder hatten bis zu einem bestimmten Alter Kuscheltiere, die ihnen wichtig waren. Aber ihr Wohlbefinden war davon nicht abhängig. Und auch wenn es weit hergeholt schent: das ist ein erster Schritt Richtung Sucht-Prävention. Aushalten können, das etwas, was man mag, nicht da ist, darauf verzichten können, ohne dass man sich schlecht fühlt…
Danke. 🙂