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IMAG0118Verschiedene Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Mädchen und Jungen mit unterschiedlichen Leistungen aus der Schule kommen. Ausgehend von einer Mädchenförderung in den vergangenen Jahren sind es jedoch heute eher die Jungen, die einer Förderung bedürfen.
Wenn ich auf das Schuljahr zurückschaue, dann bin ich auf meine Klasse wirklich stolz: Die ständige Rotation der Sitzplätze hat zu einem guten Lernklima geführt; die enge Zusammenarbeit mit den Eltern half, die Klassenclowns zu bändigen. Trotz allem bin ich etwas unzufrieden: An welcher Stelle dürfen die Jungs sich im Schulalltag mal so richtig austoben?
Die Antwort: Heute.

Von einem Kollegen übernahm ich die Idee eines Junge-Mädchen-Tages.
ZOE_0011Da an unserer Schule stets zwei Lehrer eine Klasse führen, bietet sich so ein Projekt an. Ich überließ die Mädchen meiner Co-Klassenlehrerin und zog mit den 16 Jungs los. Geplant war eine kleinere Wanderung durch den Wald mit wildem Fußballspiel bei bestem Wetter.
Außerdem hatten alle ihre Wasserpistolen mitgebracht, so dass im Anschluss eine wilde Schlacht im Wald stattfinden konnte. Dazu eine coole Abwandlung: Die Jungen bildeten drei Teams, die gegeneinander kämpfen sollten, außerdem bekam jeder mit einer Sicherheitsnadel ein Papiertaschentuch angesteckt. Fiele dieses Taschentuch ab, wäre man tot und müsse zur Basis zurückkehren. (Während des Spiels wurden die Regeln geändert: Wer kein Taschentuch mehr hatte, verwandelte sich – ganz zeitgemäß – in einen Zombie und die paar Überlebenden mussten sich schließlich einer wachsenden Zahl Untoter erwehren..) Während martialische Schreie durch den Wald hallten (alle laufen schneller, wenn man von einem amerikanischen “Go, Go, Go!” angetrieben wird) und Wiedersehen gefeiert wurden IMAG0119(“Dominik…?! Du lebst?!”) saß ich entspannt an der Wasserquelle und sah zu und fotografierte. Ich ging davon aus, dass die Kinder merken würden, dass es großen Spaß machte, sich gegenseitig abzuschießen – noch viel mehr Freude aber, den Lehrer ins Visier zu nehmen. Tatsächlich aber blieb ich unbehelligt – niemand gab auch nur einen Schuss auf mich ab.
Nach einer zünftigen Schlacht – die vor allem wild und lustig und nass war, ging es zurück in die Sonne zum trocknen. Und dann begann ein kleines Survival-Training. Einer aus der Gruppe simulierte ein vom Zombie abgefressenes Bein einen verstauchten Fuß. Zügig musste eine Behelfstrage gebaut werden mit den Materialien, die sich gerade anboten. Es wurden zwei verschiedene IMAG0120Möglichkeiten ausprobiert, das Opfer den Verletzten zurück zur Schule zu bringen und alle halfen mit.
Wie auch bei meinen letzten Exkursionen und Projekten mit meiner Klasse stand die Disziplin – wenn auch unausgesprochen – im Vordergrund.  Niemand darf aus der Reihe tanzen; die Gruppe bleibt beisammen; Grundregeln des Miteinanders werden eingehalten. Nur so klappt so ein Tag.

Und während ich mir im Wald einen schönen anstrengenden Tag machte, IMG-20130716-WA0006hatte meine Kollegin mit den Mädchen eine Modenschau durchgeführt, Muffins gebacken und  Popcorn und  den Kino-Abschluss vorbereitet.

Die Resonanz bei den Kindern war sehr groß. Bitte! Unbedingt nochmal!

Und, ja! Ich denke, dass wird eine schöne Tradition, am Ende des Jahres einen Jungs-Mädchen-Tag einzuführen.
Natürlich wird jetzt die Frauenbeauftragte des Kollegiums der ein oder andere Leser innerlich aufschreien und mir vorwerfen, ich würde Stereotype bedienen, ja fördern.

Und ja, das stimmt.

Ich glaube auch, dass Rollenvorbilder (und insbesondere männliche) viel zu rar gesät sind in Kindergarten, Schule und Alltag. Einen ganzen Vormittag lang haben die Jungs sich “wie Männer” fühlen dürfen, indem sie ohne Rücksicht auf Kratzer und Schrammen durch Hecken und Büsche gesprungen sind. Gerade Jungs, die sich im IMAG0124Raum Kita/Schule stets neben stillen, gut erzogenen Mädchen behaupten müssen; die den Ball gerne mal an die Decke bolzen wollen, es aber nicht dürfen, da dort Basteleien und ausgesägte Schmetterlinge hängen. Und einen ganzen Vormittag durften die Mädchen sich “wie Frauen” fühlen, indem sie Kleider entwarfen und rosa Kuchen buken, ohne die spöttischen Kommentare der Jungs über sich ergehen lassen zu müssen. Ich fördere nicht wirklich Stereotype: Einige meiner Jungs haben im vergangenen Jahr die Koch-AG besucht und einige Mädchen die Fußball-AG. Aber heute… heute musste eine Armee von Zombies besiegt werden. Und da bedurfte es echter Kerle ;-).

 

Wie versprochen für meine Schüler (und ihre Eltern) ein kurzer Zusammenschnitt des Tages:

Jungs-Mädchen-Tag

12 Gedanken zu „Jungs-Mädchen-Tag“

  1. Klingt ja super! Aber ich wäre als Mädchen extrem angefressen gewesen, da nicht dabei sein zu dürfen. Waren das alles Schülerinnen, die dem Mädchenklischee entsprachen oder hätten diverse „Rebellinnen“ überhaupt nicht die Gruppe wechseln können? Außer dem Muffinbacken hätte mich das Mädchenprogramm enorm gelangweilt und gefrustet.

    1. Überhaupt nicht: einige Mädchen sind dieses Jahr in der Fußball-AG und einige Jungs in der Koch-AG gewesen. Ich glaube, es geht auch weniger um die Inhalte als vielmehr die homogene Geschlechtergruppe: hätte ich mit den Jungs Kuchen gebacken oder einfach nur gequatscht, wäre das genauso angekommen.

  2. Eine kleine böse Stimme in meinem Kopf sagt: Was würde Hermann Giesecke dazu sagen 😀 😀 😀 😀

    Aber nein, ich finde das gut und zum Ende des Schuljahres muss das auch mal sein.

  3. Schön. 🙂 🙂 🙂

    Eine Nachfrage zum rotierenden Sitzplan … Wie funktioniert das? In welchem Zeitabschnitt? Vom Lehrer vorgegeben, Wünsche der Schüler berücksichtigt? Und WIE haben die Fachlehrer darauf reagiert?

    Liebe Grüße aus Dresden

    1. Also:
      Etwa alle 6 Wochen wird rotiert. Grobe Richtschnur: Immer nach meinen Klassenarbeiten.
      Die Sitzordnung gebe ich komplett vor, die Wünsche der Schüler werden ignoriert. Vorherrschendes Muster ist Junge-Mädchen-Junge-Mädchen mit besonderem Schwerpunkt auf der gleichmäßigen Verteilung der Klassenclowns im Raum 😉

      Diese von mir bestimmte Rotation hat (in meinen Augen) mehrere Vorteile:
      => es sitzen nicht immer nur die Cliquen und beste Freunde zusammen. Anders ausgedrückt: Die Außenseiter sitzen nicht immer allein.
      => es sitzen nicht immer die gleichen Leute in der ersten bzw. letzten Reihe.
      => da ich die Sitzordnung bestimme bin ich auch schuld. Anders: Es gibt keine Streitereien in der Klasse um die Sitzordnung, weil ich allein alles entscheide.
      => der begrenzte Zeitraum hat den Vorteil, dass die Kinder auch mit (für sie) ätzenden Plätzen leben können. 6 Wochen hält man das mal aus.
      => dadurch, dass jeder mal neben jedem sitzt, lernt man jeden auch mal kennen und stellt fest: Och.. so doof ist der/die gar nicht.

      Besonders der letzten Punkt macht sich – in meinen Augen – stark bemerkbar. Meine Klasse hat ein starkes Sozialgefüge und das führe ich (auch) darauf zurück, dass sie sich gegenseitig gut kennengelernt haben.

      Den Fachlehrern habe ich das Prinzip erklärt und die können gut damit leben. Sie sehen ja auch, was bei rumkommt. Ich versuche allerdings, Rotationen direkt vor Unterrichtsbesuchen der Referendare zu vermeiden 😉

      1. Danke für die schnelle Antwort.
        Werde ich im Hinterkopf behalten. 😉
        Ich habe ein paar Außenseiter, neben denen will und kann eigentlich keiner sitzen. … aber für 6 Wochen sollte das möglich sein. Mal sehen, ob ich das umsetzen werde.
        Liebe Grüße aus Dresden

  4. Backen und Mode, Dinge die mich gerade in diesem Alter nie interessiert haben und es auch heute eher nicht tun. Wohingegen das Jungen-Programm total auf mich zugeschnitten gewesen wäre! Da wäre ich als Mädchen aber auch total gefrustet gewesen und hätte mich geärgert kein Junge zu sein!

    Grundsätzlich finde ich solche Ideen gut, nur leider schade, dass durch solch stereotypische Programme die ein oder anderen Kinder untergehen – was ist mit Jungen die Fußball doof finden (gibt es!) und Mädchen die eher einem wilden Jungen ähneln und sich auch mal in einer Gruppe austoben wollen? Kann man nicht mit beiden Geschlechtergruppen – getrennt – einen wilden und einen gemäßigteren Programmteil durchziehen? Aber bitte ohne Rosa! *schüttel*

    1. Mädchen wie Jungs haben sich die Inhalte selbst überlegt. Wir Lehrer haben nur begleitet.
      Aber nochmal: der wesentliche Faktor war die Trennung der Geschlechter, der Inhalt war nicht so wichtig, glaube ich. Mit den Jungs hätte ich auch backen, computerspielen oder Lego spielen können.

  5. Pingback: Inklusion im Hühnerkäfig - ...ein Halbtagsblog...

  6. Pingback: Brieffreundschaft & Ausblick – Halbtagsblog…

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