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Ich unterrichte unter anderem zwei Schwestern in Physik.
Die eine in meinem großartigen Oberstufenkurs1, der sich auch in der neunten Stunde nicht zu schade ist, gutgelaunt Professor Moriarty das Handwerk zu legen oder auszurechnen, welcher Typ Flaschenöffner bei der Abi-Feier am besten zum Einsatz kommt.
Die andere Schwester in einem Kurs, der weit weniger Enthusiasmus verströmt: Der Fokus liegt auf den Zentralen Abschlussprüfungen und Physik ist ein Fach, das in erster Linie langweilig und anstrengend ist. Ein paar mühen sich – aber es bleibt genau das: Mühe.

Und während die eine Schwester große Freude an meinem Unterricht hat, würde die andere mich “am liebsten austauschen”.

Skurril.

Der gleiche Lehrer. Der gleiche Unterricht. Die gleichen Experimente. Das gleiche Fach.

Unterschiedliche Wahrnehmung.

Ein paar Tage habe ich darüber nachgedacht. Gegrübelt.
Und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass die Qualität von Unterricht zu ganz wesentlichen Teilen auch davon abhängt, wie viel “Lust” die Schüler auf Unterricht haben. Es ist nicht so, dass ich im zweiten Kurs nur ödes Zeug machen würde: Wir schließen Würstchen an Steckdosen an, werfen meinen Physikbären vom Dach der Schule, machen Tauziehen und berechnen, ob der gute Spiderman sich bei seinen langen Schwüngen durch New York nicht eigentlich den Arm ausreißen müsste.

Es ist aber so, dass in dem einen Kurs ein Flow.. ein gewisser Charme entstanden ist. Als ob die Schüler sich innerlich dazu entschieden haben “Okay, jetzt haben wir halt Physik – machen wir das beste draus!”. Und zur gleichen Zeit will der andere Kurs es irgendwie hinter sich bringen.
Nur zu oft verweise ich darauf, dass diese “innere Haltung” eine ganz wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Lernen ist. Das Prinzip der Lernthekenarbeit basiert darauf.

Bei allen Bestrebungen, Unterricht zu analysieren und mittels Lehrplan und Curriculum zu vereinheitlichen – am Ende entscheiden die Schüler zu großen Teilen selbst, wie ein Kurs abläuft.

Für uns Lehrer ist das dann schade – Schule macht mehr Spaß, wenn man Spaß hat. Auch uns.

1: diesen Kurs habe ich inzwischen leider abgeben müssen.

4 Gedanken zu „Dr. Jekyll & Mr. Hide“

  1. Ein wichtiges Argument für mehrere Kinder – wenn ich überlege, wie oft ich schon völlig gegensätzliche Meinungen gehört habe… der eine isst so gut wie nie in der Mensa, weil es da total eklig ist (zu Hause isst er alles, was ich ihm vorsetze); der andere isst täglich in der Mensa (ist zu Hause aber extrem wählerisch). Dieselben Kinder, Lehrer, Lehrwerke, Inhalte sind für den einen super, für den anderen grässlich, dieselben pädagogischen Kniffe funktionieren mal beim einen, mal beim anderen – ich möchte nicht wissen, was ich über Schule, Hort, Mensaessen denken würde, wenn ich nur ein Kind hätte.

  2. Frau Henner frauhenner.blogspot.com

    Jau, aber es ist nicht nur die Lernhaltung des Einzelnen, sondern auch die Atmosphäre des Kurses. Je nach Zusammenstellung kommen da ganz unterschiedliche Einstellungen einer Klasse zum Lehrer und zum Unterrichtsfach heraus. Manchmal reicht ein Miesepeter und die nette Stimmung ist hin. Manchmal rettet eine Ulknudel eine ganze Klasse vor geistiger Lethargie.

  3. Pingback: Von der Apple Keynote zu meinem Unterricht – halbtagsblog

  4. Pingback: "Langweilen Sie uns bloß nicht!" - Halbtagsblog

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