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Schulpolitik

IMG_20140312_155718Meine Tochter geht auf eine Ganztags-Grundschule in Siegen, die mit dem städtischen Familienzentrum kooperiert. Das bedeutet, vormittags herrscht normaler Unterricht in altersgemischten Klassen, nachmittags gibt es betreute Gruppen. Eine dieser Gruppen wird vom (Familienzentrum) Kindertreff Siegen gestaltet – dort existieren mehr Fachpersonal, mehr Mittel und mehr Möglichkeiten, mit den Kindern zu arbeiten, als in einer reinen “Betruungsgruppe”.
Nachmittags fährt meine Tochter schon mal ins Museum, der Vorlesehund kommt einmal die Woche und die Kinder kochen und backen gemeinsam. Mit “Kinder” meine ich “unterschiedliche Kinder” und mit “unterschiedliche Kinder” meine ich solche mit und ohne Behinderung, solche mit Migrationshintergrund und solche ohne, Bildungsschichten und soziale Randgruppen.
Geht man nachmittags durch die Räume, merkt man von den Unterschieden nichts – denn die Sozialarbeiter machen richtig gute Arbeit. Tatsächlich profitiert der Kindertreff sehr von der Einbindung in die Schule – und umgekehrt ist die Arbeit des Kindertreffs ein Aushängeschild der Grundschule.

Alles prima, könnte man meinen.

Denn bedauerlicherweise hat die Schulleitung dem Kindertreff die Mitarbeit zum kommenden Schuljahr gekündigt.

Nachfragen sind unerwünscht. Das “gehe die Eltern nichts an”.
Ich bin irritiert und erlebe die volle Breitseite schulpolitischen Frusts aus Elternperspektive: Die oberste Schulleitung hat weder vernünftige Gründe, diese Zusammenarbeit zu beenden noch ein Interesse daran, sich mit den verärgerten Eltern auseinanderzusetzen. Gnädigerweise wird ein Elternabend zur Information eingerichtet: Zwei Wochen vor den Sommerferien. Das ist ein schlauer Schachzug – empfinde ich aber als ziemliche Frechheit. Zu diesem Zeitpunkt ist alles entschieden. Ein Mitspracherecht haben wir (wir! die Eltern, deren Kinder betroffen sind!) nicht.

Natürlich wird meine Tochter das Ende dieser Sozialarbeit überstehen. Aber meine Tochter gehört zum Bildungsbürgertum. Sie hat Mama und Papa und Oma und Opa im Haus und wird sich zu beschäftigen wissen. Der Kindertreff ist aber gerade für jene Kinder ein Familienersatz, die es zu Hause deutlich schwerer haben. Die zu Hause alleine sind, weil die Mama bis abends arbeiten muss. Die Regeln brauchen. Und Orientierungspunkte. Die nicht einfach nur eine “Betreuung” benötigen, sondern Menschen, die ausgebildet sind, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ein Lehrer ist verdammt nochmal kein Ersatz für einen Sozialarbeiter.
Die Leidtragenden solcher Entscheidungen sind die Kinder – das interessiert die Schulleitung offenbar nicht. Ein Armutszeugnis. Und gerade in Zeiten, da Schulen mit den Anmeldezahlen ringen, ist solch ein Verhalten dumm.

Was können wir als Eltern machen?

Nichts.

Zum kotzen.

13 Gedanken zu „Schulpolitik“

  1. Lieber Herr Klinge,

    ich deutete es ja bereits in meinem ersten (und bis jetzt einzigen) Post auf Ihrem Blog an, dass ich diese Erfahrungen auch (allerdings in Berlin) gemacht hatte.

    Nach mittlerweile 14 Jahren mit zwei Kindern an Grundschule und Gymnasium habe ich mich völlig aus der Mitarbeit zurückgezogen, weil ich leider – wie Sie jetzt auch – feststellen musste, dass Mitarbeit von Eltern stört, Arbeit macht und überhaupt…

    Sicherlich nicht an jeder Schule, nicht bei jedem Schulleiter, nicht bei jedem Lehrer (bei Ihnen zumindest ist die Tendenz offenbar eine ganz andere in Ihrer „Profession“ als Lehrer) – aber doch oft genug.

    Hilft sicherlich auch nicht, aber vielleicht ist geteiltes Leid selbst in einem Blog halbes oder anteiliges Leid.

    Alles Gute aus Berlin!

    Dirk

  2. Da hilft nur „konzertierte Aktion“ ALLER Eltern. Das Blöde ist tatsächlich, dass es wieder mal die sog. „bildungsfernen“ Kids trifft und deren Eltern wollen oder können sich nicht wehren. Wenn die Schulleitung keinen Grund angibt ist es entweder das Geld (ist es bei Bildung oft!) oder der Kindertreff ist der Schulleitung moralisch, politisch oder oder einfach nicht genehm. Halte uns bitte auf dem Laufenden
    Gruß Jörg

  3. Tja. Der Kooperationspartner scheint der Vormittagsschule den Rang abzulaufen.
    Ich würde es mir nicht gefallen lassen. Sie kennen das System Schule, Sie können Eltern organisieren, Eltern können an die Presse gehen usw. usf. Sie können die Schulaufsicht anfragen. Wenn da eine Lehrkraft (=Sie) mitmischt, ist es eine große Unterstützung für die Eltern.
    Wenigstens wird es der Schulleitung ein wenig ungemütlich.

  4. Wie wäre es, von der anderen Seite ranzugehen, über den Kindertreff? Vielleicht findet man eine gemeinsame Lösung, weil die vom Kindertreff wahrscheinlich wissen, wo das Problem liegt. Elternvertreter haben vielleicht auch was gehört? Alles Gute

    1. Mit dem Kindertreff sind die Eltern ununterbrochen im Gespräch – nun wird denen von Seiten der Schulleitung vorgeworfen, die Eltern „aufzuwiegeln“.
      Das Problem ist: Es gibt kein Problem.
      Die Kündigung basiert anscheinend nur auf persönlichen Eitelkeiten und darum wird es wohl auch keine Lösung geben – die Schulleitung ist nicht daran interessiert, eine andere Lösung zu finden, als die Sozialarbeiter rauszuwerfen.

  5. Die Situation ist absolut blöde – erwachsene Streitigkeiten auf dem Rücken von Kindern auszutragen ist eine Sauerei und hat vor allem im pädagogischen Kontext mal gar nichts verloren. Der Beitrag im Blog war ein erster Schritt in die Öffentlichkeit, weitere sollten folgen. Vielleicht ist die lokale Presse interessiert, vielleicht will sich der ein oder andere Lokalpolitiker zum Wohl der Kinder profilieren. Ich denke, dass öffentlicher Druck an dieser Stelle vielleicht gar keine schlechte Idee ist. Die Schule ist ebenfalls städtisch geführt, nicht? Da bekriegen sich also zwei städtisch getragene Institutionen gegenseitig. Ohne jetzt frech werden zu wollen: Das kann einen Lehrer doch schon irgendwie in die berufliche Sinnkrise stürzen, nicht? Mein vollstes Mitgefühl – ich drücke die Daumen für eine schnelle Auflösung der Situation zum Wohle der Kinder.

  6. Was bei uns bei der KiTa mal Wirkung entfaltet hat, war ein breit getragener Elternbrief an die nächst höhere Instanz – ergo wäre das hier die Schulverwaltung (es gibt bestimmt einen lokal richtigen Begriff dafür, aber ihr wisst wen ich meine). Allerdings macht man sich mit einem solchen Schritt keine Freunde bei der Schulleitung…

  7. Herr Klinge, ich sehe gerade, dass die Schule eine Montessorischule ist. Da wird es schwierig, schwieriger als bei staatlichen Schulen. Elternboykott hilft da auch nicht, weil 100 andere Eltern schon in den Startlöchern stehen, um ihre Kinder dort unterzubringen.

  8. Pingback: …auf dem Zahnfleisch - ...ein Halbtagsblog...

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