Zum Inhalt springen

Schummeln und Spionieren mit Smartwatches

2014-08-20 19.37.11

Ohne auf das (für sich selbst sprechende) “Neuland”-Zitat unserer Kanzlerin anspielen zu wollen, ist die technische Entwicklung der vergangenen 10 Jahre atemberaubend.
Das Schule stark von der Politik bestimmt wird, bemerkt man (auch) daran, dass wir es kaum schaffen, mit dem technischen Fortschritt mitzukommen.
Während ich mich noch ohne Wikipedia zum Abitur geschummelt habe, führte die Klasse meines Bruders ein eigenes Forum und übersetze im Schwarm die Französisch-Lektüre.

Stets hängt die Schule hinterher.

2014-08-20 19.38.12Nach vielen Jahren Facebook gibt es nun unsinnige Diskussionen darüber, ob Lehrer mit Schülern befreundet sein dürfen, ob Lehrer einen Account besitzen dürfen und überhaupt. Erst im April durfte ich im ARD-Morgenmagazin dazu ein paar Worte sagen. Eine Diskussion über whatsapp steht uns noch bevor. Neuland halt.

Und während zu Beginn von Klausuren immer noch die Lehrer herumlaufen und verkünden “die Speicher der Taschenrechner müssen gelöscht sein!” rollt die nächste Welle technischer Errungenschaften über uns: Google Glass.   Elektronische Kontaktlinse.   Smartwatches.

Eine Smartwatch gibt es inzwischen kostenlos zum Handy dazu und abgesehen vom Uhr anzeigen ist sie vor allem eine Mischung aus Fotoalbum, PDF-Reder und Wikipedia. Damit zu pfuschen ist so unfassbar einfach, dass sich die Schulen (und Universitäten) ganz schnell Gedanken machen sollten.
Zwar müssen unsere Schüler vor Klausuren ihre Smartphones abgeben – das hindert sie jedoch nicht daran, auf dem Klo mit einem Zweithandy nach Antworten zu googlen. Eine Smartwatch wird den wenigsten Kollegen auffallen, hat bei einer Klausur aber den gleichen Effekt wie ein aufgeschlagenes Lehrbuch. Muss ich zukünftig alle Handys und Uhren einsammeln wie das in Belgien üblich ist?

Schulentwicklung ist da ein unglaublich spannendes Feld und ich bin wirklich gespannt, wie sich das Verhältnis ‘technische Aufrüstung’ vs. ‘Prüfung’ in den kommenden Jahren weiterentwickelt.

Und wie sieht es im Mutterland der Technologie aus? Südkorea? USA?
In der kleinen Stadt Dubuque in Iowa dürfen müssen die Schüler zukünftig Pulsuhren tragen, damit die Lehrer beim Sportunterricht nur noch denjenigen gute Noten geben, die sich auch wirklich anstrengen:

„It will be a large portion of their grade, because we want to grade them on what they’re actually doing in our class,“ Dubuque Schools Athletic and Wellness Director Amy Hawkins told ABC News.

Der Hersteller der Uhren zeigt auf seiner Homepage fröhliche, gutaussehende Lehrer und begeisterte Kinder.
Spannend, wie in den USA Kinder unter dem Deckmantel der Pädagogik medizinisch ausspioniert werden, während wir hier diskutieren, ob ich dem Rüdiger via Facebook mitteilen darf, dass er morgen erst zur 2. kommen muss – oder ob ich damit gegen Dienstrecht verstoße.

Rememer, remember…

Amüsant übrigens, dass in verschiedenen Kommentarspalten empfohlen wird, heimlich zu masturbieren: Das würde schließlich Puls und Blutdruck nach oben treiben und am Ende seien alle glücklich: “So ein fleißiger Junge – der bekommt eine Eins!” Zwinkerndes Smiley


18 Gedanken zu „Schummeln und Spionieren mit Smartwatches“

  1. „Masturbieren […] und am Ende seien alle glücklich“.
    Genau, lasst uns den Sportunterricht durch den M-Unterricht ersetzen. Und wehe es kommt jemand zu spä… ähh früh! (OhOh, jetzt wirds schmutzig) *duck und weg*

    1. Eieiei. Fächerübergreifend Arbeiten hätten wir das wohl genannt. Sport in Kombination mit Biologie. Praxisunterricht ist ja eh im „kommen“.

      Aber dennoch interessant welche Ideen aufkommen um neu aufgestellte Regeln zu umgehen. Kreativität ist auch da, auch wenn man sich diese besser vorstellen könnte.

  2. Das mit der Pulsuhr wäre mir sicher entgegen gekommen seinerzeit. Unsportlich wie ich damals war, reichte schon ein kurzes Warm-Up, um mir mächtig Puls zu bescheren. 🙂

    (Haben dann Schüler, die regelmäßig Sport machen, nicht sogar einen Nachteil? Deren Puls dürfte bei sportlicher Betätigung doch nicht so sehr in die Höhe gehen, wie der Puls unsportlicher Kinder, oder?)

    So oder so eine sehr seltsame Art der Leistungsbeurteilung (auch wenn ich ja grundsätzlich dafür bin, das individuelle Bemühen mit einzubeziehen).

    Jetzt muss ich erstmal schauen, was Du zu der Fb-Sache gesagt hast.

    1. Fände es nur konsequent jegliche Kommunikationsmittel (wozu eine Smartwatch gehört) zu verbieten. Vor allem bei Klassenarbeiten / Tests / Klausuren. Muss man jedes Gerät einzelnen verbieten? Wer weiß was noch kommt, Smartglass ist eh klar.

  3. Hi Jan-Martin, zum Thema habe ich eine Frage in eigener Sache an dich: ich hab vor den Ferien meine 6. verabschiedet (Berliner Grundschule) und bin die ganze Zeit am Überlegen, auf welche Weise man am besten in Kontakt bleiben könnte. FB oder whatsapp sind eigentlich ideale Plattformen, aber für einige Schüler wäre ich dann die treibende Kraft für eine Anmeldung und ich bin mir unsicher.. Hast du einen Tipp? Danke und viele Grüße!

        1. Good old e-mail wär vielleicht eine Option. Ich für meinen Fall habe eine Mailadresse für Schüler eingerichtet (über die sie mir auch Übungsaufsätze schicken können oder sich im Ernstfall auch mal ein Arbeitsblatt organisieren können, wenns der Mitschüler wieder verpennt hat – letzteres kommt selten vor zum Glück) und kriege darüber auch so immer mal wieder eine nette Mail von Schülern, ohne, dass sie sich irgendwo anmelden müssen und erfahre so, wie es ihnen weiter ergeht.

          1. Lesen denn SuS überhaupt noch Mails. Also ich bin mit meiner geschlossenen fb-Mathe-Gruppe ja deshalb so zufrieden, weil die SuS „ständig“ bei fb sind. Natürlich gibt es über fb keine kriegsentscheidenden Infos. Es gibt auch einige SuS, die sich aus Gründen von dieser Gruppe fern halten.

            Aber dann funktioniert der Buschfunk und die SuS, die nicht in der Gruppe sind haben dann auch meistens die Infos — gerade, wenn es um das Kommen in der zweiten Stunde geht.

            Zu den Smartwatches: Natürlich wird in absehbarer Zeit ein Schreiben vom KM kommen, in dem vorgeschrieben wird, dass das Tragen solcher „Neuen Medien“ in der Schule nicht erlaubt ist. Dann kommen die LuL und können nicht unterscheiden, was Smartwatch ist und was nicht. Dann kommt das nächste Schreiben vom KM und verbietet alle Uhren …

            Naja, Schule halt.

            Ich bin da zum Glück in einer etwas entspannteren Situation. Aber auch ich muss aufpassen, was ich in der Schule mit den SuS mache.

      1. Die Alternative würde „Newsgroup“ oder eMail heißen.

        FB bzw. Whatsapp würde ich auch nicht empfehlen.

        Nebendem, wenn ich mir vorstelle mein Lehrer früher hätte mich außerhalb der Schule noch Kontaktiert – ohje. 😉

        1. Neee, die haben mich gefragt, ich dräng mich nicht auf, keine Sorge. Viele der Schüler sind bei whatsapp und wollten mich zum Abschied dazu holen. Aber es sind halt nicht alle da.

  4. Würden wir ständig den Schülern hinterherlaufen, wäre es ja noch nicht einmal so schlimm. Vielmehr versucht Schule ständig, die (Achtung) „neuen Technologien“ für sich händelbar zu gestalten. Schule 2.0 ja, aber bitte mit „unserer Hardware“ in „unseren Netzen“ und „unserer Software“ für „unser Internet“.

    Wie viel Administratorenzeit dafür wohl drauf geht, das Schulnetz noch dichter zu stricken. Zeit, die wir besser damit verbringen sollten, offene Strukturen zu schaffen, die Zusammenarbeit endlich effizient werden lässt. Stattdessen heißt es: „Volle Energie auf die Deflektorschilde“, wie es Muuß-Merholz in seinem empfehlenswerten Vortrag so wundervoll beschrieb. Elfenbeinturm mit tiefen Gräben drumherum. Was die Schüler wohl denken, wenn alle zur Internetrecherche in den schlecht ausgestatten Rechnerraum müssen, wo doch alle ein Handy in der Tasche haben?!? Und bald werden wir alle vor Klausuren scannen und filzen müssen.

    Die Diskussion – wie hier – um FB und WA sind dafür nur symptomatisch.

    P.S.
    Vortrag: https://m.youtube.com/watch?v=4T-Y7P5T3QY
    Meine Haltung zu Schule und WApp: http://traegheitderklasse.blogspot.de/2013/12/whatsapp-gute-grunde-fur-den-einsatz-in.html

    1. Naja, du scheinst überlesen zu haben, dass ich Grundschullehrerin bin. Ca. 1/4 meiner Schüler war nicht bei Whatsapp, einige haben kein Handy. Generell finde ich aber sehr interessant, was du in deinem Blog zum Thema geschrieben hast.

  5. Wie wir als Schule mit solchen Technologien umgehen, ist die eine Frage. Und es werden sicher von uns Lehrern wieder recht lächerliche Entscheidungen mitzutragen sein. Schule hinkt als träge Institution da einfach immer hinterher.
    Mich treibt aber eher die Frage um, was diese Geräte eigentlich mit unserem Selbstbild als Mensch machen. Ihr könnt mich für spinnert halten, aber ich denke schon, dass sich das Selbstverständnis der Menschheit verändert – auch wenn das jetzt sehr hochtrabend klingt. Wissen, Denken und Anstrengungsbereitschaft werden neu zu definierende Begriffe werden. Fiktion und Relität verschwimmen immer mehr. Das Selbst wird immer deutlicher zu einem Konstrukt innerhalb der eigenen medialen Heldengeschichte, Selbstdarstellung und Selbstinszenierung werden dabei verstärkt zum konstruierender Bestandteil… nur um mal so ein paar Punkte anzutipsen.
    Schaut euch die Werbebilder und Werbeblogs für die Geräte an. Eine schöne heile Welt. Aber es ist nicht meine, sondern die Welt von Firmen, die dahinter stehen. Werden wir den Punkt merken, an dem wir Gefahr laufen, und selbst zu verlieren?
    Ich bin übrigens kein Schwarzseher oder Apokalyptiker. Ich denke nur, wir sollten uns sehr ernsthaft mit dieser Entwicklung auseinandersetzen und nicht so tun, als habe es das schon immer gegeben. Fortschritt ist das eine – ja bitte! – aber hier sollten wir genauer hinschauen.

    viele Grüße von Frau Henner

  6. Ich finde, jeder technische Fortschritt hat seine Vor- und Nachteile. Die Frage ist nur, wie man selbst damit umgeht. Die Schule als Lebensraum und als Wissensfabrik zeigt doch, dass die Schüler im Rahmen der fortschreitenden Technisierung sensibilisiert werden müssen. Aber auch Lehrer müssen darauf geschult werden. Doch meist fehlt es an geeigneten Maßnahmen oder einfach an Geld.

    Darüber hinaus ist das Problem, dass der Altersdurchschnitt der Lehrkräfte an deutschen Schulen ü. 55+ beträgt. Meist ist diese Generation gar nicht in der Lage, mit der Technik umzugehen, sie versperren sich,…

    Auch unterstelle ich einfach mal, dass die Schummelmethode ‚Smartwatch‘ doch recht einfach von einer normalen Uhr zu unterscheiden ist.

  7. Die Lehrer sollten mal ihren Mund halten und ganz Ruhig sein. Früher hattet ihr alte Lehrer noch keinen so harten Lernplan wie wir heutzutage und heult die ganze Zeit herum, dass Schüler spicken usw. Die Leistungen, welche das kack verfickte Schulministerium von uns erwartet ist das aller letzte und es ist einfach so unglaublich unnötig vieles zu wissen. Nur weil ihr keine Hobby habt und dafür bezahlt werdet um Schüler und Studenten zu quälen, sollte man euch mal richtig fett eine klatschen. Das ihr euch nicht schämt, verstehe ich nicht. Deshalb benutzen wir Smartwatches und Spicker. Natürlich gibt es auch faule Schüler die einfach kein Bock haben zu lernen, aber das dann gleich alle so leiden müssen kann ich einfach nicht verstehen.

    (P.S. dieser Taxt kann fehler enthalten, wenn ihr welche findet, könnt ihr sie gerne behalten.)

    1. Keine Sorge: Wenn du im Sommer in die 3. Klasse kommst, verstehst du besser, worum es in dem Text geht. 🙂
      (Übrigens: Früher durften die Lehrer die Schüler auch noch schlagen (oder in deiner Sprache: „richtig fett eine klatschen“). Frag mal deine Großeltern, was sie bei einer solchen Antwort wie der deinen erwartet hätte…)

Schreibe einen Kommentar zu Tobias Raue Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert