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#20 Das Wort Gottes 1

Bevor wir beginnen: Ein paar Worte über ‚Worte‘.

Bild2Während meines Referendariats durfte ich mir von vielen (sehr guten) Kollegen Ideen und Anregungen holen. Wie alle von uns, wurden wir von Zeit zu Zeit geprüft und diesen “Unterrichtsbesuchen” ging eine Menge Zeit und Arbeit voraus.
Ich wusste, dass mir Unterrichten liegt – aber ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich jeden Satz vorher zurechtlegen wollen. Ich “schwimme” gerne mit meinen Schülern, reagiere spontan auf Äußerungen und mag das Neue – auch auf die Gefahr hin, dass manches manchmal krumm wird.
Nach jedem Unterrichtsbesuch sitzt man in einer Runde zusammen und erhält Feedback. Was lief gut, was lief schlecht. Meist nette und hilfsbereite Kommentare von Seiten der anderen Referendare – was man eben sagt, wenn man weiß, dass die andere Person einen demnächst selbst bewertet. Höflich eben.

Und dann saß mein Seminarleiter vor mir und war an der Reihe. Und wisst ihr, was er sagte?

Herr Klinge, Sie könnten viel besser sein.

Heute, einige Jahre später, schwirren diese Worte immer noch in meinem Kopf herum.
Es gibt diese Momente, wenn jemand genau das sagt, was man gerade hören muss – man ahnt, dass etwas fehlt, dass etwas nicht stimmt und dann – zack – spricht es jemand aus. Auf den Punkt.

Oder vielleicht wenn es uns schlecht geht und wir uns selbst einreden, dass schon irgendwie alles… vielleicht… Manchmal sind es Freunde. Oder Eltern. Sie benennen es. Treffen es. Verändern etwas. Bewegen uns.

Worte können das tun.

Worte können ganze Welten erschaffen (Heschel sagte das).

Wenn wir nun die Bibel aufschlagen und auf den ersten Seiten ein Gedicht vorfinden, überrascht es uns dann, dass der Autor einen Gott beschreibt, der die Welt erschafft, indem er… Worte benutzt („Gott sprach.. und es wurde…“)?

Worte erschaffen neue Realitäten. Und wenn dieser Gott spricht (und darauf besteht der Dichter), dann geschehen Dinge.

Das Wort für Wort im hebräischen ist das Wort davar und wir finden es etwa 1400 mal in der Bibel. Gott spricht – Gott davart – und Dinge geschehen. Das Wort für Wort ist auch das Wort für Sache. Im hebräischen Denken unterscheidet sich das gesprochene Wort nicht so sehr von der Handlung, wie in unserem Denken. Wer etwas ausspricht, vollzieht damit eine Handlung. In diesem Fall ein kreativer Akt, der eine neue Welt erschafft.
Seinerzeit war man davon überzeugt, dass das Leben eine Quelle besitzt – und dass es einem guten und großzügigen Gott entstammte, der auf unserer Seite sei.

Der Bibel zufolge ist das ganze Universum Gottes Megafon.

Gott spricht. Gott handelt. Gott erschafft. Gott erhält. Gott ist die Quelle unendlicher Energie, die in die Schöpfung fließt und neues Leben und Kraft bringt – angefangen von unserem nächsten Atemzug bis hin zur Solaranlage.

Also.. ist die Bibel nun Gottes Wort?

Ich denke ja. Viele Dinge sind das.

Viele Dinge..? Moment mal!

Wenn wir in die Bibel schauen, finden wir genau das.
Vom Himmel und den Sternen (Psalmen)
hin zu
dem Mund eines Babys (auch aus den Psalmen)
über
dein Gewissen (Römer)
bis zu
den Dichtern und Denkern der Zeit (Paulus zitiert und vereinnahmt sie, als er über Gott und Jesu Auferstehung spricht in Apostelgeschichte 17).

Um mal spitzfindig zu sein: Wenn ich also das “Wort Gottes” lese, dann finde ich dort die Autoren des Wortes Gottes die über Gottes Worte schreiben?

Jep.

Wie definierst du “Wort Gottes”?

Das schöpferische Handeln Gottes inmitten der Welt, das Neues schafft und neues Leben in Bestehendes bringt.

Und was macht die Bibel dann zu Gottes Wort?

Zunächst einmal müssen wir uns ins Bewusstsein rufen, dass die Bibel von Menschen geschrieben wurde. Sie ist also zuallererst auch “Menschliches Wort”.

Das war keine Antwort.

Die Bezeichnung “Gottes Wort” impliziert, dass dieses Buch eine Aufzeichnung des andauernden Wirkens Gottes in der Welt ist.
Aber darin stecken auch viele Gefahren: Die Perspektive, die Bibel sei Gottes Wort, verführt dazu, die menschlichen Aspekte zu überspringen. Als Leser ist man verwirrt oder verärgert, wenn man diesen Dingen begegnet (Ein Gott der alle Kinder umbringen lässt?) und nicht wenige steigen aus. Und wenn der Prediger darauf besteht, dass Gottes Wort unerschütterlich sei und uns lahme Erklärungen für dieses und jenes bietet – dann müssen wir entweder unseren Verstand an der Tür abgegeben haben oder sagen direkt Adieu.
Wenn wir uns jedoch durch den menschlichen Teil der Bibel durcharbeiten, ihn verstehen und einordnen, dann finden wir dahinter vielleicht eine größere Wahrheit. (Wir sprachen darüber.)

Aber die gleiche Erfahrung machen andere Menschen mit anderen Büchern. Viele Worte, viele Erfahrungen.

Natürlich. Das ist sogar etwas, dass die Autoren der Bibel immer wieder schreiben. Als würden sie uns entgegenrufen: Öffne deine Augen! Schau dich um! Hör zu! Sei achtsam!

Und was ist dann das besondere an der Bibel? Was macht sie so besonders, so einzigartig? (Warum ist sie überhaupt nötig?)

Gute Fragen.
Nächsten Sonntag schon was vor?

Alle Teile der Reihe.
Dank an Rob Bell.

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