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Politisch werden.

Bob Blume ruft in seinem Blog dazu auf, sich politisch zu engagieren und ist, um selbst nicht untätig zu bleiben, in eine Partei eingetreten. Blume wirft in seinem Blog häufiger gesellschaftskritische, ja unangenehme Fragen auf aber dieser Punkt verfolgt mich seit einigen Wochen.

Ich? In eine Partei eintreten? Puuh! Vor allem: In welche?

Als jemand, der den größten Teil seiner Jugend im Ausland gelebt hat fühle ich mich als waschechter Europäer und habe ein entspanntes Verhältnis zum eigenen Patriotismus. Es ist mir wirklich unverständlich, warum andere Länder uns nicht 1:1 kopieren. Funktionierendes Gesundheitssystem, funktionierendes Rentensystem, Sozialstaat und kostenlose Bildung. Himmel! Wenn man sich mit Eltern anderer Länger unterhält, die es sich nicht leisten können ihre Kinder in den USA, in England oder Australien auf die Universität zu schicken, weiß man, was man hier hat.

Also, der Eintritt in eine Partei erscheint mir sinnvoll – wenn mir auch Zeit und Ambitionen für eine politische Karriere fehlen, so trüge mein bescheidener Beitrag zumindest dazu bei, die Demokratie dieses Landes zu unterstützen.

Bleibt die Frage: In welche Partei?

Als konservativer Kirchgänger liegt mir von Haus aus die CDU am nächsten. Nicht, weil ich glaube, das Christentum müsse politisch verankert sein – aber an vielen Stellen deckt sich mein persönlicher Wertekanon mit dem der Christdemokraten. Außerdem bin ich ein Bewunderer von Angela Merkel. Gerade in Zeiten, da scheinbar der lauteste Schreihals die größte Aufmerksamkeit genießt, verehre ich unsere besonnene Bundeskanzlerin. Sie wirkt auf mich wie jemand, der es nicht nötig hat, sich durch Phrasen und Populismus in den Vordergrund zu spielen. Man mag mit ihren politischen Ansichten übereinstimmen oder nicht – aber so eine Nummer wie in England, als Johnson die Wähler mutwillig belog und das hinterher auch freimütig als Mittel zum Zweck zugab, wird man bei ihr nicht erleben. Auch in wirtschaftspolitischen Fragen bin ich oft dabei. Vergleicht man die Arbeitslosenzahlen der Bundesrepublik mit denen von Spanien, Italien oder Frankreich… Es ist nicht alles schlecht, was von der CDU kommt. Ich bin ein Konservativer.

CDU also.

Oder die SPD. Die unverblümten Ansagen von Martin Schulz im Europa-Parlament haben mich sehr beeindruckt. Jemand, der nicht davor zurückschreckt, Tacheles zu reden. Ich tue mich sehr schwer mit Floskeln und inhaltslosen Phrasen – so sehr ich Frau Merkel schätze, sie ist in meinen Augen auch eine Meisterin des freundlichen, belanglosen Gesprächs. Schulz dagegen ist mir im Gedächtnis geblieben. Ich nehme ihm ab, dass er der SPD wieder einen gehörigen Linksruck verpassen möchte.

Apropos links: Ich bin ein Fan von Sahra Wagenknecht. Auf Facebook kann man wunderbar verfolgen, wie sie sich mit der Tagespolitik auseinandersetzt und positioniert. Ja, diesem Land geht es gut. Aber ja, vielen Leuten geht es nicht gut. In sozialpolitischen Ansichten bin ich oft der Linkspartei sehr nahe. Eine klare Haltung zum Pazifismus. Ein funktionierendes Miteinander, das die Starken die Schwachen tragen – genau mein Ding. Was immer Wagenknecht auf Facebook kurz und knapp formuliert – ich kann dem oft zustimmen. Andererseits sind die in einigen Landesparlamenten vertreten, ohne sich da durch besondere Regierungsleistungen von den anderen Parteien abzuheben. Die Linke? Hm.

Oder die Grünen.

Ich bin in einem sehr liberalen Elternhaus aufgewachsen. Von meinen Eltern habe ich vor allem anderen gelernt, Dinge stehen zu lassen. Als Jugendlicher habe ich große Freiheiten genossen. Neben der ökologischen Ausrichtung der Partei ist mir dies auch wichtig. Das wir im 21. Jahrhundert überhaupt noch über die Gleichstellung von Mann und Frau reden müssen..!? Ohne die Grünen wären wir in Sachen Solarenergie, Windkraftanlagen und Ökostrom heute nicht da, wo wir global sind. Ich finde Cem Özdemir super und würde gerne mal einen Kaffee mit ihm trinken. Was hat der für ein gewaltiges Wissen und eine klare Sprache. Wahnsinn.

Ich weiß aber auch: Ich bin recht oberflächlich: Ich habe keines der Parteiprogramme gelesen und denke auch, das würde mir nicht helfen. Mir fehlt es an Wissen, um beurteilen zu können, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen bspw. das Einführen von strengeren Emissionsgrenzen hätte. Ich habe zu wenig Ahnung. Also gehe ich nach den Personen und einem oberflächlichen Blick auf das Parteiprogramm. Merkel, Schulz, Wagenknecht, Özdemir. Alles Leute, die unglaublich viel Wissen haben, alles Leute, die viel Zeit und Kraft und Energie in dieses Land stecken und die mich alle gleichermaßen überzeugen. Und alles Leute, mit denen ich an vielen Punkten übereinstimme – und an anderen gar nicht.

Wunderbar ist, dass meine Tochter in das Alter kommt, indem wir über schwierige Fragen diskutieren können. Ökologie oder Ökonomie? Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerschutz? Scheint, als müssten wir beide noch eine Weile grübeln.

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2 Gedanken zu „Politisch werden.“

  1. Ein Entscheidungsgrund wäre für mich das lokalpolitische Engagement. Sicherlich ist es toll, wenn Bundespolitiker ihre kämpferischen und wohlgeplanten Redebeiträge in den Medien verbreiten. Noch wichtiger finde ich den Kontakt vor Ort, die Vorstellungen, die Aktionen, die auf mich und mein Umfeld unmittelbare Auswirkungen haben. Wird eine familienfreundliche Stadt unterstützt? Order wird dem Großkonzern Bauland zur Verfügung gestellt? Verkehrsberuhigung oder vierspurige Hauptstraße? Darüberhinaus ist Schulpolitik (berufliches Interesse) Ländersache und wird daher besonders gern und intensiv in den Kommunen verhandelt. Daher würde ich mich auch vor Ort nach einer passenden Gruppe umschauen.

  2. Vielen Dank für diese ehrlichen Einblicke! Mir geht es oft ähnlich, dann plagen mich Gewissensbisse – „Ich müsste doch… mich auskennen, mehr machen, mehr lesen, mich mehr informieren und positionieren!“ Gar nicht nicht so einfach. Es beruhigt, zu sehen, dass man damit nicht alleine steht. 🙂

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