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Eine persönliche Tageszeitung erstellen (RSS)

Ich erlebe eine heftige Dissonanz in „meinem“ Internet: Die völlige Überfrachtung mit Informationen auf der einen Seite, die Gefahr der Filterblase auf der anderen und schließlich die Tatsache, dass mir haufenweise Memes, This-is-awesome-Videos und Nutzloses präsentiert werden. Um dem Wahnsinn zu entfliehen, beschränke ich mich mehr und mehr auf meine persönliche Internet-Tageszeitung: Eine Ode an das gute alte RSS. Um Zeit zu sparen.

Problem Zeitverschwendung

Die kostbarste Währung des Internets ist die Aufmerksamkeit der Nutzer. Dejan Mihajlovic schrieb neulich darüber und verweist auf zahlreiche Quellen. Es beginnt morgens mit den knalligen Farben des Smartphones (und dem roten Kreis, der mir anzeigt, ich habe 4 ungelesene E-Mails, 8 verpasste Whatsapp-Nachrichten und 1 wichtigen SPIEGEL-Artikel) und setzt sich auf jeder Webseite fort. Auch die News-Anbieter haben das erkannt: Zahlreiche Nachrichtenportale blenden ein „es gibt einen neuen Artikel auf der Homepage – jetzt laden“-Hinweis ein; Twitter bietet mir an, nur noch die wichtigsten und für mich relevanten Tweets aufzuführen und der Facebook-Newsstream ist von Anfang an darauf ausgerichtet, meine Zeit zu stehlen. Die heftigste Variante davon sind jene Clickbaiting-Seiten: „Sie dachte, sie würde nur eine Nuss essen, aber was dann geschah, brachte sie zu weinen…“
Das Mein Problem ist, dass nichts davon wirklich funktioniert.
Eine persönliche Tageszeitung erstellen (RSS) 1Ich kann mich nicht erinnern, wann ich in Facebook zuletzt über etwas wirklich interessantes gestolpert bin1. Weil jede Firma für nur 5 € ihre Artikel als besonders wichtig brandmarken kann, wird mir (und jedem anderen) haufenweise Müll in die Übersicht gespült. Wenn alles wichtig ist, ist nichts wichtig. Twitter überfordert mich persönlich: Zu viele, zu kurze Beiträge auf die ich kaum reagieren kann. Es ist, als platzt man in ein Gespräch im Lehrerzimmer herein. Bis ich mich orientiert habe, wer, was wann gesagt hat ist die Diskussion schon weitergezogen. Vielleicht bin ich zu langsam2. Pinterest war mal mein Lieblingszeitvertreib – bis ich den Fehler gemacht habe, einen lustigen Witz anzuklicken. Seitdem werden mir nur noch „lustige“ GIFs und noch lustigere Witze präsentiert. Ich habe noch versucht, gegenzusteuern – alle Vorlieben zu löschen. Aber zu spät: Der Pinterest-Algorithmus weiß besser als ich, dass ich Blondinenwitze interessant finde. Der Franzose Guillaume Chaslot hat neulich eine Art Youtube-Guck-Roboter programmiert, der einfach nur Youtube guckt und den Empfehlungen folgt – nach kürzester Zeit landete er bei immer abstruseren Verschwörungstheorien. Es muss immer krasser, immer heftiger werden. Puuh3.

Das Internet, wie ich es durch meinen Browser erlebe, ist für mich zu einer gewaltigen Zeitvernichtungsmaschine geworden und ich habe alle Mühe (und immer weniger Lust), dem entgegenzusteuern.

Was will ich? Eine private Zeitung!

Da nun weder die sozialen Netzwerke noch die Nachrichtenseiten für mich filtern, muss ich das selbst tun. Ich muss mich von Webseite zu Webseite hangeln und ständig neu prüfen:

  • Gibt es was Neues?
  • Was gibt es Neues?
  • Was davon ist interessant für mich?
  • Was klingt interessant, will aber eigentlich nur meine Aufmerksamkeit?

Das kostet Zeit – aber zum Glück gibt es eine ganz einfache Lösung: RSS

Was ist RSS?

Tageszeitung

Es begab sich aber zu der Zeit, bevor es Handys gab und Notebooks und mobiles Internet und als die Menschen noch mit Modems ins Internet gingen, da waren Webseiten deutlich schlanker. Also erfand die Firma Netscape einen Dienst, mit dem man jene Webseiten abonnieren konnte. Alles was man benötigte, war ein RSS-Programm und die Adresse der Webseite – und schon konnte man sich alle Seiten direkt nach Hause holen. Eine persönliche Tageszeitung.

Das geht heute auch noch. Man benötigt einen RSS-Reader und dem kann man dann sagen, was man lesen möchte. SPIEGEL Online; New York Times oder die ZEIT oder die Siegener Nachrichten – und das sieht dann bspw. so aus wie auf dem Screenshot rechts. Oben in der Leiste sieht man meine Kategorien (Tech, Fußball, News etc.) und darunter dann alles, was gerade auf mein Handy gespült wird. Die Quellen kann man sich selbst heraussuchen und auch die Ansicht kann man in jedem Programm variieren (Nur Text, Liste mit Bildern, Magazin-Layout o.ä.).

Eine persönliche Tageszeitung erstellen (RSS) 2Überaus praktisch und zeitsparend: Die allermeisten Blogs kann man per RSS abonnieren. Das hat den besonderen Vorteil, dass man einerseits keinen Artikel verpasst (denn er wird ja direkt aufs Smartphone geliefert) und andererseits nicht ständig die Webseite ansurfen muss, um zu schauen, ob es denn was Neues gibt.

(An dieser Stelle eine Empfehlung, viele Blogs zu lesen. Den vom Rettungssanitäter. Oder der Krankenschwester. Kubiwahns Schulleitungsperspektive. Und. Und. Und. Jeder einzelne Artikel meiner Blogliste ist bereichernd zu lesen und wenn er mich doch nicht interessiert, wische ich ihn beiseite.)

Eine private Tageszeitung also. Und das beste: Sie kostet nichts.

Wie geht das? Feedly!

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, RSS-Feeds zu lesen. Die einfachste ist ein Dienst, der zentral alle RSS-Feeds der Welt sammelt und verteilt: Feedly.
Dort kann man sich einen Account erstellen und in der kostenlosen Variante bis zu 100 Seiten abonnieren. Auf dem Smartphone und/oder Tablet kann man sich dann die Feedly-App installieren und unter „Add Content“ einfach nach Nachrichtenseiten oder Blogs suchen – zum Beispiel dem Halbtagsblog. Das geht wirklich kinderleicht. Bei vielen Nachrichtenseiten kann man sich dann sogar die Rubrik aussuchen: Schlagzeilen, Politik, Kultur etc.

Wer die App blöd findet (wie ich), kann auf Alternativen zugreifen – im App-Store steht jeweils, ob der RSS-Reader mit Feedly synchronisiert. Programme (Apps) gibt es hunderte. Unter Windows liebe ich FeedLab, auf Android Palabre. Es gibt überdies die Möglichkeit, Artikel anzupinnen, so dass man sie jederzeit wieder hervorholen kann.
Eine persönliche Tageszeitung erstellen (RSS) 3

Wer gegenüber solchen Accounts skeptisch ist, kann auf Alternativen ausweichen: Viele RSS-Reader können direkt mit der RSS-Adresse einer Webseite gefüttert werden – bei meiner Seite lautet die „https://halbtagsblog.de/feed/„. Diese speziellen Adressen muss man sich dann allerdings selber heraussuchen. Bei vielen WordPressblogs hängt man einfach ein /feed/ an die Adresse – bei anderen Seiten muss man nur nach dem RSS-Symbol (s.rechts) Ausschau halten.
(Kleiner Tipp: Den Punkte „als gelesen markieren, wenn man durchscrollt“ gibt es in fast jeder App und er ist enorm zeitsparend. Dadurch scrollt man entspannt durch die Artikelliste und alles, was man überscrollt wird als gelesen markiert, abgehakt und vom Handy gelöscht.)

Nachteile? Klar!

Hat diese Wunderzeitung auch irgendwelche Nachteile? Klar – für die Seitenbetreiber (also z.B. mich selbst). Denn die Seitenaufrufe gehen nach unten. Laut Feedly haben knapp 500 Leser meinen Blog via RSS abonniert – die werden meine Webseite niemals mehr aufrufen und das macht mich natürlich traurig. Betreiber, die auf Werbeeinnahmen angewiesen sind, publizieren via RSS daher nicht ganze Artikel, sondern nur die ersten paar Zeilen, so dass man dann den echten Artikel dann doch online lesen muss.

Blogs (und BloggerInnen) leben davon, dass man sie liest – nutzt also gerne die Chance, in den Kommentaren unten euren Blog zu erwähnen/vorzustellen (er landet dann direkt in meiner Leseliste) und schaut gerne nach ein paar Tagen nochmal rein und entdeckt andere Blogs.

In diesem Sinne: Frohes Lesen 🙂

1: Mein eigener Account bildet da keine Ausnahme – er dient praktisch nur als Newsaggregator für das Blog
2: Ich habe einen zweiten Anlauf gebraucht. Twitter ist wunderbar, wenn man sich zurechtgefunden hat.
3: Auch YouTube habe ich inzwischen bezwungen – mehr dazu hier.

17 Gedanken zu „Eine persönliche Tageszeitung erstellen (RSS)“

  1. Danke, … gute Idee, es (mal wieder) zu probieren. Bin jahrelanger RSS-Leser. Hatte ebenfalls alles, was mich interessiert bzw. das, von dem ich denke, dass es in einen ausgewogenen Nachrichtenstrom gehört, in Feedly gesammelt und dann über die Jahre mit verschiedenen Apps gelesen. Früher noch viel am Mac oder iPad, inzwischen fast alles nur noch auf dem iPhone, weil es einfach handlicher ist und dank hoher Auflösung angenehm zu lesen.

    Warum ich letztlich vor ca. zwei/drei Jahren von RSS weg bin und inzwischen alles per Twitter lese, hat den Grund, dass ich den Twitterstream (nutze allerdings nicht die originale Website oder App, sondern Twitterrific) sehr viel feiner abstimmen und zusammenstellen kann als es mit RSS möglich ist.

    Beispiel: Viele Newsseiten (zeit.de, sz.de, jetzt.de, usw.) haben zwar verschiedenen RSS-Feeds für verschiedenen Themen, es waren mir trotzdem zu viele und vor allem zu viele Themen, die mich nicht interessieren. Regelmäßig kommen neue Twitter-Accounts dazu, die ich abonniere und ebensoviele lösche ich auch wieder. Die Kombi (in Twitterrific für mich am besten gelöst) von „muffle“- und „mute“-Funktionen, mit denen ich sowohl hashtags als auch Retweets bestimmter Quellen ausblenden kann, hat den Stream sehr übersichtlich gemacht. Beispiel 2: Auch wenn es viele wahrscheinlich nicht verstehen können, ist „Fussball“ in allen Varianten bei mir ausgeblendet und es verirrt sich nur sehr selten ein Tweet zu diesem Thema in meinem Stream. Das funktioniert auch mit jedem anderen beliebigen Schlagwort. So hab ich alle Themen, die mich interessieren + die Nachrichten gut gemixt und diese lassen sich entspannt lesen. Es sind trotzdem immer noch ca. 200 pro Tag. Das, was mich mehr interessiert, bringt mich dann auf die jeweilige Website oder Blog, um den Artikel vollständig zu lesen. Dabei bleibe ich regelmäßig auch an Langstrecken der verschiedensten Seiten hängen. Habe vorher gefühlt weniger richtig gute Artikel gefunden.

    Komme ich mal einige Tage nicht dazu, den Twitterstream durchzusehen, nutze ich inzwischen einen zusätzlichen Newsaggregator namens „Nuzzel“, der mir die Retweets meiner Timeline zusammenfasst und so schnell zwei, drei Tage Informationen in kurzer Zeit lesbar macht.

    Von facebook hab ich mich vor einem halben Jahr so ziemlich verabschiedet, lese hier nur noch eine Gruppe des eigenen Ortes, um bei regionalen Themen informiert zu sein.

    Ja, die Gefahr, sich nur noch in der „eigenen Blase“ zu bewegen, ist da. Der versuche ich, mit den unterschiedlichsten Quellen zu begegnen. Das klappt, denke ich, ganz gut. So lässt sich der nie versiegende Nachrichtenstrom für mich ganz gut bewältigen. Sicher wird auch die eine oder andere Info dabei sein, die ich verpasse oder schlicht überlese. Damit kann ich inzwischen gut leben. Wichtiges wird sowieso regelmäßig wieder „hochgespült“.

  2. (Kurzfassung) RSS, unbedingt: Es ermöglicht unabhängigen und werbefreien Zugang zu Inhalten. Ich bin nicht bei Feedly, sondern anderswo, auch da hat man Wahlfreiheit. RSS halte ich für einen der wichtigsten Schritte zu Selbstständigkeit im Web. Und ja, ich schaue viel seltener auf die Originalseiten, es sei denn, ich kommentiere mal.

  3. Meine eigene Seite hat einen feed, seitdem ich von RSS weiß. Ich finde es auch durchaus praktisch, weil ich so einfach viel mitkriege und ich kann Artikel, wo die Überschrift schon langweilig klingt (ja, manche Blogs haben sowas auch ☺, einfach überspringen. Und ich kann mit feedly und Co circa die 10 fache Menge an Blogs verfolgen wie früher „von hand“.
    Es ist für mich mittlerweile sogar ein ausschlusskriterium, wenn eine Seite keinen feed anbietet.

  4. Hach, RSS. Ohne RSS wüsste ich nicht mehr, wie ich mit dem Internet umgehen sollte. Aber wie so viele gute Dinge nur denen vorbehalten, die sich um Dinge kümmern. Ich konnte bis jetzt keinen meiner KuK dazu bringen einen RSS-Reader zu benutzen. Vom Familien- oder Bekanntenkreis einmal komplett abgesehen.

    Als Google Reader starb war ich lange auf der Suche nach einem ordentlichen Nachfolger. Nach langem Suchen habe ich dann eine neue Lösung gefunden, die mich jetzt fast komplett befriedigt.

  5. Vielleicht noch einen Tipp:

    In Google News kann man sich seine News „zusammensuchen“ und speichern. Dann bekommt man eine Newsseite zu seinem speziellen Suchbegriffen.

    Für diese Seite gibt es dann ganz unten auch einen RSS-Feed-Link.

    Mit dieser Methode halte ich Überblick über Themen, die mich interessieren und die nicht auf eine Web-Seite beschränkt sind.

    1. Danke für den Tipp! Ich würde gerne genau diesen RSS-Feed-Link bei Feedly einspeisen. Das geht aber mit einem Basic Account nicht, sehe ich das richtig? Falls dem so ist, gibt es kostenfreie Alternativen zu Feedly, in denen ich die Google News Links einbeziehen kann ? 🙂

      1. Doch, natürlich geht das. Feedly beschränkt afaik nur die Angzahl, sonst kannst du alles abonnieren. Einfach unter „add Content“ nach der Website suchen.

        1. Ich werde immer auf die „Upgrade-Seite“ weitergeleitet, sobald ich solchen Content hinzufügen möchte. Unterstrichen ist dann: „Google Keyword Alerts“

        2. Sehr interessant! Mit dem IPhone via App klappt es, sodass ich es dann am PC bearbeiten kann. Eigenartig! Vielen Dank für den Artikel und die Hilfe. Dann werde ich mir mal meinen Feed einrichten! 😉

  6. Kann nur zustimmen, mache ich seit Jahren und dank iPad sehr bequem. Die Nutzung eines Feedreader ist im Alltag eine super-nützliche Sache. Ich selbst bevorzuge Inoreader, weil der auf allen Plattformen läuft, mir von „abgeschnittenen“ Feeds den gesamten Inhalt holt und lesefreundlich aufbereitet. Auf mobilen Geräten kann ich einstellen, dass z. B. nur bei bestimmten Ordnern die neuen Postings automatisch vorab geholt werden, so dass man auch ohne Netz seine Feeds lesen kann. Dazu smarte Filter, die automatisch beim Erkennen von Stichwörtern die Artikel zu Evernote (oder OneNote) in ausgesuchte Notizbücher lenken und mit inhaltlichen Tags versehen … usw. usw. usw.
    Was ich im Unterschied zu dem Vorlschlag im Artikel allerdings absichtlich anders mache: Wenige ausgesuchte (Blog-)Quellen abonnieren. Früher hatte ich ca. 400 Angebote im Set, heute gerade mal 30 – 40. Wenn man sonst 2, 3 Tage den Reader nicht aufschlägt, steht da „1.241 neue Artikel“ – so was deprimiert. Ich nehme immer mal neue für einen „Testzeitraum“ auf und merke dann, ob ich sie behalten will – alte werden aussortiert.

  7. Ich habe seit zwei Monaten einen Account bei Flipboard. Finde es sehr interessant, lese die Nachrichten dort gerne.
    ansonsten gucke ich immer noch ganz altmodisch in die Zeitung.
    LG
    Ulrike

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