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Sunk Cost Fallacy 1Mit einigen Schülern habe ich heute ein kleines Spiel gespielt: Ich habe sie mein Handy (fiktiver Wert: 100 €) ersteigern lassen.
Im Grunde gab es nur eine Spielregel: Wer das höchste Angebot abgibt, hat gewonnen, aber (und das ist wichtig!) alle Bieter müssen ihr letztes Angebot bezahlen. Zunächst wurde sich gefreut und minimale Beträge geboten. „Herr Klinges Handy? Für 4 Euro???“ Da fiel es dem Nächsten leicht, 5 € zu bieten. Irgendwann wurde die Stimmung mulmiger. Jemand bot 50 € und wurde direkt mit 60 überboten. „Ich zahl doch keine 50 € für nichts! Also 70!“
Irgendwann bot jemand den vorher angegebenen Wert: 100 €. „Dann komme ich jetzt zumindest mit Null raus!“
Das wollten die anderen nicht auf sich sitzen lassen – also überboten sie. „Wenn ich jetzt 101 € biete, dann mache ich nur einen Euro Verlust – besser als jetzt 90 €!“
Und weiter ging es. Nachdem sie schon soviel Geld investiert hatten, wollten sie zumindest auch gewinnen. Sonst wäre ja alles umsonst gewesen! Eine absurde Steigerung setzte ein, bei der am Ende nur einer gewonnen hätte: Ich. Alle anderen hätten einen Verlust eingefahren.

Nur ganz wenige Schüler sprangen schon einigermaßen früh von der Auktion ab und gingen mit 50-70 € Verlust aus der Sache. Die anderen versuchten sich bis knapp 200 € gegenseitig auszustechen bis irgendwann auch der Letzte aufgab.

Im Anschluss an dieses Spiel sprachen wir über die Gefahr solcher Auktionen. Ich erinnere mich, dass es vor Jahren mal ein solches Online-Auktionshaus gegeben hat, bei dem man jedes Gebot direkt zahlen musste (immer in 1€ Schritten) und die damit warben, dass hin und wieder iPhones für 12 € verkauft worden seien. (Leider weiß ich den Namen der Seite nicht mehr…)
Wir sprachen über die sogenannte „sunk cost fallacy“. Das ungute Gefühl also, aufgrund der bereits investierten Kosten das Projekt nun bis zum Ende durchziehen zu müssen. Sonst wäre ja alles umsonst gewesen! Über den Zusammenhang von Mathematik und Psychologie.
Ein tragisches Beispiel aus der Geschichte ist der Vietnamkrieg. Schon frühzeitig war der amerikanischen Regierung klar, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen war. Aber da man schon das Leben so vieler Soldaten geopfert hatte, konnte man unmöglich aufgeben. Wie hätte das ausgesehen? Statt dessen wurde weiter und weiter und weiter investiert und gekämpft, bis nach zwanzig Jahren und fünf Millionen toten Vietnamesen und 60.000 gefallenen US-Soldaten das Grauen endlich ein unrühmliches Ende fand.

Sunk Cost Fallacy.

Im Moment betrachte ich alles aus der Perspektive Schulleitung/Schulentwicklung. An welchen Stellen arbeite ich und gebe nur nicht auf, weil ich schon soviel investiert habe – ungeachtet der zukünftlichen Perspektive? Wie sehr haben an meiner Schule Teams bzw. Arbeits- und Steuergruppen die Möglichkeit, bereits Erarbeitetes fallenzulassen, wenn die Aussicht auf Erfolg schwindet? Spannend.

[Anmerkung: Das Verhalten meiner Schüler bei der Auktion kennt man auch als den „Fluch des Gewinners„, ein Verhalten, das man aktuell in den USA beobachten kann: Verschiedene Bundesstaaten wetteifern mit absurden Steuervergünstigungen darum, den Firmensitz von Amazon stellen zu dürfen. Der „Gewinner“ dieses Wettstreits wird am Ende nur Verluste haben – John Oliver widmete dem Thema eine Sendung. Das Spiel eignet sich ganz gut für Vertretungsstunden oder die letzte Stunde vor den anstehenden Sommerferien. Voraussetzung ist, dass die Schüler ihre Gebote ernst nehmen und sich vorstellen, sie würden tatsächlich ihr Taschengeld investieren.]

3 Gedanken zu „Sunk Cost Fallacy“

  1. Zu dem Phänomen habe ich den schönen Spruch „dem schlechten Geld noch gutes hinterherwerfen“ gelernt und die lustige Erfahrung gemacht, dass allein die Kenntnis einer solchen Redewendung das Abspringen leichter macht.

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