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5 Minuten Schulleitung: Krisenmanagement

In den letzten Tagen durfte ich einige Artikel über das Versagen der Schulen in dieser Zeit lesen. Perspektivisch waren das zumeist Berichte von außen: Geschrieben durch die Brille von Eltern oder Lehrern, die sich im Stich gelassen fühlen. Die Sichtweise der Schulleitung fehlt jedoch und soll heute ergänzt werden. Also, was habe ich eigentlich die letzten drei Wochen gemacht? Oder kürzer: Schulleitung in Corona-Zeiten!

Situation

Meine Schule ist eine aufbauende Gesamtschule aus Nordrhein-Westfalen und unser Schulleitungsteam besteht aus fünf Personen. In den drei Wochen vor den Osterferien haben wir den Fernunterricht (oder neudeutsch: Homeschooling) mit regelmäßigen Videokonferenzen der Klassenlehrer und Wochenplanaufgaben durchgeführt. Das hat, vom technischen und organisatorischen Ablauf deutlich besser funktioniert, als befürchtet.

Die Tatsache, dass sich die Gefahrenlage und der Erkenntnisstand der Wissenschaft beständig ändert, führt dazu, dass Anweisungen des Ministeriums auch nur kurzfristig an die Schule weitergeleitet werden konnten. So ereilte uns die Nachricht der Schulschließung am Freitag, den 10. März – als schon alle Schülerinnen und Schüler im Wochenende waren. Auch über den Fortgang nach Ostern wurde erst spät informiert und seitdem gilt als Devise des Ministerium: Handeln Sie eigenverantwortlich aber zügig.

Schule ohne Schüler

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Noch in den Osterferien haben wir einen „Stundenplan light“ für die Zeit der Schulschließung entworfen: Jeden morgen gab es zwei Stunden Unterricht via MS Teams, beschränkt auf die Hauptfächer. Also montags Deutsch & Englisch, dienstags Deutsch & Mathe, mittwochs Englisch & Mathe. Wir haben im Vorfeld durch eine Umfrage unter den Eltern und im Gespräch mit dem Kollegium evaluiert, dass den Kindern diese tägliche Routine gut tat und den Familien eine Tagesstruktur gab.

Einmal pro Woche gibt es bei uns eine Dienstbesprechung mit dem gesamten Kollegium, bei dem wir über unser Tun informieren und Fragen klären. Als Schulleitungsteam sprechen wir etwa alle zwei Tage per Videokonferenz miteinander und treffen uns vis-a-vis einmal pro Woche in der Schule.
Dabei haben wir die Rückmeldung der Kolleginnen und Kollegen besprochen, auf besorgte Elternmails reagiert und die Schulorganisation vorangetrieben. Die neuen Eingangsklassen müssen gebildet werden, dazu stehe ich in Kontakt zu den Klassenlehrern der abgebenden Grundschulen. Überdies braucht jede Eingangsklasse ein neues Klassenlehrerteam – auch das muss wohlbedacht werden. Die Adminstration von Office 365 verschlingt schon mal einen weiteren Vormittag. Als herausragend gut zeigt sich die Kommunikation mit der Stadt: Als digitale Vorreiter-Schule haben wir ein wenig Expertise zu bieten und stehen im ständigen Austausch. Geplante Umbauten der digitalen Infrastruktur gehen zügig voran. Es tut sich was.

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Einen Nachmittag haben wir Zeit investiert, jedem Mitarbeiter unserer Schule eine handschriftliche Karte zu schreiben und das außerordentliche Engagement und die Anstrengung zu würdigen. Die verrichtete Arbeit und investierte Zeit von allen kann nicht hoch genug gewürdigt werden und da war es auch mal angebracht „Danke“ zu sagen.

Schule mit Schülern

Nun also die Anweisung: Schule mit Schülern. In einem „rollierenden“ System, wie es neudeutsch heißt. Auch nun gilt: Handeln Sie eigenverantwortlich und zügig.
In einem Kraftakt haben wir eine spontane Dienstbesprechung mit dem gesamten Kollegium einberufen und dort nicht nur über die Schulöffnung informiert sondern auch jene um sofortige Rückmeldung gebeten, die aus Gründen nicht in den Präsenzunterricht kommen können.
Anschließend wurde ein Stundenplan erstellt, der die Jahrgangsstufen im Wechsel in die Schulen holt und sich vornehmlich auf die Hauptfächer konzentriert. Dabei wird jede Klasse geteilt und die Fächer wechseln paarweise. Die eine Hälfte der 5a hat also erst Mathe und dann Deutsch, die andere Hälfte erst Deutsch und dann Mathe. Neben den Hauptfächern haben wir ein weiteres Fach herangezogen, um Kollegen einzusetzen und den Stundenplan zu konstruieren. Die 5a hat dabei Bio, die 5b aber Kunst und die 8c Chemie. Die Jahrgangsstufen kommen dabei jeweils zwei (oder drei) Tage hintereinander in die Schule, bevor die nächste Gruppe dran ist – es herrscht also eine Art Blockunterricht. Die freien Tage sind dann mit Fernunterricht gefüllt.
Ich habe also Montags und Dienstags meine 5er und 8er in der Schule. Mittwochs bis Freitags wird der Unterricht dann durch Wochenplanaufgaben und eine Stunde Fernunterricht ergänzt.

Wenn wir es schaffen, diesen Plan bis zu den Sommerferien zu realisieren, war jedes Kind an 14 Tagen in der Schule. Das ist ordentlich.

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Und so, wie man als Künstler vor einem Picasso steht und staunt und als Mathematiker vor einer Formel steht und ihre Eleganz bewundert – so stehe ich vor diesem neu erdachten Stundenplan und betrachte ehrfürchtig seine Ästhetik. Nicht einmal im Ansatz hätte ich das so hinbekommen.

Nebenher mussten die Klassenzimmer umgebaut, Sicherheits- und Hygieneregeln erdacht und aufgeschrieben und ein Aufsichtsplan erstellt werden. Überdies Begehung mit den Verantwortlichen der Stadt, Verhandlungen mit dem MediaMarkt über unsere Kooperation bzgl. der Surface Go-Geräte für den digitalen Unterricht und Gespräche mit dem JobCenter über die Unterstützung der Eltern.

Schulleitung

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Ein häufig genutzter Begriff spricht von der „agilen Schule“, die es zu gestalten gilt. Bei allem Zähneknirschen über die unsichere Lage und das Hin- und her der Politik: Die Situation lässt nicht zu, dass wir langfristig planen.
Wir sind gezwungen, schnell auf neue Entwicklungen zu reagieren und dabei nicht nur den Kindern, sondern auch dem Kollegium gegenüber verantwortlich und mit Bedacht zu handeln.

Die letzten Wochen waren sehr, sehr anstrengend. Aber der Sprung in die Schulleitung und das Arbeiten an genau diesem Ort und mit diesen Menschen war noch nie so intensiv, hat mir nie so viel Freude bereitet wie gerade.

Ich hoffe, durch meine Perspektive auch ein wenig Lust zu machen auf diesen Bereich. Darauf, Schule als System zu betrachten und einmal in ihr Getriebe zu blicken.

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