Zum Inhalt springen

Eine Fortbildung, die mir im Magen liegt.

Vor einigen Wochen war ich eingeladen, auf dem einem Schulleiterkongress in Berlin zu referieren zum Thema „Unterrichtsveränderung & neue Prüfungsformate durch KI“.

Ich werde häufiger eingeladen und auch wenn ich vorsichtig bin, auf die Frage „wie war’s?“ eine annähernd objektive Antwort zu geben, sind die Rückmeldungen von Teilnehmern und Veranstaltern stets so, man weder bedauert, mich eingeladen zu haben noch mir nahelegt, doch besser in meiner eigenen Schule zu bleiben.

Auch die Auswertung der letzten Veranstaltung ist ziemlich genau so, wie sonst auch: Sehr positiv, sehr wertschätzend. Kein Teilnehmer hat den Workshop als Lebenszeitverschwendung empfunden. Und trotzdem liegt mir diese letzte Veranstaltung immer noch schwer im Magen und hat zur Konsequenz, dass ich mir zukünftig noch genauer überlegen muss, ob ich solchen Einladungen nachkomme.

Relativ am Anfang habe ich die TeilnehmerInnen aufgefordert, sich im folgenden Koordinatensystem zu positionieren:

Thema KI & Ich

Eine Fortbildung, die mir im Magen liegt. 1

Ich wollte eruieren, wie erfahren oder unerfahren die ZuhörerInnen im Thema KI sind, damit ich sie mit meinem Vortrag weder überfordere noch langweile und außerdem jedem die Chance geben, noch den Workshop zu wechseln, wenn der Workshop nicht zu den eigenen Erwartungen passt.

Das Problem: Von „unerfahren“ bis „erfahren“ war die gesamte Bandbreite vorhanden: Eine maximal heterogene Zuhörerschaft. Überaus deutlich an folgendem Beispiel:

Eine Fortbildung, die mir im Magen liegt. 2Den Vortrag habe ich am 11. Oktober gehalten. Einen Tag vorher (!) hat heise.de einen Artikel publiziert, in dem es um eine Umfrage geht, derzufolge die Hälfte der Lehrkräfte Erfahrungen im Umgang mit KI gesammelt hat, aber fast ebensoviele immer noch regelmäßig mit dem OHP arbeiten.
(Anmerkung: Das muss kein Widerspruch sein – aber das ist nicht Thema dieses Artikels.)

In meinem Vortrag habe ich sechs Zeitungsartikel untergebracht, chronologisch angeordnet aus den letzten 10 Wochen, um die Entwicklungsgeschwindigkeit von KI und dem Umgang mit KI zu demonstrieren. Der heise-Artikel, einen Tag alt,  war der letzte Zeitungsartikel.

Und als ich ihn an die Wand projizierte, nickten drei Teilnehmer: Ja, den hätten sie am Morgen auch gelesen.

Puh.

Puuuh.

Warum genau stehe ich da vorne und erzähle Leuten etwas, was sie schon wissen?
Das macht mich maximal unglücklich.

Wenn ich vor einem Lehrer-Kollegium zum Thema Lernbüros/Lerntheken/… referiere, dann hat die Schule für den Tag einen pädagogischen Auftrag vorgegeben. Jene Kollegen, die meine Inhalte bereits kennen, sind dankbar, dass die Botschaft noch einmal von außen ins Kollegium getragen wird. Es gibt Diskussionen. Alle sind glücklich.
Auch ich, denn es macht mir große Freude, pädagogische Feuer zu entzünden und Ideen anzufachen.

Beim Schulleiterkongress jedoch bedeutete diese Heterogenität, dass ich den Vortrag so geschickt halten muss, dass niemand hinterher rausgeht und denkt: „Joa… hätte ich auch meine Waschlappen nach Farbe sortieren können.“ Was genau soll ich Leuten erzählen, die so im Thema sind, dass sie die gleichen Quellen wie ich lesen, sich ebenfalls in Online-Lehrerzimmern austauschen und in ihren Bereichen sicher mehr Erfahrung haben, als ich?

Diese Situation erzeugt ehrlichweise sehr viel intrinsischen Druck und nur sehr wenig Spaß.

Selbst jetzt, vier Wochen später kaue ich den Vortrag in Gedanken durch und überlege, was ich anders hätte machen sollen, was an Vorbereitung sinnvoll gewesen wäre.

Aber alles zum Thema KI lässt sich nicht lange im Voraus vorbereiten – dafür ist die Entwicklung zu schnell. Viel zu schnell.

Wie gesagt: Die (anonyme) Auswertung der Teilnehmer war überaus positiv – und trotzdem war dies für die nächste Zeit wohl meine letzte Reise vor fremdes Publikum. Mein Anspruch an solche Fortbildungen ist, dass niemand hinterher rausgeht, und das Gefühl hat, seine Lebenszeit verschwendet zu haben.

Und bei dieser letzten Fortbildung hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, diesem Anspruch nicht gerecht geworden zu sein.

8 Gedanken zu „Eine Fortbildung, die mir im Magen liegt.“

  1. Drei Teilnehmer nickten. Drei von…?

    Auf so einem Kongress werden doch – gerade in Berlin – nicht wenige Teilnehmer sein. Wenn lediglich drei Teilnehmer den Artikel schon kannten, dann hast du doch sicher der großen Mehrheit durchaus etwas Neues erzählt; das ist doch keine schlechte Quote.

    Mir kommt bei Fortbildungen auch öfter mal der Gedanke:
    – 1/4 weiß ich schon.
    – 1/4 halte ich für sinnlos.
    – 1/4 ist interessant, aber bei uns nicht umsetzbar.
    – 1/4 bringt mich wirklich weiter.

    Wirklich alle Teilnehmer zufriedenzustellen ist ein lobenswerter, aber auch sehr hoher Anspruch – von daher: Geh nicht zu hart mit dir ins Gericht.

  2. Hmm, ich kann deine Gedanken zwar nachvollziehen, aber deine Schlussfolgerung halte ich für falsch (unabhängig davon, wie sehr du dich damit unter Druck setzt. Das ist ein separates Thema).
    Weil gerade bei einem sehr heterogenen Publikum kannst du es ja gar nicht richtig machen. Du wirst immer jemanden dabei haben, der ähnlich tief in der Materie drin ist, wie du und sich vielleicht sogar langweilt. Gerade bei „eingleisigen“ Veranstaltungen, bei denen keine Wahlmöglichkeit besteht (keine Ahnung, ob das in dem Fall zutrifft).
    Aus meiner Erfahrung als Zuhöhrer auf diversen Kongressen bei Themen, in denen ich mich auskenne, kann ich nur sagen, dass ich durchaus gerne in Vorträge mit bekannten Themengebieten reingehe. Einfach um zu hören, was andere in dem Gebiet erforschen und vielleicht noch einen Anstoß für meine eigene Arbeit mitnehmen zu können. Es ist auch oft genug vorgekommen, dass nichts neues für mich dabei war. Letztlich aber nicht schlimm, es war meine Entscheidung als Zuhöhrer.
    Das schmälert aber die Leistung des Vortragenden nicht. In diesem Fall deine.

    Gruß
    Marcel

  3. Lieber Jan-Martin,
    nicht nur finde ich (ebenfalls), dass du sehr (zu?) streng mit dir bist, sondern ich möchte auch noch etwas hinzufügen: Selbst wenn die Mehrheit der Teilnehmenden den Artikel gekannt hätte, so nehme ich mal schwer an, dass dessen Inhalt nicht der inhaltliche Höhepunkt deines Vortrags war.

    In anderen Worten: Wir lesen so viel, informieren uns so breit… Aber die Frage „Wie gehen wir damit um ?“ bleibt oft so lange unbeantwortet, bis wir darüber in den Austausch treten. Das wird auf heise.de eher nicht passiert sein…
    Und während es die einen gibt, die in Fortbildungen erstmal neu lernen müssen (und hoffentlich auch wollen), gibt es auch die vielen anderen, die schon wissen, die aber auch Vergewisserung brauchen: Dass andere auch die gleichen Texte lesen, sich auch Gedanken machen… und vielleicht doch zu anderen Schlüssen kommen, sodass man abgleichen und neu-justieren kann. Denn nur dass ein Inhalt existiert, heißt nicht, dass er zu jedem in gleicher Weise vordringt. Dazu muss man schon auch mit den richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und es muss irgendetwas fallen, was einen zum Nachdenken anregt. Leider erfahren wir von den Impulsen, die nach unseren Veranstaltungen passiert sind, ja kaum etwas… vielleicht wäre es eine Nachfrage wert.

    Kristina

    PS: Heute erst hat mir eine Schülerin aus der 12. Klasse begeistert erzählt, dass sie im Gespräch mit ihren Eltern verstanden habe, was Kommunismus sei. Erklärt hat sie es mir in denselben Worten, die seit der 8. Klasse im Grundwissensteil des Geschichtsbuches stehen (und die von Marx bis Honecker immer wieder aufgetaucht sind). Dort hatten sie aber offensichtlich bisher einfach nicht genügend Bedeutung für sie. Stattdessen hat es der passenden Zeit, Gesellschaft & Gelegenheit bedurft. 😉

  4. Danke für dein Teilen.
    Ich stimme den Vorschreiber*innen in vielen ihrer Aspekte sehr zu und möchte einen Aspekt ergänzen, der ein bisschen schon bei Kristina auftaucht:
    Ich gehe mit dieser Herausforderung so um, dass ich meinen Auftrag als Referentin oft nicht so verstehe, vorrangig neue Impulse zu geben, sondern vor allem auch einen guten Raum für Austausch und gemeinsames Lernen darüber zu bieten. Das geht durchaus auch in Vorträgen z.b. mit Murmelphasen zwischendrin. Am liebsten ist es mir, wenn am Ende die Teilnehmenden deutlich mehr gesprochen haben, als ich. Wenn man so etwas gut gestalten will, ist das alles andere als ein sich selbst aus der Verantwortung ziehen, sondern gerade bei heterogenen Teilnehmenden aus meiner Sicht eine große pädagogische Herausforderung (die mir auch nicht immer gut gelingt .)
    Alles Gute für dich.

    1. Hatte Miriam Vorfeld dazu Gedanken gemacht – aber mir sagte jemand genau dazu, er selbst könne solche ‚Arbeitsphasen‘ nicht besonders leiden. Wenn er in einen Vortrag zu einem Experten ginge, wolle er von dem etwas Neues hören und seinen Horizont erweitern. Das ist mir nachgegangen.

  5. Ich schließe mich den Vorredner*innen grundsätzlich an: das Problem liegt eher im Design von solchen Fortbildung als bei Dir als Referent. Ich erinnere mich da an „Tablet-Fortbildungen“, bei denen man sich an den Teilnehmer*innen mit dem geringsten Vorwissen ausgerichtete und sich 90% langweilten. In so einem Setting können nicht alle auf ihre Kosten kommen. Wenn man das lösen bzw. besser machen wollte, müsste man von Seite der Organisator*innen (in Absprache mit den Referierenden) im Vorfeld stärker selektieren bzw. eine homogenere Zuhörerschaft „schaffen“. Aber, wie bereits von Kristina formuliert, geht es auch um Vergewisserung. Vielleicht kann man Fortbildungen unter diesen Bedingungen optimieren, indem Formen der Binnendifferenzierung einführt? Zum Beispiel einen komplexeren, kontroversen Denkimpuls für Fortgeschrittene, während man die anderen erstmal Update. An dem guten Feedback siehst Du aber ja, dass es die Teilnehmer*innen (trotzdem) geschätzt haben, also haben sie es offenbar nicht so dramatisch wahrgenommen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert