Um der Faulheit eines Mathematik-Kurses (es sind nie alle – aber zu viele) zu begegnen, habe ich im Herbst letzten Jahres begonnen, jede einelne Stunde einen Test (= schriftliche Leistungsüberprüfung) schreiben zu lassen. Stets nicht viel mehr als eine Aufgabe und jedesmal auch thematisch klar umrissen.
In den ersten Wochen hätte ich gewiss keinen Beliebtheitspreis gewonnen und ich erntete manches Zähneknirschen – aber zum Halbjahreswechsel hatte sich das Blatt gedreht: Ich kam mit dem Kurs ins Gespräch und bot an, die Tests fallen zu lassen, wenn sie es denn wünschten. Aber: Fast einstimmig plädierte der Kurs dafür, den harten Kurs weiterzufahren. Also schreibe ich seit Monaten einen Test nach dem anderen. Und die Ergebnisse – Mitarbeit, Unterrichtsatmosphäre, Klausurergebnisse – haben sich deutlich verbessert.
Letzte Woche blieben – die Parallelkurse verfahren ähnlich – jede Menge Kopien übrig, so dass beschloss, einfach den gleichen Test nochmal auszuteilen. Er war ganz gut ausgefallen und wir hatten ihn auch noch an der Tafel besprochen – was sollte da schon schiefgehen? (Erfahrenere Lehrkräfte schmunzeln an dieser Stelle bereits…)
Der Test fiel schlechter aus. Schlechter!
Ich bin wütend. Test-wütend sozusagen.
Wenn ich den Dingen ihren Lauf lasse, schmiert mir ein Teil des Kurses völlig ab – jede Menge Fünfer und Sechser wären die Folge. Aber umgekehrt lernen die Kinder immer noch für den Test und in dem Bewusstsein, drei Minuten nach Abgabe alles wieder vergessen zu können. Zur Erinnerung: Wir betreiben keine Raketenwissenschaft und ich will auch niemanden reinreiten. Fünf Minuten Vorbereitung hätten genügt.
Und gleichzeit bin ich – heute – ernüchtert und frustriert. Welches Angebot kann Schule mit all seinen komplizierten und völlig lebensfremden Themen Kindern machen, wenn „Bildung“ als Wert nichts zählt. Wenn „Denken“ und „Erinnern“ zu mühsam ist? Ich konkurriere mit TikTok, YouTube, Snapchat als Dauerberieselung (ohne den Druck, sich irgendwas davon merken zu müssen) auf Kinder, die nicht einmal im Ansatz verstehen, wie niedrig ihre eigene Leistungsbereitschaft ist.
Es tut mir – als Vater, als Lehrer, als Mensch – richtig weh, mitanzusehen, welche Lebenspfade da eingeschlagen werden. Welch vergeudetes Potenzial. Und ich bin bei viel zu vielen Kindern völlig machtlos.
In den letzten drei Absätzen findest du passende Worte für Erfahrungen, die ich genau so mache und die mich allerdings sprachlos zurücklassen.
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>Welches Angebot kann Schule mit all seinen komplizierten und völlig lebensfremden Themen Kindern machen, wenn „Bildung“ als Wert nichts zählt.
Das ist für mich die zentrale Frage für die Kinder, aber vor allem für die Gesellschaft: was soll Bildung überhaupt? Ich habe eine Meinung dazu, fühle mich aber ein bisschen allein gelassen damit.
Nur heraus damit!
Sehr bitter. Das steht uns allen früher oder später ins Haus, schätze ich :-/
Ich merke auch, dass es was mit mir macht. Ich hab in schwachen Klassen ganz ähnlich verfahren: Jede Stunde eine Wiederholungslektion, klar umrissen. Das Ergebnis: Die 1er Kandidaten blieben top, die Leute, für die das Programm gedacht war, schmierten gnadenlos ab und kassierten schulterzuckend eine sechs nach der anderen. Irgendwann hab ich das Schreiben der Tests eingestellt, weil ich auch ohne diese Tests exakt dieselben Schnitte erreicht hätte.
Schade
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Aus meiner Perspektive ergibt das Verhalten deine Schüler voll Sinn: sie nehmen den Weg des geringsten Widerstands: Test bestehen, Lehrer zufrieden stellen und weitermachen. Und das wahrscheinlich nicht, weil sie dich ärgern wollen, sondern weil es das Stöckchen ist, das ihnen hingehalten wird.
Dass du darüber frustrierst, dass nicht mehr hängen bleibt, kann ich nachvollziehen. Du gibst auf der anderen Seite aber immer wieder Impulse in deinen Klassen, so dass sich deine Schüler:innen weiterentwicklen können und als Leser deines Blogs, denke ich, auch immer wieder mit Erfolg. Und ich denke, das beantwort auch ein wenig die Frage von Herrn Rau: Bildung soll uns befähigen uns weiterzuentwickeln und unser Leben zu meistern.
Meiner Meinung nach gilt das aber nicht nur in die Richtung der Schüler:innen, sondern auch auch der Lehrer:innen. Nur Plan A zu verfolgen ist zwar für alle Beteiligten einfach, aber führt es auch zum erwünschten Ergebnis?
Im Falle von Mathe geht es auf der übergeordneten Ebene um Problemlösungskompetenz und sei es nur in der Lage zu sein Preise im Supermarkt vergleichen zu können.
Und ja, die Untiefen des (sozialen) Internets erschweren es glaube ich sehr, dass die gesetzten Impulse ankommen können – Ich bin zumindest froh, dass ich während meiner Schulzeit und auch meines Studiums nur mit den Anfängen davon konfrontiert war – aber wenn sie ankommen, ist es doch um so schöner oder nicht?