Der Umzug ins Gebäude der Mittelstufe steht an und wir räumen unseren Klassenraum aus. Plakate werden von den Wänden genommen und werden entweder mitgenommen oder entsorgt. Kisten ausgeräumt. Deko abgebaut. Ein bisschen Wehmut, ein bisschen Vorfreude – vor allem aber Vor-Ferien-Stimmung.
Als wir uns Minuten vor dem Ende der Woche zusammenfinden, deuten einige Kinder an die Decke: Am ersten Schultag hing dort ein mit Konfetti gefüllter Luftballon. Schnell hat er alle Luft verloren und ist zu einer kümmerlichen, verschrumpelten Existenz verkommen. „Der muss mit!“, bestimmen die Kinder johlend. „Und wenn es in einigen Jahren Zeugnisse gibt, kommt der mit auf die Bühne – als treuer Begleiter!“
Wir sprechen kurz darüber, dass jede Familie ihre eigenen Traditionen hat. Ihre eigene Sprache. Insider-Witze, die nur Eingeweihte verstehen. Auch wir, als Klassengemeinschaft sind eine solche Familie.
Doch mit den Jahren hat sich das Plastik des Ballons vollständig aufgelöst und bei der ersten Berührung zerfällt die pergamentartige Hülle und das Konfetti regnet auf den Boden. Entsetzt sehen die Kinder mich an. Ich ernte aufgebrachte Kommentare. „Das haben Sie doch mit Absicht gemacht!“ „Der arme Ballon!“ „Unsere Tradition ist hin!“
Bevor ich zu einer chemisch-halbgaren Erklärung ansetzen kann, werden Konfetti und Ballonreste feixend zusammengeklaubt: „Die kommen in einen neuen Ballon und der kommt dann mit!“
Ich gelobe, einen Ballon zu besorgen.
Es sind manchmal die ganz kleinen, scheinbar unwichtigen Dinge, die eine Lernatosmphäre ausmachen. Lehrkraft sein bedeutet heutzutage ganz viel Beziehungsarbeit zu leisten. Je besser diese Beziehung ist, desto intensiver und besser kann gelernt werden.