Der Lehrer Joscha Falk ruft auf seinem Blog im Rahmen einer Blogparade und unter dem Hashtag #kAIneEntwertung dazu auf, sich über die Zukunft von KI in der Bildung laut Gedanken zu machen.
Spoiler vorweg: Ich blicke aktuell extrem pessimistisch in die Zukunft.
Kurz zur Einordnung: Ich nutze KI-Dienste jeden Tag. Die visuelle Hilfe von Gemini in meinem Handy hat mir schon geholfen, meine Heizung zu reparieren und Computer wieder ans Laufen zu bringen. ChatGPT hat mir unzählige Stunden Arbeit erspart, weil ich es als Sparingspartner genutzt habe, weil ich um Perspektivwechsel gebeten habe und es als fähiges Werkzeug in Dutzenden Situationen einsetzen konnte. Der Beispiele sind unzählige, beruflich wie privat.
Ich weiß aber auch, dass derzeit mehr als die Hälfte des Datenverkehrs im Internet durch KI erzeugt wird. KI-Webseiten fluten das Netz, KI-erzeugte Videos YouTube, KI-erzeugte Bücher Amazon und KI-erzeugte Bots überschwemmen die Kommentarspalte jeder Webseite mit nutzlosem Inhalt (sogar mein Blog sammelt fleißig KI-Kommentare ein, die nur auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen).
Im Unterricht ermutige ich meine Schülerinnen und Schüler, KI als intelligentes Werkzeug zu nutzen. Sich Rückmeldung einholen, chatgpt als einfachen Tutor für Grundlagen einzusetzen. In der Theorie funktioniert das – die Praxis sieht anders aus.
‚Die Kurzen‘ haben schon immer nachgemacht, was ‚die Großen‘ gemacht haben. Wenn die Großen rauchen, rauchen auch die Kleinen. Die Großen hauen sich auf die Fresse und filmen das – also machen das auch die Kurzen.
Wir Menschen sind grundsätzlich (und evolutionär bedingt) faul und darauf aus, Energie zu sparen. Lernen ist genau das Gegenteil davon und fällt genau deshalb so schwer. Schaut man in einen beliebigen Hörsaal, sieht man Studenten (‚die Großen‘) in der letzten Reihe gelangweilt CandyCrush spielen, auf TikTok oder Snapchat surfen und die Zeit absitzen.
In der Berufsschule? Selbes Bild.
Im Beruf? Anwälte nutzen chatgpt, um Paper zu schreiben.
Pastoren um ihre Predigten zu verfassen.
Ärzte, um sich eine weitere Meinung einzuholen.
Ich selbst nutze KI-Dienste jeden einzelnen Tag, um mir meine Arbeit zu erleichtern. Weil ich denkfaul bin. Weil es leichter ist, chatgpt eine Idee ausbrüten zu lassen, als selber nachzudenken.
Mit welchem Recht kann ich verurteilen, dass ‚die Kurzen‘ sich ebenso verhalten, wie ‚die Großen‘?
Mein einziger Vorteil ist die ‚Gnade der frühen Geburt‘: Ich musste die Wikipedia noch händisch abschreiben und konnte keine KI-generierte PowerPoint mit nur einem einzigen Satz erzeugen. Andererseits habe ich damals genausowenig gelernt, wenn ich die Hausaufgaben von meinem Nachbarn abgeschrieben habe, wie meine Schüler heute, wenn sie chatgpt einen Aufsatz schreiben lassen.
Ich blicke trotzdem mit maximalem Pessimissmus in die Zukunft: Ein Internet, dass mit KI-erzeugtem Bullshit geflutet wird, zersetzt sich selbst und den Zusammenhalt der Nutzer. Die Besuchszahlen vieler Webseiten und Blogs sind drastisch eingebrochen – denn Google bietet Zusammenfassungen der Inhalte an. Damit findet ein Austausch (bspw. über die Kommentarfunktion) gar nicht mehr statt.
Um den Herausforderungen dieser Zeit zu begegnen halte ich aber eine maximale Vernetzung untereinander für eminent: In meinem Kollegium arbeiten wir völlig vernetzt. Platt gesagt hat jeder Kollege Zugriff auf das Material jeder Stunde eines jeden Faches. Es gibt keine Einzelkämpfer. Kompetenzen, Know-How und Wissen – echtes Wissen – muss breit gestreut und vernetzt werden.
Aber weil Aufmerksamkeit die einzig relevante Währung des Internets ist, werden Inhalte künstlich aufgebläht und spannender gemacht, als sie sind. Es entsteht jede Menge Bullshit KI-shit (‚falsches Wissen‘) der sich so oft verbreitet, dass es von der Wahrheit nicht mehr zu unterscheiden ist (Der YouTube-Kanal ‚kurzgesagt‘ widmet sich dieser Perspektive etwas ausführlicher.). „Flood the zone with shit“. Wir sehen in den USA, was mit einer solchen Gesellschaft geschieht.
In einem Internet, das in künstlichem Bullshit KI-shit ersäuft, wird es immer anstrengender, sich über die eigenen Grenzen hinaus zu vernetzen. Wenn alles wichtig ist, ist nichts wichtig – oder synonym: Wenn alles wahr ist, ist nichts wahr.
Ich habe wenig Hoffnung.
(Das hindert mich aber nicht, dich zum anstehenden Treffen des „Online-Lehrerzimmers“ einzuladen: Kolleginnen und Kollegen (bekannt aus Funk und Fernsehen und aus Mastodon, BlueSky, Twitter und Instagramm) treffen sich alle zwei Jahre in Kassel für ein Wochenende zum entspannten Austauschen. Drei Dinge sind mit aus den vergangenen Treffen besonders in Erinnerung geblieben:
- Bei den Treffen konnte man so viel oder wenig über Schule quatschen, wie man wollte. Es gab keine Agenda, eine ToDo-Liste und es hat sich zu keiner Sekunde wie „Job“ angefühlt.
- Zu den Treffen kommen bildungs-positive Leute: Es ist kein Ablästern über die eigene Schule, die eigene Schulleitung oder die heimischen Kinder. Wenn wir über Schule sprachen, dann stets interessiert, ermutigend mit Lust auf den Job. Keine Energievampire anwesend.
- Ich bin ein Einzelgänger. Auf Partys gehe ich nicht und wenn ich muss, stehe ich allein und mit Blick zur Wand. Menschenmengen größer 5 empfinde ich als anstrengend. Und doch: jedes dieser Treffen habe ich sehr, sehr genossen – vielleicht auch, weil ich mir stets von Freitag bis Sonntag Zeit gegeben habe. Einfach tolle, beeindruckende Leute mit spannenden Perspektiven aller Schulformen sind da.
Herzliche Einladung – auf dieser Taskcard findest du alle Informationen.

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Du weißt, das „KI“ im besten Fall mittelmäßige Inhalte produziert, unseren Planeten und das Internet zerstört und richtiges Lernen und Können verhindert.
Trotzdem ermutigst du deine Schüler, „KI als intelligentes Werkzeug zu nutzen“. Warum? Willst du sie / uns bewusst sabotieren?
(„KI“ ist nicht intelligent. Das zu verstehen, ist sehr, sehr wichtig. Es gibt kein Brain, kein Verstand, keine Intelligenz in LLM.)
Entweder bringe ich Ihnen einen sinnvollen Umgang mit LLMs bei oder sie nutzen es in eigenem Ermessen. Die Technologie geht nicht weg, egal welche Schäden sie verursacht. Wir lernen entweder „damit umzugehen“, oder wir „werden davon umgegangen“.
Ich teile die Skepsis von Regina Regenbogen ein wenig. Chatbots sind kein intelligentes Werkzeug, und diese und ähnliche Bezeichnungen fühlen zu schädlichen Fehlvorstellungen. Ich sehe nicht nur „nur damit umgehen“ oder „werden umgegangen“. Ja, die SuS sollten unbedingt wissen, was Vor- und Nachteile sind, und die Funktionsweise, und dann – so das Bildungsziel – sollten sie LLM dann anwenden, wenn es sinnvoll ist, was im schulischen Kontext sehr, sehr selten sein wird. (Dass sie sich individuelle Aufgaben erstellen und lösen: wird nicht geschehen.) Und für den Umgang mit LLM im nachschulischen Leben müssen wir sie schon vorbereiten, aber das hat Zeit. – Ich bin insgesamt aber dennoch optimistischer als Jan-Martin, weil ich ich glaube, dass die generativeKI-Bubble früher soder später platzen wird.
Ich erlebe dagegen sehr oft, dass Kinder LLMs (danke für den Hinweis) intensiv nutzen, um sich Texte zu erschließen oder Sachverhalte erklären zu lassen. Nach und nach kommen wir (in meiner Wahrnehmung) weg vom „cheaten“ hin zum „intelligent nutzen“.
Ich denke da an den alten Spruch „Fernsehen macht dumme Kinder dümmer und kluge Kinder klüger. KI bzw. LLMs verstärken diesen Effekt noch und ich arbeite in einem Umfeld, in dem es (oft) kein Elternhaus gibt, das die Kinder an dieser Stelle stützen kann.
Meine Antwort wurde dann doch etwas länger, deshalb als eigener Beitrag:
https://nickyreinert.de/2025/2025-10-10-was-ki-nicht-ist/
Danke! Sehr lesenswert!
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