Eine kleine Geschichte:
Vor einigen Jahren drang Charles Roberts in eine Schule der Amish ein, schickte die Jungen und die Lehrerin raus und bedrohte die Mädchen mit einer Pistole. Den Schülerinnen gelang es, ihn in ein Gespräch zu verwickeln und der Mann erzählte, er sei wütend auf Gott und verbittert. Sein erstes Kind sei kurz nach der Geburt gestorben und er könne das nicht verwinden. Er konnte nicht vergeben.
Die älteste Schülerin der Klasse bot dem Mann an, stellvertretend für die anderen zu sterben. Er solle die anderen gehen lassen und sie töten.
Aber er lehnte ab.
Und sieben Minuten nach elf Uhr am 2. Oktober 2006 exekutierte er ein Kind nach dem anderen. Fünf starben.
Naomi Ebersol, 7 Jahre.
Marian Fisher, 13 Jahre.
Anna Stoltzfus, 12 Jahre.
Lena Miller, 8 Jahre.
Mary Miller, 7 Jahre.
Man kann dem Schmerz dieser Tragödie nicht in Worten gerecht werden. Kein Vater sollte seine Kinder beerdigen müssen.
Noch am gleichen Tag, wenige Stunden nach dieser entsetzlichen Tat antwortete einer der Ältesten der Amish, der Großvater eines der toten Mädchen, auf die zahlreichen Fragen der Reporter.
“Wir dürfen von diesem Mann nicht schlecht denken.”
Einige der Ältesten der Amish-Gemeinde besuchten in den folgenden Tagen Marie Roberts, die Witwe des Amokläufers, ihre Eltern und die Eltern des Schützen um ihnen Trost (!) auszusprechen und Vergebung anzubieten. Außerdem luden sie die Witwe und ihre Kinder zu der Beerdigung der getöteten Schülerinnen ein und sie baten darum, dass alle Unterstützungszahlungen für die Amisch mit der Familie des Täters geteilt würden. Und als wäre dies noch nicht genug, nahmen Dutzende amische Familien in einem Akt der Versöhnung an der Beerdigung des Mörders teil.
In den USA löste diese radikale Form der Vergebung nationale Debatten aus. In einem offenen Brief schrieb die Witwe des Schützen später:
“Ihre Liebe für unsere Familie hat uns geholfen, die Heilung zu finden, die wir so dringend nötig haben. Die Geschenke, die Sie uns darbrachten, haben unsere Herzen in einer Weise berührt, die Worte nicht fassen können. Ihr Mitgefühl reicht weit über unsere Familie, über unsere Gemeinde hinaus und verändert die Welt. Und dafür danken wir Ihnen zutiefst.”
Was auch immer wir für einen Groll hegen, wem auch immer wir nicht verzeihen können. Wegen einer Tat. Wegen einer Bemerkung.
Wenn ich an die Liebe, die Vergebung der Amish denke, dann erscheint alles in meinem Leben relativ belanglos.
Wenn es eine „richtige Reaktion“ gibt, nach solch einer Tragödie, dann erscheint diese mir als die beste.
Bedauerlich, dass das alttestamentarische „Auge um Auge“ und eine kaum verständliche Kultur des Nachtragens sich derart etabliert haben.
Wie ich heute Nacht auf twitter las:
„I see many people saying the shooter was ‚inhuman‘. He was not. He was human and we must deal with that.“
(tweet von IUBiz)
Ein schöner Beitrag zum aktuellen Thema, aber was mich dazu interessiert: haben Sie auch im Unterricht den Amoklauf aufgegriffen? In unserer Schule ist es bedauerlicherweise so, dass kaum (höchstens mit Oberstufenschülern im Wirtschaft/Politik-Unterricht, doch auch dort nur mit geringem Anteil) über aktuelle Geschehnisse gesprochen wird – wenn sich ein Schüler nicht mit persönlichem Interesse über Nachrichten in Zeitung, Radio etc informiert, so kriegt man bei und kaum etwas von Taten wie diesen mit. Das Thema aufzugreifen und im Gespräch darüber zu stehen zumindest für eine Schulstunde halte ich jedoch für unglaublich wichtig. Ist es nur unsere Schule bei der ich dahingehend wenig Hoffnung habe oder auch anderswo?
Nachdem mich meine Schüler nicht darauf angesprochen haben, ist das Ereignis auch bei mir nicht Thema gewesen.
Ich bin auch nicht sicher, ob eine zu breite Aufarbeitung nicht eher Nachahmungstäter nach sich zieht…
Es geht nicht um breite Aufarbeitung, aber um eine authentische Haltung dazu und das nehmen die Schüler sehr ernst. Wir haben heute darüber gesprochen in der 10, zuvor habe ich das Märchen von Kästner gelesen:
http://www.deanita.de/frieden1.htm
Frohe und friedliche Weihnachten!
Fredi
Fredi