In meiner Reihe zu Projektunterricht beschreibe ich, mit welchen Ideen und Zielsetzungen meine Schule systematisch eingeführten Projektunterricht realisiert. Dies auch und gerade im Hinblick auf drohende Schulschließungen und eine Möglichkeit, Hybridunterricht (Fernunterricht / Homeschooling / blended learning / …) sinnvoll in den Schulalltag einzubetten und vielleicht ein neues Bild von Schule zu denken.
Heute geht es um Phase 1: Die Projektfindung.
Als Lehrer, die wir ununterbrochen die Arbeitswelt unserer Schülerinnen und Schüler organisieren und planen, tendieren wir dazu, auch neu eingeführten Projektunterricht durch die gleiche Brille zu betrachten: Die Kolleginnen und Kollegen machen sich Gedanken und schreiben mögliche Projekte auf, deren Umsetzung sie sich vorstellen könnten. Wie bei einer AG-Wahl werden anschließend Wahlzettel ausgeteilt und die Kinder dürfen sich ein Projekt aussuchen. In der Praxis sind wir eingeengt durch die Liebe zu und das Wissen über unsere Unterrichtsfächer: Mir fallen aus dem Stehgreif zwei Dutzend Forschungsthemen aus der Physik und Bauprojekte aus der Technik ein.
Aber: Dies mag ein geeigneter Start für eine losgelöste Projektwoche sein – aber nicht für Projektunterricht, der stark auf Eigenverantwortung und Engagement baut. Obwohl die letztendliche Gestaltung von den Lehrerinnen und Lehrern maßgeblich in Umfang und Richtung beeinflusst werden kann, sollte die Projektfindung unbedingt von den Kindern selbst ausgehen.
Entsprechend dient diese Anfangsphase dazu, die Interessen der Schülerinnen und Schüler auszukundschaften und sowohl erste Ideen für ein Projekt zu gewinnen, als auch erst einmal verständlich zu machen, was überhaupt ein Projekt ist.
Ist „ich möchte meine Englischnote verbessern“ ein sinnvolles Projekt? Wie steht es mit „Wir sammeln Müll im Wald auf“ oder „Ich erfinde ein eigenes Brettspiel“?
Für die Schülerinnen und Schüler ist zunächst nicht ersichtlich, was genau ein Projekt ausmacht: Es geht darum, etwas Neues zu entwickeln, zu organisieren oder etwas zu erforschen. Und damit zusammenhängend um die Fragen „Was musst du dafür wissen? Was würdest du dabei lernen?
Nebenher können eigene Interessengebiete aufgeschrieben und erkundet werden. Wichtig ist, dass die Kinder sich ihr Projekt selbst aussuchen. Sie werden sich viele Stunden und Tage mit dem gleichen Themenbereich auseinander setzen und hier kann die Motivation nur hoch gehalten werden, wenn sie wirklich für ihre Idee brennen. Entscheidender Punkt: Immer wieder im Gespräch mit den Lehrern zu sein und die Projektidee zu entwickeln.
Für eine Orientierung kann das Erstellen von Formularen sorgen, die mit zielgerichteten Leitfragen gespickt sind und die Schülerinnen und Schüler führen.
Diese erste Phase wird durch Projektgespräch abgeschlossen, in dem die Idee der Schülerinnen und Schüler in die ein oder andere Richtung gelenkt werden kann. Hilfreich ist auch, gleich zu Beginn über Erwartungshaltung und Bewertungsaspekte zu sprechen und diese schriftlich festzuhalten. Das umfasst bspw. das Führen eines Portfolios als begleitendes Dokument zum Projektunterricht aber auch die konkrete Zusage, dass der Projektunterricht prozessorientiert und nicht produktorientiert ist.
Wenn das Projekt einer Schülergruppe beispielsweise im Organisieren eines Nudelfestes besteht, dann heißt es am Ende nicht „Nudeln verkaufen sich = sehr gut“ oder „Nudeln verkaufen sich nicht = ungenügend“. Wichtig sind die Planungs- und Entwicklungsschritte und auch ein Scheitern des Projekts kann, richtig aufgearbeitet, eine wertvolle Erfahrung liefern und in einer sehr guten Bewertung münden.
Nach der Projektfindung geht es in die zweite Phase: Orientierung. Dazu beim nächsten Mal mehr.
Noch mehr Informationen zu Projektunterricht findet sich in meinem Buch „Projektunterricht? Geht doch!“, welches bei Amazon zu finden ist. Alle Artikel zur Reihe Projektunterricht auf diesem Blog finden sich hier.