Zum Inhalt springen

Neues Schuljahr: Viel Elan und beschmierte Wände

Das neue Schuljahr hat in NRW diese Woche begonnen, was bedeutet, dass Schulleitungen seit mindestens zwei Wochen wieder aktiv sind.
Die Einschulungszeremonie fällt bei mir inzwischen unter Routine. Wetter war gut, neue Eltern aufgeregt aber zuversichtlich, Kinder noch aufgeregter und voller Vorfreude. Vieles kam in den letzten Tagen zusammen: Von Unfällen, Operationen und Todesfällen bis zu Neuanfängen (und meinem eigenen Geburtstag) war in meinem engeren Umfeld so manches dabei, das viel Energie gekostet hat.
Heute, an Tag zwei, brummt der Laden wieder richtig und nachdem ich gestern den gesamten Tag mit der Einschulung verbracht habe, durfte ich heute meine eigene Klasse unterrichten.
Und, boy, war das ein Spaß!

Ich habe im Sommer ja zwei Bücher gelesen (klick) die sich mit der Weiterentwicklung meines Mathematikunterrichts beschäftigen: „Denkende Klassenzimmer“ und „Deeper Learning“.
Einige Kolleg*innen meiner Schule haben sich zuletzt aufgemacht, ihren Unterricht neu zu durchdenken und zu verändern. Vergangenes Jahr habe ich bei meiner Konrektorin in ihrem prozessorientierten Mathematikunterricht hospitiert und war angefixt. Ich hatte sie gebeten, mich in passende Jahrgangsstufenteams zu setzen, weil ich auch so arbeiten wolle und die Gelegenheit habe ich auch bekommen. Sowohl in der 9 als auch der 7 sitzen Kolleg*innen, die Lust auf Veränderung haben: Jede Woche treffen wir uns jetzt abseits des Unterrichts zu einem Teamtreffen, um Unterricht zu entwickeln und zu reflektieren.

Neues Schuljahr: Viel Elan und beschmierte Wände 1Ich selbst bin immer noch ganz entzückt von meinem „denkenden Klassenzimmer“.

Die prägnantesten Aspekte waren:

  1. Mit Problemen beginnen.
  2. Dreiköpfige Zufallsteams bilden
  3. im Stehen an „öffentlichen“ Whiteboards arbeiten

Meine kreisförmige Sitzordnung (klick) habe ich mit meiner Co um kleine „Hausnummern“ erweitert: Kleine Schilder geben zu erkennen, dass sich hier Team 2, 3, … trifft. Außerdem ein Kartenspiel besorgt um Dreiergruppen zu bilden (alle PIK-Karten aussortiert) und jede Menge abwischbarer Whiteboardmarker und Fensterputzmittel besorgt.

Mein Anfagsproblem war: „Wenn ich jedem zur Begrüßung die Hand gebe und jeder jedem anderen auch die Hand gibt – wie oft werden hier heute Hände geschüttelt?“

Und dann wurde diskutiert, gekritzelt und geschrieben: Auf Fenster. Auf Schränke. Auf hochgestellte Tische.

Die erste Stunde diente mir nur zur Implementation der Methode: So teilen wir uns auf. So wird gearbeitet. So wird hinterher aufgeräumt. Dann eine Rückmeldung.

Als wir uns mittags wiedersahen, wiederholte ich die Methode. Wieder Zufallsgruppen. „Sammelt alle Begriffe, die euch zum Thema Bruchrechnung einfallen. Erklärt sie euch gegenseitig.“

Neues Schuljahr: Viel Elan und beschmierte Wände 2

Neues Schuljahr: Viel Elan und beschmierte Wände 3

Spannend war, dass die Kinder in meiner Klasse die wilden Zufallsgruppen als positiv empfunden haben: Es war gut, mal aus den eingespannten Teams und der festen Rolle herauszufallen. Als Beobachter habe ich noch nie (!) eine so hohe kognitive Aktivierung bei meinen Kindern erlebt, wie heute: Selbst jene, für die Mathematik eine wirkliche Qual ist, waren intensiv dabei, kritzelten und malten herum und waren sichtlich bei der Sache.

Neues Schuljahr: Viel Elan und beschmierte Wände 4

Ein Teil ist sicher der Anfangseuphorie geschuldet: „Waaaas? Wir dürfen auf die Fenster schreiben?“
Aber ich bin zuversichtlich, dass die Lust am Diskutieren und miteinander Arbeiten bleibt. Insbesondere, was die Fachleistungsdifferenzierung angeht, bietet diese Methode eine enorme Chance: In immer neuen Gruppen muss und kann ich mich strecken, darf Fragen stellen und lernen.

Ich für meinen Teil habe richtig, richtig Lust! Und das, finde ich, ist ein richtig guter Anfang für einen Schulstart.

3 Gedanken zu „Neues Schuljahr: Viel Elan und beschmierte Wände“

  1. Wie schön! Ich hoffe, dass sich der Buzz bei Dir hält und Du noch lange Freude daran hast! Ich habe selbst lange ausprobiert und bin immer noch ein Riesenfan der Zufallsgruppen und der Arbeit an Whiteboards – allerdings erst, wenn bei allen die nötigen Lernvoraussetzungen vorhanden sind. Mir ist es leider nicht gelungen, diese gerade bei den schwächeren SuS im Modus des denkenden Klassenzimmers aufzubauen. Es wurde viel gedacht und gemacht, die Motivation war hoch, aber es blieb leider zu wenig hängen. Auch bei den nützlichen Notizen hatten die stärkeren die Nase deutlich vorn. Liljedahl schreibt mehrfach, wie wichtig genau dieser Übergang vom „collective knowing and doing“ in den Gruppen zum „individual knowing and doing“ ist, aber auch nach Jahren der Erprobung will genau das bei mir nicht fruchten. Bin gespannt auf Deine Erfahrungen und freue mich über Ideen, wie‘s vielleicht doch noch gelingen kann.

    Wir haben mittlerweile übrigens 4 designierte Whiteboardräume, in denen sich alle, die mit dem denkenden Klassenzimmer arbeiten möchten, reinplanen lassen können. Das erleichtert die Abläufe ungemein.

    1. Das letztere ist krass! Das hätte ich auch gern!
      Ersteres wird sicher auch bei mir ein Knackpunkt – die Frage ist jedoch: Bekomme ich das anders bzw. traditionell unterrichtet besser hin? Die Mathematikergebnisse der Gesamtschulen insgesamt sind da bisher eher unbefriedigend.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert