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“Gott straft die Sünder”

Die Tragödie im Rahmen der Love Parade in Duisburg ist tragisch, ohne Frage. Im Nachhinein werden Schuldige gesucht. Im Nachhinein wird auf jene geschaut, die die Katastrophe kommen sahen. Im Nachhinein werden Lichterketten gebildet.

Und im Nachhinein finden sich immer auch Menschen, deren Meinung ich – vorsichtig formuliert – kritisch sehe. Und oft genug kommen diese Menschen aus dem kirchlich-konservativen Lager. Beispiel gefällig?

  • “Die Loveparade in Duisburg ist zu einem Sodom und Gomorrha mit katastrophalen Folgen geworden”
  • “Das ohrenbetäubende, stereotype Rave-Gehämmere, das nicht mehr im Geringsten etwas mit dem einstmaligen Begriff von Musik zu tun hat…”
  • “Riesige dunkle Wolken der Enthemmung und Entfesselung treiben über dem Geschehen, die jungen Menschen wirken, als hätten sie jegliche Selbstkontrolle abgegeben, ekstatisch und wie im Sog folgen sie dem finsteren Meister der sichtbaren Verführung.”
  • “Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen.”

Und? Erraten, von wem diese geistreichen Worte kommen? Genau – war ja auch nicht schwer. Eva Herman hat sich einmal mehr zu Wort gemeldet um ein Sprachrohr für die Konservative zu bilden.

Und mir wird ganz anders.
Denn was für eine Theologie wird hier propagiert? Der “finstere Meister der sichtbaren Verführung” führt die Teilnehmer in “finsterem Sog” an? Satan als erster Raver?
Und “andere Mächte” stoßen dann die Menschen von einer ungesicherten Treppe und erdrücken sie? Gott als blutrünstiger Rausschmeisser der Love Parade?

Das entspricht mir nicht. Meinem Bild von Kirche nicht. Und ich kenne selbst auch keinen Christen, der so denken, geschweige den so etwas publizieren würde. Aber ich ahne, dass ich mich einmal mehr für meinen Glauben entschuldigen muss. Christsein ist mir manchmal peinlich.

Liebe Frau Herman, im Judentum gibt es den Brauch des “Shiva sitzen”, den Sie vielleicht aus dem Buch Hiob kennen. Wenn man jemanden verloren hat, dann kommen die Freunde und setzen sich zu einem. Und schweigen. Und sitzen. Wenn man über seinen Verlust sprechen will, dann tut man das. Und ansonsten wird geschwiegen. Stundenlang. Tagelang. Sitzen. Und schweigen. Tag für Tag für Tag.

“Ich lege jetzt die Hand auf meinen Mund. Einmal habe ich geredet und dann noch einmal – aber ich will es nicht wieder tun; ich habe schon zu viel gesagt!“
[Hiob 40, 4]

7 Gedanken zu „“Gott straft die Sünder”“

  1. Liest man diese Zitate, so wünscht man sich einmal mehr, gewisse Christen würden endlich lernen, mitzuleiden und zu lieben, anstatt zu verurteilen und dadurch Hass zu verbreiten. Wo, so frage ich mich, liegt da noch der Unterschied zu einem fanatischen islamischen Hassprediger?

  2. ich habe mir auch den Blogeintrag von Frau Herman durchgelesen, kann aber nicht erkennen, dass hier ein Bezug zu „Gott straft die Sünder“ – wie ja der Titel dieses Eintrags lautet – hergestellt wird. Frau Herman spricht ganz allgemein von anderen Mächten, damit kann alles Mögliche gemeint sein.

    Ins Besondere wenn man sich mal anschaut wofür der Kopp-Verlag, wo Frau Herman gebloggt hat, so alles eintritt, besonders in der Rubrik „Neue Weltbilder“/“Spiritualität & Weisheitslehren“. Da macht das abstrakte Reden von Mächten dann wieder Sinn.

    Selbst wenn Sie tatsächlich das gemeint hat was in diesem Blogeintrag behauptet wird – dass hier ein strafender Gott (im christlichen Verständnis) selbst eingegriffen hat, frage ich mich, warum jemand meinen müsste, sich für seinen Glauben entschuldigen muss. Oder hat jener tatsächlich einen substanziellen Zusammenhang mit den Vorstellungen von Frau Herman?

    Ich jedenfalls hätte keine Lust, etwas anzuhängen, wofür ich mich ständig (gut begründet) in Entschuldigungszwang fühlen würde.

    Oder geht es vielleicht darum, innerkirchlichen Lagerkampf zu führen und die Gegenseite künstlich in Verbindung zu Frau Herman zu bringen?

    @Tamar: Es gibt sehr wohl einen Unterschied, islamische Hassprediger fordern zum Herbeiführen von Gewalt gegen wie auch immer definierte Feinde auf. Hier wird nur über ein bereits geschehenes Ereignis spekuliert.

    1. Da Frau Herman zwei Bücher mit Titeln veröffentlicht hat, die eine christliche Symbolik beinhalten und auch in dem Artikel an diversen Stellen auf jene Symbole zurückgreift, darf ich annehmen, dass sie Gott meint. Mir geht es jedoch weder um Lagerkämpfe, noch um Frau Herman im Besonderen, ich weiß auch nicht, welche „Gegenseite“ Sie meinen.
      Ich denke einfach folgendes: Man kann die Love Parade mögen oder verabscheuen, bestimmte Aspekte kritisieren oder gut heißen. Wenn Frau Herman oder sonstwer den Drogenkonsum dort kritisiert – okay. Den Alkohol, die Musik oder was auch immer. Gehe ich völlig konform mit. Aber immer nur aus einer persönlichen Perspektive. Die Aussage muss lauten: „ICH finde, dass diese Veranstaltung völlig daneben war und finde es gut, dass sie abgeschafft wird.“
      Aber sich auf „höhere Mächte“ zu berufen ist so dermaßen wage und obskur…
      Ich aber stehe als Christ da und werde – zurecht! – gefragt, wieso ich einem Verein angehöre, der Personen wie Frau Herman beherbergt. Und es ist mir peinlich, immer wieder erklären zu müssen, dass dies nicht meine Theologie ist. Nein. Gott hat keine Menschen von der Treppe geworfen. Gott hat auch keine Fans in Hillsborough erdrückt, obwohl Fußball für viele Konservative vom Teufel ist. Und Gott hat in Island auch keinen Vulkanausbruch verursacht, weil die Frauen kurze Röcke tragen. Nein, nein, nein. Ich verwehre mich dem Tun-Ergehen-Zusammenhang.

  3. vielen Dank für Ihre Antwort.
    Trotzdem ist für mich die Vereinnahmung von Begriffen wie „Gott“ durch wen auch immer noch lange kein Grund, mir den Schuh auch anziehen zu müssen. Das muss zumindest mal tiefer geprüft werden.
    Und das mit dem Beherbergen lässt sich auch lecht lösen, Frau Herman gehört keiner christichen Kirche an, und verfolgt vermutlich eine typisch postmodern (jeder definiert sich seine Wahrheiten individuell selbst und baut aus verschiedenen Elementen was zusammen) selbstgestrickte Religiosität, siehe hierzu:
    http://www.focus.de/panorama/boulevard/privatreligion-eva-herman-betet-in-hauskirche_aid_299445.html

    das mit dem innerkirchlichen Lagerdenken entstammt aber Ihrer eigenen Formulierung „oft genug kommen diese Menschen aus dem kirchlich-konservativen Lager. Beispiel gefällig?“.
    Meiner Ansicht nach ist Frau Herman wohl sehr konservativ, aber nicht kirchlich-konservativ (z.B. streng-katholisch, evangelikal oders so).

    1. Ah, mein Fehler. Keinesfalls wollte ich die Konservative als solche angreifen – empfinde ich mich doch selbst als eher konservativ 😉

      Ich habe wohl stets das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen *g*

      1. Jedenfalls zeigen die Äußerungen von Eva Herrmann, dass sie sich ziemlich deutlich von einer einst moderaten Person hin zu einer äußerst fragwürdigen Persönlichkeit entwickelt hat. Dass sie ganz offensichtlich christliche Motive gebraucht und eben auch (zumindest in ihren sonstigen Beiträgen) im konservativen christlichen Lager großen Beifall findet, macht nicht die christliche Religion schlecht, nährt aber das Fremd-Schämen und das „sich distanzieren“, weil in der Folge öffentlich natürlich gerne verallgemeinert wird. Insofern darf man gelegentlich wohl auch mal öffentlich zu den schillernderen „christlichen Zeitgenossen“ auf Distanz gehen und ihren verbalen Output als das bezeichnen, was er ist: Unsinn!

        Und ja, ich stimme zu: Wer im tragischen Geschehen von Duisburg einen strafenden Gott am Werk sieht, der hat eine archaische und theologisch hoch bedenkliche Vorstellung von Gott!

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