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Wenn man vom Hof meiner Eltern zurück auf die Straße will, versperrt ein großes, hölzernes Tor den Weg, damit die Pferde nicht abhauen. Und die Schafe (obwohl ich die nicht vermissen würde…). Man muss also immer zu dem Tor fahren, aussteigen, Tor öffnen, einsteigen, vorfahren, aussteigen, Tor schließen, einsteigen, weiterfahren.

Umständlich.

Also bat ich bei unserem letzten Besuch Carolina, das Tor für mich zu öffnen. Begeistert rannte sie los und stemmte das Tor, welches sie um einen Kopf überragt, mit Mühe ein Stück weit auf, dann stellte sie sich an den Rand, tief in die Büsche. Ich fuhr mit dem Auto vor und blieb stehen. “Carolina”, rief ich ihr aus dem offenen Autofenster zu, “du musst das Tor weiter aufmachen. Da komme ich nicht durch!”

Aber sie zögert.

Meine Tochter hat eine gewisse Angst vor laufenden Autos. Und das ist von mir gewollt. Christopher schrieb gestern über den Machtfaktor Angst. Ich habe ihr diese Angst eingeimpft. Eine Kühlergrill hat genau ihre Kopfhöhe. Ein Auto ist gefährlich. Ein Auto ist gefährlich. Ein Auto ist gefährlich. Die Angst ist sozusagen mein Geschenk an sie.

Sie zögert.

Sie traut sich nicht, vor den laufenden Wagen zu treten und das Tor aufzumachen. Ich werde ungeduldig bleibe verständnisvoll: “Nun mach schon. Da passe ich nicht durch! Du schaffst das.”
Sie zögert, aber nach weiteren verärgerten aufmunternden Zurufen tritt sie vor den Wagen und stößt das Tor auf. Dann hechtet sie ins nächste Gebüsch.

Ich fahre durch und steige aus, um das Tor zu schließen. Sofort rennt Carolina mir freudestrahlend entgegen. “Papa”, ruft sie, “ich bin ja gar nicht gestorben!”

Es gibt so Momente im Leben, nicht wahr?

Ich schäme mich. Für meine Ungeduld. Meinen Ärger. “Hattest du wirklich Angst, zu sterben?”
Sie nickt.
Ich versuche ihr zu erklären, dass ich nie etwas tun würde, dass sie in Gefahr brächte. Dass ich auf sie aufpasse.

Am Ende bleibt mir die Frage, ob Angst wirklich immer etwas schlechtes ist.

Ein Gedanke zu „Angst“

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