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Sonntag. Angst.

Ich bin ein großer Anhänger des Jazz.
Diese spielerische Leichtigkeit. Die Improvisation. Man kann in die Musik eintauchen.
Obwohl ich nur wenig von Musik verstehe, ist mir eines doch klar: Weder Charlie Parker noch irgendein anderer, guter Jazz-Musiker ist mit der Improvisation, die den Jazz auszeichnet, groß geworden. Ganz im Gegenteil: Damit eine Musik-Gruppe miteinander spielen kann, sind harte Regeln und fest vorgegebene Abläufe von Nöten. Wieder. Und wieder. Jahrelang. Ein enges Korsett voller Regeln. Ohne geht es nicht.

Diese Art der Regeln sind für uns wichtig. Und ich denke, innerlich halten wir so lange wie möglich an ihnen fest.

Frei predigen? Spontan ein Lied anstimmen? Unvorbereitet einen Vortrag halten?

Improvisation birgt Risiko. Birgt Angst.

Wir mögen keine Veränderung. Sie machen uns Angst. Überall. Immer wieder.
Ich war lange genug Student, um Prüfungsängste kennenzulernen. Ich kenne Menschen, die sich fragen, ob sie je einen Partner finden werden. In meiner Gemeinde haben einige Angst vor Veränderungen. Vor neuen Liedern. Vor neuen Gebeten. In der Schule haben wir Angst vor neuen Kollegen. Die besser sind. Wenn ich die Schüler mit der größten Klappe bitte, vor der Klasse etwas vorzutragen, werden sie ganz still.

Wenn ich in  das Alte Testament schaue, dann finde ich dort das gleiche Muster: Gesetze. Und genau beschriebene Abläufe und Vorgaben. Ein enges Korsett von Regeln. Tu dies. Unterlasse jenes. Ansonsten wird Gott dich strafen. A.J.Jacobs hat ein skurriles Buch darüber geschrieben.
Es ist ein Ausgangspunkt.
Denn später, im Neuen Testament, finde ich dann Freiheit. “Fürchte dich nicht” ist, wie mir scheint, einer der häufigsten Sätze der Bibel. Fürchte dich nicht. Als sollte man diese Regeln, nachdem man sich ihrer bewußt, zurücklassen und voll ins Leben eintauchen. Uns von allem, was uns einengt befreien.

Wenn man jahrelang Jazz gespielt hat, wenn man perfekt aufeinander eingespielt ist, wenn man die Regeln und Vorgaben verinerlicht hat – dann kann man sie hinter sich lassen. Dann kann man spielen und improvisieren. Träumen. Und zu ganz neuen Horizonten vorstoßen.

Die Angst meiner Tochter vor laufenden Autos ist mein Geschenk an sie.
Es hilft ihr, im Straßenverkehr aufzupassen. Aber irgendwann muss sie diese Angst hinter sich lassen. Sonst verpasst sie das Leben.

Fürchte dich nicht.

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