Ich versuche meiner Tochter das Fahrradfahren beizubringen.
Das Wetter ist ideal, das Fahrrad hat die richtige Größe und meine Tochter ist durch ihr Prinzessin Lillifee-Laufrad perfekt vorbereitet.
Anders als ich.
Ob Karl Drais im frühen 19. Jahrhundert ahnte, wieviel Tränen er mit seiner Erfindung des Fahrrads in die Familien dieser Welt bringen würde?
Wahre Geduld beweist sich scheinbar erst, wenn man seinen Kindern das Fahrradfahren beibringen will, ohne dabei genervt zu sein zu klingen.
Dabei zeigt meine Tochter nur völlig verständliche Reaktionen: Statt mit den Pedalen zu bremsen, nimmt sie die Füße runter. Statt zu lenken, rollt sie lieber (in Zeitlupe) kreischend in eine Hecke/gegen den Bordstein/gegen einen Zaun/….
Nach zwei Tagen haben wir es fast geschafft. Sie fährt die Straße rauf und runter, ich hechel nebenher. Zwischendurch fängt ihr Wackelzahn an zu bluten. Es gibt Pausen. Carolina hat Angst. Dann wieder Mut. Ist aufgeregt. Erzählt lang und breit was alles fast passiert wäre aber dann doch nicht passiert ist und… Es geht weiter. Sie ist wieder ängstlich. Tränen kullern.
Eine Mutter mit Kinderwagen begegnet uns und grüßt freundlich. Carolina ringt sich ein Lächeln ab und grüßt zurück. Blutverschmierte Zähne grinsen die Frau an. Eine Sekunde starrt sie auf die Zähne, dann auf die Tränen, dann auf mich. Ich lese in ihren Augen, dass sie erwägt, die Polizei zu rufen. Oder mich direkt kalt zu machen. “Weiter”, murmele ich Carolina zu und schiebe sie an. “Immer weiter!” Ich schiebe sie die Straße entlang. “…und mit Fremden spricht man nicht!” , füge ich noch etwas lahm hinzu.
Eine Stunde später ist es geschafft. Ich trabe nur noch nebenher, während Carolina die Straße auf und ab saust. Die ganze Zeit überlege ich, wie ich kontrollierte Stürze und Gefahrensituationen herbeiführen kann. Obwohl ich mich freue, dass sie jetzt fahren kann, ist mir doch ganz schön mulmig zumute.
Aber vielleicht liegt das auch nur an der Frau, die mich seit gestern verfolgt.
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