Vor ein paar Jahren hing am Schwarzen Brett im Lehrerzimmer ein Brief, den die damalige Kultusministerin, deren Namen ich vergessen habe (und das ist kein Spruch 🙂 ), an alle Gesamtschulen in NRW verschickt hatte. Die Katze war aus dem Sack: Gesamtschüler machen durchschnittlich ein um 0,3 schlechteres Abitur als ihre Kollegen am Gymnasium. Deswegen sollten alle Gesamtschullehrer verstärkt zu Fortbildungen geschickt werden.
Dahinter steckt der Gedanke, dass wir als Lehrer immer hinten raus bekommen, was wir vorne reinstecken.
Stimmt das?
Janövielleicht.
Einerseits kursiert die Geschichte, dass der erfolgreichste Lehrer in Schweden (oder so) die schlechteste Klasse zur zweitbesten gemacht hat. Und einer meiner Kollegen (fragt Jan, wer das war) hat es geschafft, durch unermüdlichen Einsatz von Lerntheken in Mathematik mit Abstand die besten Ergebnisse in Vera 8 einzufahren.
Andererseits kann man aus Stroh eben doch kein Gold spinnen. Oder doch? Was soll ich in der Oberstufe tun, wenn die Leutchen sich weigern einzusteigen, mitzudenken, Hausaufgaben zu machen und zu üben? Jaja blabla, mit der Note abstrafen, aber schaut selber nach: Hausaufgaben zählen nicht zu Sonstigen Mitarbeit –> Hausaufgaben ergänzen die schulische Arbeit und können dazu dienen, das im Unterricht Erarbeitete einzuprägen, einzuüben und anzuwenden. Hausaufgaben werden deshalb in der Regel nicht zensiert, sollten jedoch unter pädagogischen Aspekten Anerkennung finden (BASS 12-31 Nr. 1 und Nr. 4). Was tue ich, wenn bei den Schülern zu Hause einfach keine Verhätnisse herrschen, in denen man lernen kann? Wenn es keinen Schreibtisch gibt und alle anderen Familienmitglieder vor diversen PCs, Handys oder Fernsehern sitzen? Was tun, wenn 2 – 5 durchgeknallte, unerzogene Kinder so viel Aufmerksamkeit einfordern, dass man den Laden im Prinzip dicht machen könnte?
Das ist die Gretchenfrage für Lehrer: Die einen machen jeden Tag frontalen Schulbuchunterricht, die anderen schneiden bunte Gruppenkarten aus und bestreuen diese mit Glitzer, bevor sie diese laminieren und in Herzform schneiden, alles in der Hoffnung, es würde die Schüler zur Arbeit anregen.
Die Hattie-Studie sagt grob gesprochen, es käme auf den Lehrer an.
Was glauben wir? Geben uns Vera-Prüfungen, ZAPs, Standardsicherungen am Ende der Einführungsphase (11) und das Abitur ein Antwort auf die Frage, ob wir´s bringen?
Die Fragestellung der Untersuchung halte ich für falsch. Untersuchen müsste man, wie erfolgreich Abgänger unterschiedlicher Schulformen bei Aufnahme eines Studiums sind. Die Aussagekraft von Noten verliert für mich mittlerweile mehr und mehr an Gewicht in zunehmend kompetenzlerisch fokussierten Abschlussprüfungen. Diese Untersuchungen werden wir aber niemals sehen, weil ggf. dadurch Weltbilder infrage gestellt würden.
Noten sind Schall und Rauch – spreche gerade aus Abiturerfahrungen – ja, ich stimme Maik Riecken zu.
@Maik: Oder: Untersuchen, welches durchschnittliche Jahreseinkommen die Abgänger unterschiedlicher Schulformen zehn Jahre nach dem Ende der Schulzeit haben. Oder: Eruieren, wo die Abgänger diverser Schulformen auf einer Lebensglück-Skala von 1 bis 10 rangieren …
Nach meiner Einschätzung sind Schulen wichtig für eine Art Grundausbildung, und Noten dienen einer ungefähren Einschätzung von Fähigkeiten und Talenten (lückenhaft, nicht sehr zuverlässig), was die Vergabe von Studienplätzen aufgrund von Nachkomma-Stellen besonders grotesk erscheinen lässt. Aber diese Noten sind zur Zeit das einzige System, das wir haben.
Wenn jemand ein praktikables besseres System erdacht hätte, würden wir davon hören, oder?