Til Schweiger hat sich durch eine bemerkenswert direkte Aktion recht viel Gehör verschafft: Auf Facebook wies er mit deutlichen Worten User zurecht, die mit fremdenfeindlichen Parolen um sich schmissen.
Früher war Uli Hoeneß mal eine moralische Instanz – aber der ist wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis. Alice Schwarzer war auch mal eine solche Instanz – aber auch die hat Steuern hinterzogen. Wer im Glashaus sitzt und so.
Jetzt also Til Schweiger. Als Nachfolger von Günter Grass (der war aber eher für die Intellektuellen zuständig – also die, die die Blechtrommel gelesen und nicht geguckt haben.). Schweiger, der auf seinem Facebook-Profil Dinge schreibt wie: “Das Mitfühlen mit allen Geschöpfen ist es, was den Menschen erst wirklich zum Menschen macht.”
In meiner Gemeinde sind viele ältere Geschwister, die nicht nur Hitler-Deutschland miterlebt haben, sondern die auch selbst Flüchtlinge waren. Mit nur einem Koffer in der Hand hier in Siegen ankamen und irgendwelchen Familien zugewiesen wurden.
”Da! Dort wohnt ihr jetzt.”
Zwischen der Facebook-Meldung von Til Schweiger einerseits und den dumpfen Parolen irgendwelcher stolzer (aber LRS-geplagter) Deutscher andererseits, zwischen der Meldung über die eklatant hohe Zahl der Kirchenaustritte hier und den Gesprächen mit Flüchtlingen die sich in unsere Gemeinde verirren, bleibt mir ein Ausspruch von Jesus im Kopf hängen:
Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind ihrer, die ihn finden.
Wie immer möchte ich einladen, das große Ganze zu sehen. Den weiten Rahmen. Das “Wow” hinter dieser Aussage.
Diesen Text finden wir am Ende von Jesus Bergpredigt, einer Sammlung von Sprüchen aus Matthäus 5-7.
Warum ist das wichtig?
Jesus lebte inmitten eines sozio-politischen Dampfkessels, vollgefüllt mir Wut und Aggression. Die römische Armee hatte – als letztes Glied einer Reihe von Invasoren – das Land besetzt und die Menschen unterdrückt. Um es noch schlimmer zu machen, hielten die Römer nichts von diesem jüdischen Gott – ganz im Gegenteil war die Phrase “Caesar ist HERR” allgegenwärtig.
Können wir uns vorstellen, was das den Menschen antat? Eine fremde Kultur. Fremde Götter. (Bemerkenswert, dass in der Flüchtlingsdebatte heute die gleichen Ängste geschürt werden, wie sie in diesem alten Buch beschrieben werden.)
Das wirft natürlich Fragen auf:
Wenn unser Gott der wahre, große Gott ist und wir Gottes auserwähltes Volk und das hier Gottes Land – warum wird uns wieder und wieder und wieder von fremden Völkern in den Arsch getreten?
Es gab eine Reihe von Antworten auf die Invasoren, eine der einfachsten ist auch heute, hier sehr verbreitet: “Greift zu den Fackeln und lasst uns etwas tun!”
Nicht wenige waren der Meinung, dass die Römer nur eine Sprache verständen und dies sei die Sprache der Gewalt. (Nach zehn Minuten Lektüre diverser Kommentare auf Facebook und Google+ kommt man zu dem Schluss, dass dem heute immer noch so ist.)
Das hat zur Folge, dass eine Gewisse Spannung in der Luft lag, als da ein Rabbi/Lehrer/Pastor auftaucht und zur Menge etwas von Gottes kommendem Königreich spricht.
Kein Wunder, dass Menschen aus vielen Orten kamen, um ihn zu hören: Es waren unsichere Zeiten und die Leute suchten nach Richtung und Führung. (Kennen wir das?)
Und jetzt kommt der spannende Teil: Jesus verstand, das nur ein Weniges fehlte, dass die Menschen zu den Schwertern griffen und er wusste, dass die Römer diese Revolte brutal und unnachgiebig niederschlagen würden. Jesus war klar, dass der breite Pfad, der einfache Weg, die Straße, die alle nehmen würden direkt in den Untergang führen würde.
Was dann auch geschah.
Vierzig Jahre nach Jesus gab es eine solche Rebellion, die von dem Römischen General Titus blutig niedergeschlagen wurde – und Jerusalem wurde bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
Was bezweckt Jesus nun mit seiner Bergpredigt?
Er ruft seinen Stamm zurück zu ihrer Bestimmung und erinnert sie an ihre Berufung, ein Segen für die Welt zu sein. Er erzählt von einem anderen Königreich, in welchem ihre Herzen verändert würden und die Sanftmütigen, die Geduldigen und Liebevollen die Welt regierten. Jesus spricht über Nächstenliebe und Gnade, darüber, urteilsfrei zu bleiben und standhaft und mitfühlend. Er gibt den Menschen klare, konkrete Anweisungen, wie sie in dieser fragilen Welt ihren Weg finden würden, ihre Bestimmung – und er sagt ihnen, dass der einfache, breite Weg zur Zerstörung führen würde.
Bestimmung. Berufung?
(In einem seiner Bücher warf der Dalai Lama die Frage auf, ob es nicht die Bestimmung Deutschlands sein könne, nach all den Kriegen und der Zerstörung, mitten im Herzen von Europa ein pazifistisches Land ohne Armee zu sein. Was wäre das für eine Berufung?! Was für eine Inspiration?)
Was genau mein Jesus nun mit dem schmalen Pfad?
Wenn wir uns umsehen, welche Entscheidung treffen Menschen für gewöhnlich? Werden wir mutig, friedlich und liebevoll? Oder finden wir uns nicht oft in Rachegelüsten, Bitternis und Zynismus wieder? Wird unser Etat für Waffen Jahr für Jahr größer – oder konzentrieren wir uns auf Bildung, Integration und das Miteinander?
Es ist einfacher Angst zu haben. Es ist einfacher, mit Parolen um sich zu werfen. Es ist einfacher, den Mund zu halten.
Was uns zurück zu Til Schweiger führt – der nun hier und da als “moralische Instanz” bezeichnet wird. Werden nun zehntausend Leute weniger seine Filme schauen? Oder mehr? Oder interessiert ihn das vielleicht gar nicht?
Denken wir an die Dinge, die uns im Leben viel bedeuten: Sie alle kosten eine Menge Zeit und Energie und Fokussierung. Der Dortmunder Stürmer Aubameyang spricht in einem Interview in der Welt davon, der beste Aubameyang zu sein, der er nur sein könne. Damit das eintrifft, muss er viele Stunden trainieren und üben, eine Menge schlafen und sein Essen genau anpassen. Mit anderen Worten: Er muss zu vielen Dingen “Nein” sagen, für ein “Ja” zum besten möglichen Aubameyang. Das gleiche gilt für die Ehe. Oder das Elternsein. Oder den Beruf. Wenn wir das ernst nehmen, wenn wir “ja” sagen, dann müssen wir zu vielen anderen Dingen “nein” sagen.
Schweigers Äußerungen für Mitgefühl, für Anteilnahme und für Nächstenliebe ist ein “Nein” zur Zurückhaltung vieler Kollegen, ein “Nein” zur Angst vor Konsequenzen seiner Aussagen. Ich wünschte, ich würde so deutliche Worte noch häufiger von ‘der Kirche’ hören.
“Ja” zum Leben bedeutet “Nein” zur Angst.
Das ist ein schmaler Pfad. Aber nicht zu schmal.
[Bildquelle: https://www.facebook.com/eierundherz?fref=ts)