Meine kleine, bezaubernde Tochter steht mit ihren zwei Zöpfen vor mir. In der einen Hand eine kleine Papiertüte mit Spielzeug, in der anderen ein kleines Kuscheltier. „Ich gehe nach oben“, sagt sie.
Meine Eltern hatten früher einen Hobby-Bauernhof. Wir hatten Hunde und Katzen, Hühner und Schafe und Pferde. Was im Nachhinein wie ein wunderbares Abenteuer klingt, habe ich damals nur bedingt als aufregend empfunden. Der Fluch des Alltags, vielleicht. Das wöchentliche Ausmisten des Hühnerstalls habe ich gehasst. Vor dem Absammeln der Weide habe ich mich gedrückt und die Hunde zu bürsten gehörte nicht zu meinen Hobbys.
Nach einigen Jahren des emanzipierten Stadtlebens wohne ich inzwischen wieder auf dem Land. Wieder lebt ein Australian Shepherd unter meinem Dach. Wieder gibt es einen großen Garten und wieder wartet ein Hühnerstall darauf, ausgemistet zu werden.
Doch etwas hat sich verändert. Was früher ätzende Pflicht war, ist heute hohes Vergnügen.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Beim Rasenmähen gestern hat mein Schrittzähler über 10 km gezählt. Das ist nach der Wildschweinepidemie echte Knochenarbeit. Aber das tägliche Begrüßen der Hühner morgens, das Ausmisten des Stalls und Versorgen des Hundes ist ein so fester Teil meines Lebens geworden, dass ich ihn nicht missen möchte.
Gleichzeitig erkenne ich mich in meiner Ältesten wieder. Ihr “liebster, süßester Knuffelhund” (“Bailey ist wie meine Schwester, Papa!”) bekommt von ihr nur selten Futter oder Wasser. Wurden die Hühner anfangs noch begeistert morgens aus- und abends eingesperrt, werden sie inzwischen ignoriert. Das Versorgen der Tiere ist für sie so lästig wie für mich damals. Aber gerade weil ich mich so sehr in ihre wiedererkenne, kann ich ihr nicht mal böse sein.
Ich frage mich, wie es zu diesem Wechsel meiner Vorlieben gekommen ist. Wann – und wodurch? – hat sich das bei mir geändert. Und – fast noch wichtiger – welche Prioritäten werden sich in den nächsten zehn, zwanzig Jahren nochmal verändern?
Ich hätte da Wünsche. Denn noch immer sind mir einige Dinge zu anstrengend.
Meine kleine, bezaubernde Tochter steht mit ihren zwei Zöpfen vor mir. “Ich gehe nach oben“, sagt sie.
Langsam schwenkt sie die Tüte mit den Spielzeugen und schaut mich traurig an, „….zu Oma und Opa. Die spielen nämlich mit mir.“
Ich weiß, dass das eines Tages anders sein wird.
Es ist schwer genug, manchmal unmöglich – aber wir versuchen, mit den Kindern zu spielen, wann immer es geht.
Versteh mich nicht falsch, das soll keine Kritik sein – Du wünscht es Dir ja auch anders, wenn ich das richtig lese.
Stimme voll und ganz zu.
Lieber Jan, es ist so viel Wert, wenn die Kinder überhaupt die Gelegenheit haben, ein richtiges Huhn beim Picken – bei uns auf dem Mist – zu erleben und Eier essen zu können, die keine Chemiefabrik sind. Dass sie nicht darauf brennen, die Hühner zu versorgen, ist wahrscheinlich der Lauf der Dinge. Aber Lucy macht es, wenn es nötig ist, ohne dabei zu murren. Inzwischen merkt sie, dass sie dadurch den meisten in ihrem Alter etwas voraus hat. Sie ist erst zwölf und der Prioritätenwechsel hat schon eingesetzt. Für sie ist viel klarer als für uns damals, dass die Zukunft in den Händen der Menschen liegt. Wir haben sie früh der romantischen Vorstellungen vom Leben beraubt. Aber die Hühner und die Kühe bieten einen Strohhalm, dass die Welt doch anders funktionieren könnte. Deine Kinder können das wenigstens auch erleben und später ihr Handeln bewusster ausrichten. Herzlichen Glückwunsch!
lg LILO