Als ich abends erschöpft ins Wohnzimmer stolpere, sehen mich meine Frau und meine älteste Tochter nachdenklich an. Spöttisch grinsend die eine, eher vorwurfsvoll die andere.
”Du bist weich geworden”, stellt meine Frau mit jener Nüchternheit fest, die alle Ehefrauen irgendwann an den Tag legen. “Mir hättest du das nicht durchgehen lassen”, fügt Carolina grimmig hinzu. Natürlich streite ich es ab, behaupte, sie hätten Wahnvorstellungen oder würden die Vergangenheit verklären – aber insgeheim weiß ich es: Meine jüngste Tochter hat mich voll im Griff. Nicht ich erziehe sie, sondern umgekehrt. Abend für Abend mehr.
Ich habe es versucht. Wirklich versucht! Aber sie ist… so süß! Und beharrlich. Und ich bringe es nicht (mehr) übers Herz, hart zu bleiben. “Nochmal La-Le-Lu” kräht sie jeden Abend. Und mindestens ein weiteres Mal muss die Spieluhr aufgezogen werden. Außerdem hat sie jeden Abend noch “Durst, Papa! Ich will was trinken!”.
Ich habe versucht, ihre Rufe zu ignorieren. Fünf Minuten. Zehn Minuten. Eine Viertelstunde. Ohne Erfolg – Amélie ruft einfach immer weiter. Schimpfe ich und mache die Tür zu, wird geweint und gebrüllt. Fünf Minuten. Zehn Minuten. Viertelstunde.
Also gebe ich direkt auf. Nachdem sie etwas getrunken hat, muss sie nochmal auf Toilette. Anschließend noch einen kleinen Schluck trinken. Außerdem muss sie nochmal neu zugedeckt werden. Manchmal tut das Bein weh und sie braucht eine homöopatische Dosis Creme.
Es ist natürlich wenig hilfreich, dass ich sie zwischendurch durchkitzle, um meinen Standpunkt “WIRD JETZT GESCHLAFEN?? ODER MUSS DAS MONSTER NOCHMAL KOMMEN???” deutlich zu machen. Aber ich kann nicht anders. Ich liebe dieses Alter so. Süß und frech. Neugierig und beschützenswert. “Passt du auf mich auf, Papi?”, fragt sie irgendwann immer und immer wieder. Auch, wenn ich antworte, fragt sie weiter. Sie hört mein Grinsen. Selbst, wenn ich genervt bin, muss ich innerlich lachen. Und sie merkt das.
Jeden Abend ruft sie noch “Ich hab dich lieb, Papi!” und wenn ich zurückrufe “Ich dich auch”, kommt ein “Nein, Papa. Du musst sagen ‘Ich hab dich lieb’ und ich muss sagen ‘ich dich auch’!”
Jeden Abend. Anders geht es nicht. Es sind ihre Rituale.
Carolina habe ich damals einfach ins Bett gesteckt und fertig. Aber die Kleine hat mich total im Griff. Ich bin aus Liebe inkonsequent und leide und genieße jeden Abend.
Einfach schön! :3
Hmm…
Grins…geht mit bei meinem Kleinen auch so. Wunderbar geschrieben 😉