Die ersten Wochen in meiner neuen 5 sind geprägt vom neuen Miteinander. Hält man sich vor Augen, wie oft Kinder sich mit ihren Geschwistern streiten, kann man sich ausmalen, wie sich über 100 Fünftklässler benehmen, die acht Stunden miteinander auf einem Flur verbringen.
Auch an die neuen Lehrer muss sich gewöhnt werden und ich nehme mir zu Beginn viel Zeit für die Erziehung.
Im Klassenraum stehen die Tische jeweils paarweise L-förmig. Startet eine Gruppenarbeit, werden die zwei Tische zusammengeschoben und bilden einen Gurppentisch – anschließend wird diese Formation wieder aufgebrochen und es geht zurück zum L.
Tische zusammenschieben, hinsetzen und leise werden dauerte Montag im ersten Versuch rund drei Minuten. Weil mich das stört, gab es statt einer Arbeitsanweisung die Aufforderung, die Gruppentische wieder aufzulösen. „Ich sagte nicht, schiebt die Tische zusammen, quasselt dabei gemütlich mit dem Nachbarn, setzt euch dann hin, haltet noch ein Pläuschchen und wenn ihr dann Lust habt, werdet wieder leise.“
Zweiter Versuch. Dauerte mir immer noch zu lang. Gemurre. Genervte Blicke. Dritter Versuch.
Nach 30 Sekunden sitzen alle auf ihren Plätzen und es ist mucksmäuschenstill.
Mit Erklärungen hat mich das ganze Hin und Her bestimmt eine Viertelstunde meines Unterrichts gekostet. Und vermutlich werde ich diese Tischgruppen-Übung noch ein oder zweimal im Jahr machen müssen. Aber – und das halte ich für eminent wichtig – diese Zeit hole ich im Laufe des Schuljahres zigfach wieder rein. Statt mich fortan jedesmal zu ärgern, wenn die Kinder zu lange brauchen, läuft die Methode jetzt. (Freitag in der Klassenlehrerstunde ausprobiert: mit gutem Ergebnis.) Gerade wenn man neu in einer Klasse ist, ermöglichen solche Maßnahmen langfristig ein sehr entspanntes Miteinander.
Ein anderes Mal war ich vom ständigen Gequatsche so genervt, dass ich den betreffenden Schüler aufforderte, selbst den Unterricht zu gestalten. Ich setzte mich auf seinen Platz und ließ ihn zappeln. Irgendwann war die Klasse sichtlich genervt und wollte zurück zum regulären Alltag. Kostet auch Zeit – ist aber wichtig!
Freitags ist die letzte Stunde an unserer Schule stets eine Klassenlehrerstunde. Da können Dinge nochmal reflektiert und besprochen werden. Wir haben uns gestern auf die Klassenregeln geeinigt. Im Unterschied zu früher habe diese drastisch reduziert. Gibt es 7 oder 8 oder 10 Regeln? Und wie lauten die nochmal?
Fragt man Lehrer, welche Regeln in ihrer Klasse gelten, ist da oft auch erstmal Grübeln angesagt – wie sollen die Kinder sie dann wissen? Und: Wenn alles wichtig ist, ist nichts wichtig. Also gibt es bei mir nur noch 3 Regeln:
- Wir respektieren einander.
- „Stop“ heißt „Stop“!
- Wir lassen einander ausreden.
Ich glaube, mehr braucht es gar nicht.
Highlight der Woche: Das Staunen der Schülerinnen und Schüler, als wir den Physikraum betreten haben. „Ein richtiges Labor, Herr Klinge!“ und die erste Stunde im Technikraum. „Eine richtige Werkstatt, Herr Klinge!“ und ganz besonders der Moment, als ich die Werkzeugschränke geöffnet habe. „Ahhh!“ „Ohhh!“ „Woooow!“ schallt da ein Chor von Kinderstimmen durch den Raum, als sei Weihnachten.
Außerdem Highlight: Mit großartigen Kollegen ein paar abgefahrene Projekte angestoßen. Unter anderem wollen wir viele Dienstabläufe zügig umgestalten und mehr Blick auf Effektivität und Ökonomie haben und in der gleichen Schiene Microsoft Showcase Schule werden. Es bewegt sich ganz viel und bei aller Anstrengung: Das Gefühl, eine Schule aktiv und direkt mitgestalten zu dürfen ist richtig, richtig toll.