„Bevor wir morgen auf Klassenfahrt gehen“, erkläre ich meiner fünften Klasse in verschwörerischem Tom, „muss ich euch noch sagen, dass es in der Jugendherberge spukt!“
Großes Abwinken und Gelächter. „Jaja, Herr Klinge! Mit uns nicht!“
„Ob ihr mir glaubt oder nicht – ich will es euch nur heute sagen. Nicht, dass sich morgen jemand beschwert! Ist mir nämlich selbst passiert – mit meiner letzten Klasse!“
Die Kinder sind skeptisch, hören der Geschichte dann aber doch intensiv zu, die ich bedeutungsschwanger erzähle.
Eine Klasse war auf Kennenlernfahrt. Eine richtig tolle Fahrt! Die Sonne schien, alle hatten Spaß miteinander und es war einfach toll. Bis einer der Jungen, Sebastian, im Gebüsch etwas fand, das wie ein Finger aussah. Er zog daran, aber der Finger rührte sich nicht. Er rüttelte und zerrte und plötzlich hielt er den Finger in der Hand. Er war alt und vertrocknet und der Fingernagel ganz gelb und lang.
Sebastian brachte den Finger seinen Lehrern, die nur abwinkten und sich sicher waren, dass es nur ein Plastikspielzeug oder so etwas war. Die Kinder spielten nachmittags und abends und endlich ging es ins Bett.
Als Sebastian schon fast eingeschlafen war, meinte er ein leises Flüstern zu hören. Ein Keuchen und Rasseln der Stimmbänder. „Wo… ist…. mein…. Finger?“, flüsterte die Stimme mühsam.
Wieder unterbrechen mich meine Schüler. „Das stimmt doch gar nicht!“ „Ich grusel mich nicht!“ Aber ich erzähle einfach weiter und es wird stiller und stiller im Klassenraum.
Sebastian war sich auch sicher, dass das nur ein Witz war. Er grinste und drehte sich zur Wand. Aber da hörte er es nochmal. Immer noch leise, aber doch deutlich näher. „Wo ist mein Finger?“
Unten ging die Haupttür auf und schwere Schritte stampften in den Flur. „Wo…“, rasselte die Stimme, „…ist mein Finger?!“
Nun wurde es Sebastian doch gruselig und er schaute sich um. Alle Freunde im Zimmer schliefen schon und Sebastian traute sich nicht, sie zu wecken aus Angst, ein Geräusch zu machen. „Wo… ist… mein… Finger….?“, keuchte die Stimme. Als die Schritte immer näher kamen, versteckte Sebastian sich unter der Decke. Nun war es ganz schwarz. Er konnte nichts mehr sehen, hörte aber genau, wie sich die Türklinke knarrend senkte.
„Wo…ist…mein…Finger…?“, raunte es gefährlich. Sebastian wagte kaum zu atmen. Jemand trat direkt neben sein Bett.
Pause.
„DUUU HAST MEINEN FINGER“, brülle ich unvermittelt und packe einen meiner Schüler an den Schultern. Alle schrecken zusammen und stöhnen und lachen und versichern sich augenblicklich gegenseitig, dass sie sich natürlich nicht erschreckt hätten.
Morgen geht es auf Klassenfahrt und ich freue mich wirklich sehr drauf. Es wird Zeit für ein paar neue Reisetagebuch-Einträge.
Außerdem (sozusagen Gruselgeschichte Teil 2): Ich war heute erneut beim Arzt wegen der Krebsvorsorge. Blutuntersuchung. Hautkrebsvorsorge. Solche Dinge. Wichtig. Machen!
die Geschichte war MEGA
Bisher einer der besten Geschichten die ich jeee gehört habe