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Kopfrechnen-Challenge im Unterricht

Kopfrechnen ist für viele (ehemalige) Schüler mit absolutem Horror verbunden. Vor den Blicken der Klassenkameraden aus dem Kopf sieben mal sechs rechnen, während der Lehrer ungeduldig mit den Füßen wippt und seine Augenbrauen erwartungsvoll nach oben zieht und enttäuscht den Kopf schüttelt. Das geht besser.

Die letzte Klassenarbeit ist geschrieben und durch den ständigen Wechsel von Präsenz- und Fernunterricht hängen meine Fünfer ganz schön durch. Ich weiß gar nicht, ob sie jetzt wirklich Ferien brauchen, oder nicht eher einen geregelten Tagesablauf. Dem ein oder anderen fehlt doch die schulische Struktur.

Weil ich persönlich das sinnlose Abhängen vor den Sommerferien gar nicht leiden mag („Können wir einen Film gucken??? Biiiitttteeee!“), versuche ich dann doch bis zum letzten Tag Inhalte zu finden. Nach den Sommerferien werden wir uns mit den Teilbarkeitsregeln beschäftigen und dazu ist ein sicherer Umgang im kleinen Einmaleins überaus hilfreich.

Das Problem: Kopfrechenwettbewerbe habe ich noch so erlebt, dass alle Schülerinnen und Schüler aufstehen. Dann wirft der Lehrer eine Aufgabe rein und wer sie zuerst in den Klassenraum brüllt, darf sich setzen. Die Deppen bleiben dann am längsten stehen.

Ich bin kein Freund davon.

Wer schlecht im Kopfrechnen ist, braucht das nicht noch Stunde für Stunde öffentlich demonstriert bekommen. Statt dessen habe ich mir eine Alternative überlegt, die ich mit meinen beiden Gruppen (die Klasse ist Corona-bedingt in zwei Halbgruppen aufgeteilt) durchspielen wollte.

Zunächst habe ich alle Kinder auf ihre Computer eine kostenlose Mathe-App installieren lassen. Unter enormem Zeitdruck muss man dort soviele Aufgaben wie möglich lösen. Viel mehr als zehn schafft man kaum. Nachdem alle Schülerinnen und Schüler die App zweimal ausprobiert haben, notiere ich ihre erreichten Punktestände in einer Tabelle. Die reichen von nur zwei gelösten Aufgaben bis zu acht.

Erst im Anschluss erkläre ich ihnen die Regeln: Die beiden Klassengruppen treten gegeneinander an. Der Clou: Es gewinnt nicht jene Gruppe, die zufälligerweise den ungekrönten Mathe-Champion beheimatet, sondern – nach ausreichend Übungszeit – gibt es einen zweiten Durchlauf und eine zweite Messung. Ich werde mir in der letzten Stunde erneut aufschreiben, wer wieviele Punkte erreicht und dann werden die Verbesserungen im Vergleich zur ersten Stunde gezählt.

Wer also mit traurigen zwei Punkten begonnen hat und übernächste Woche dann schon sechs schafft, hat damit vier Punkte fürs Team gesammelt. Wer vorher schon starke acht erreichte und sich auf neun verbessert, kann sich immer noch über seine Spitzenleistung freuen – aber das steht dieses eine Mal nicht im Fokus.

Viel zu selten steht die persönliche Verbesserung im Vordergrund des Unterrichts, weil sich an gesetzten Normen orientiert wird. (Am deutlichsten wird das bei den Bundesjugendspielen. Ich bin ein ganz entsetzlich schlechter Werfer und habe damals mit viel Übung meine Wurfweite verdoppelt. Damit war ich laut Liste aber immer noch in der Rubrik „Naja, das Kind hat vielleicht andere Stärken“ verhaftet…)

Sobald diese Pandemie vorbei ist, wird die Verlierergruppe den Gewinnern einen ordentlichen Kuchen backen müssen. Es sei denn natürlich, es gibt ein knappes Unentschieden. Dann müsste ich ran und unter dem Gejohle der Kinder jede Menge Kuchen auffahren. Das wird natürlich niemals passieren.

Natürlich nicht!

Hinweis: Wer lieber hört statt liest: Diesen Beitrag gibt es auch als Podcast bei Spotify und im iTunes Store. 

11 Gedanken zu „Kopfrechnen-Challenge im Unterricht“

  1. Ich habe mir selbst eine entsprechende App installiert, mit der man Kopfrechnen trainieren kann. Die Idee mit der Messung der Verbesserung finde ich hervorragend. So wird der Wettbewerb für alle schwachen interessanter, da es doch eine Möglichkeit mit reellen Gewinnchancen gibt. Ich bin gespannt, wie dein Projekt in der Realität läuft.

  2. Das größte Problem beim Prinzip „der/die Beste gewinnt“ sehe ich darin, dass dies für niemanden einen wirklichen Vorteil bietet.
    Die ohnehin schon starken werden dadurch noch stärker und in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt.
    Alle anderen aber, insbesondere die Schwachen, haben nichts davon: Während es einerseits enttäuschend ist zu sehen, wie „dumm“ man im Vergleich zu den anderen dasteht, bekommt man noch nicht einmal eine Gelegenheit zur Übung dadurch.
    Insofern ist das Konzept die Verbesserung zu messen eine hervorragende Idee.

  3. Gibt es eine App zum Download für beide Systeme? Ich suche eine App, die kein Internet nach dem Download braucht, damit ich das für alle Schüler nehmen kann. Bei uns gibt es kein Internet an der Schule.

  4. Die Differenz zu bewerten finde ich absolut super. Der netteste Mathelehrer aller Zeiten, Herr O.K. am E.-Gymnasium in K., hatte in meiner lange zurückliegenden Schulzeit neben den üblichen Buchpreisen für Bestleistungen (die in der Regel die immergleiche Auswahl an Kindern bekam) einen Sonderpreis für die größte Verbesserung vom 1. zum 2. Halbjahr eingeführt. Nicht nur war das ein wesentlich gerechterer Preis, weil er für echte Anstrengung und nicht für angeborenes gutes Gedächtnis verliehen wurde, er hatte auch die Macht, wir konnten auch mit Staunen beobachten, wie er es schaffte, aus muffeligen Hinterste-Reihe-Wesen in Sitzenbleibgefahr engagierte Schülerwesen mit absolut brauchbaren Noten zu machen; einfach, weil da jemandem einmal kargeworden ist, was er erreichen kann. Wenn man einmal von der Klasse dafür gefeiert wurde, dass der 4,5-Schnitt zu einem 3,5-Schnitt wurde (ein Verbesserungsgrad, den ein Einserschüler schon per se nie erreichen kann), dann kann man sich auch zutrauen, aus der 3,5 eine 2,5 zu machen; und dann kann es passieren, dass man im Stoff schon so gut drin ist, dass der Unterricht plötzlich deutlich intressanter erscheint als zuvor.

  5. Das mit der App finde ich super. Danke für den Tipp.
    In meiner Schulzeit habe ich diese „Aufsteh- und – dann – Brüll“ – Abfragen gehasst. Das kam bei uns oft in Mathe und in Englisch mit Vokabeln vor. Aufgrund meiner Schwerhörigkeit (ein Aspekt, der immer komplett außer Acht gelassen wird) kam ich nie mit. Ich habe den Lehrer manchmal schlicht akustisch nicht verstanden und konnte die Lösung dann nicht brüllen. Gewusst habe ich letztlich immer alles. Dann hieß es immer: Du musst mehr lernen! Hast du wieder nicht gelernt?
    Den Lernfortschritt mit einer App zu ermitteln, das hat was.

  6. Danke, Danke, Danke!
    Ja die „alte“ Variante habe ich selber noch als Schülerin miterleben „dürfen“ – als Steigerung noch: wer es am schnellsten gelöst hat, darf früher gehen… so ein stinkender Kopfsalat! (wir haben gerade Salatwoche zu Hause – aufgrund von einem anderen Artikel auf diesem Blog;-)
    Der neue Ansatz ist super!

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