Unser Kollegium durfte heute eine Fortbildung Kick-Off-Veranstaltung zum Thema „Deskalations-Strategien, Anti-Aggressionstraining und Selbstbehauptung“ durch Ulrich Krämer erleben. Dabei ging es auch darum, ein wenig aus der eigenen Komfortzone des Bekannten und Beherrschbaren zu gehen und sich in die Wachstumszone zu bewegen.
Eine Vielzahl von theoretischen und praktischen Übungen später ist mir deutlich geworden: Am meisten ziehe ich aus jenen Aufgaben und Gesprächen, die am Unangenehmsten sind. Die tiefer bohren und mich und meine Motive und Triggerpunkte herausfordern.
Nicht unbedingt neu, aber sehr einleuchtend empfand ich folgende Übung: Links und rechts der Aula wurden zwei rote Karten drappiert: „Gewalt“ und „keine Gewalt“.
Alle Teilnehmer bekamen dann Karten mit kurzen Sätzen oder Begriffen in die Hand gedrückt mit der Aufforderung, sie irgendwo zwischen den beiden Karten zu platzieren – näher oder weiter entfernt, ganz so, wie wir ihre thematische Nähe empfänden.
Interessant waren einerseits die kollegialen Diskussionen, was der ein oder andere als „Gewalt“ empfindet, andererseits auch die Einblicke, wie Kinder im allgemeinen darauf reagieren: Während Erwachsene unseres Kulturkreises eine Ohrfeige stark in Richtung „Gewalt“ schieben, sieht das in weiten Teilen Frankreichs ganz anders aus: Da gehört sie stellenweise zur Erziehung. Auch Kinder schieben die Karte zwischen den Extremen hin und her – je nachdem, ob sie selbst Ohrfeigen als Erziehungsmittel erfahren haben, oder nicht.
Aus den Überlegungen entstand aber nicht nur die triviale Erkenntnis, dass die Frage „Gewalt oder keine Gewalt“ im Auge des Betrachters liegt – sondern auch, dass Handlungen, die ich als Lehrer als völlig normal empfinde, durch Kinderaugen als gewalttätig aufgefasst werden können.
Viele der praktischen Übungen kennt man (und sie sind auch Bestandteil meiner erlebnispädagogischen Lerntheke) – aber die Techniken erlernt man erst dann wirklich, wenn man sie wieder und wieder durchmacht.
Spannend finde ich, mich bewusst mit meinen Triggerpunkten auseinanderzusetzen. Was genau bringt mich auf die Palme? Tipp für Einsteiger: Die eigenen Kinder kennen diese Punkte meist sehr gut. Tipp für Profis: Den Expartner fragen – der weiß auch Bescheid. Auch ich habe ein, zwei jede Menge solcher Schwachstellen und hin und wieder findet ein Schüler sie. Das sind dann meist blöde Tage für alle Beteiligten. Denn die Herausforderung besteht natürlich in der Frage: Wie kann ich diesen Triggern professionell begegnen? Welchen Plan B habe ich im Kopf, wenn Plan A (Puls haben, Schüler anschreien, sich entleiben) nicht funktioniert?
Corona hat mir ein wenig einen Strich durch die Rechnung gemacht – aber ich arbeite immer noch daran, ein Training zum Kommunikationsmanagement schulintern durchzuführen. Mit Verständnis über die Statustheorie, De-Eskalationsstrategien und Rollenspielen, Rollenspielen, Rollenspielen. Grundlegende Ideen dafür beschrieb ich in einer Reihe hier auf dem Blog. Mit jeweils kleinen Gruppen von Kolleg:innen ließe sich das sicher zielführend realisieren.
Im nächsten Beitrag geht es dann endlich weiter mit der Hausaufgabe vom letzten Mal:
- Welche Hochstatus-Verhaltensweisen haben einen positiven Einfluss auf meinen Unterricht?
- Welche Tiefstatus-Verhaltensweisen haben einen positiven Einfluss auf meinen Unterricht? (Das ist nicht ganz trivial!)